Andreas Buck hat in seiner Karriere rund zehn Millionen Mark verdient – trotzdem wäre das Geld nach der Laufbahn beinahe futsch gewesen. Im Interview spricht er über B‑Jugendspieler mit 9000 Euro Monatsgehalt, das Thema Geld in der Kabine und Fußballer, die übers Ohr gehauen werden.
Andreas Buck, 1988 haben Sie beim Zweitligisten SC Freiburg Ihren ersten Profivertrag unterschrieben. Wissen Sie noch, wie viel Sie damals verdient haben?
Das weiß ich noch ganz genau. Das Grundgehalt betrug 2500 D‑Mark brutto.
Hat das Gehalt eine Rolle gespielt, bevor Sie den Vertrag unterschrieben haben?
Gar nicht. Für mich war das einfach die Chance, erst einmal Fuß zu fassen in diesem Business. Eigentlich wollte ich noch nebenher studieren. Dafür war Freiburg ein guter Standort. Geld war überhaupt nicht entscheidend. Ich hätte wahrscheinlich auch umsonst gespielt.
Das heißt, Sie haben gar nicht richtig verhandelt?
Achim Stocker …
… der damalige Präsident des SC Freiburg …
… hat mich bei meinen Eltern zu Hause in Geislingen besucht. Er hat mit uns Zwetschgenkuchen gegessen und gesagt: Der SC Freiburg ist ein kleiner Verein, der nicht viel Geld hat, aber auch ein Sprungbrett sein kann. Eine Vertragsverhandlung im eigentlichen Sinne hat da nicht stattgefunden. Auch meinen Vater haben die Zahlen nicht interessiert. Ihm war wichtig, dass ich studieren kann. Er hat wahrscheinlich auch nicht daran geglaubt, dass ich dauerhaft Profifußballer werde.
Ihr Vater dürfte damals mehr Geld verdient haben als Sie auf Ihrer ersten Profistation.
Deutlich mehr sogar. Aber irgendwann hat sich das dann geändert.
Heute verdienen Profifußballer vermutlich vom ersten Tag an mehr als ihre Eltern.
Mir ist durchaus der eine oder andere B‑Jugendspieler eines Bundesligisten bekannt, der 9000 Euro brutto verdient. Wie gesagt: als B‑Jugendlicher. Da sprechen wir also von einem 15-Jährigen.
Fünfzehn Jahre dauerte die Karriere von Andreas Buck als Profifußballer. 1988 begann sie beim damaligen Zweitligisten SC Freiburg, 2003 endete sie bei Mainz 05, ebenfalls in der Zweiten Liga. Dazwischen liegen zwei Meistertitel mit dem VfB Stuttgart (1992) und dem 1. FC Kaiserslautern (1998 als Aufsteiger). Buck gehört damit einem elitären Kreis an: In fast 60 Jahren Bundesliga sind nur zwölf Spieler mit zwei unterschiedlichen Klubs Meister geworden, ohne für den FC Bayern München gespielt zu haben.
Was machen solche Summen mit den Jungs?
Das ist wirklich ein Problem. Die Jungs sind jung, haben Flausen im Kopf – und viel Geld zur Verfügung. Aber sie können sich nicht normal bewegen wie normale Leute in ihrem Alter, können nicht feiern gehen, keinen Blödsinn machen, wie man das als Jugendlicher nun mal macht. Diese Welt ist ihnen komplett verschlossen, weil sie ständig unter Beobachtung stehen. Nehmen Sie mal Jadon Sancho und die Geschichte mit dem Goldsteak. Das war bestimmt keine berühmte Aktion, aber irgendwie müssen die Jungs auch mal ihre Jugendlichkeit ausleben können. Und in diesen Fällen kommt zur Jugendlichkeit eben hinzu, dass sie sehr viel Geld haben.
Sie haben den Profifußball als eine Welt der Goldketten und Großspurigkeit beschrieben. Wie sehr hat das auf Sie abgefärbt?
Irgendwann holt es dich schon ein bisschen ein. Man muss sich natürlich nicht gleich einen Ferrari zulegen – es gibt ja auch noch den klassisch bürgerlichen Porsche (lacht). In der Kabine gibt es nur drei Themen: Geld, Autos, Frauen. Heute kommt wahrscheinlich noch dazu, wie viele Follower du hast. Diesem Egotrip, der in der Kabine ausgelebt wird, kannst du dich nicht komplett entziehen. Du kommst dann nicht mehr mit dem VW Käfer zum Training, um nicht zum Außenseiter zu werden.
Dass man nicht über Geld spricht, gilt in der Kabine offensichtlich nicht.
Man spricht nicht darüber, was man verdient. Das ist tatsächlich ein Tabuthema. Aber man spricht darüber, was man sich wieder Tolles gekauft hat, welches Auto, welche Uhr. Oder erzählt, welche Geldanlage man gerade getätigt hat und welch wahnsinnige Rendite man damit erzielt. Das ist immer dieses „höher, stärker, weiter“. Der Coolste sein.
Ist Geld die wichtigste Währung, mit der sich der Wert eines Spielers bemessen lässt?
Schwierige Frage. Das Standing innerhalb einer Mannschaft definiert sich nicht ausschließlich über Geld. Eine Mannschaft merkt ganz genau, ob ein Spieler für ein Gefüge wichtig ist. Ob er das meiste Geld verdient oder nicht, ist dann gar nicht entscheidend. Andererseits wird ein Superstar, den du mitschleppen musst, weil er nur auf seinem Egotrip unterwegs ist, nie die große Akzeptanz in der Mannschaft haben. Wenn einer nichts zurückzahlt, ist es eher kontraproduktiv, dass er auch noch viel Geld verdient. Da besitzt eine Mannschaft schon ein feines Gespür.
Bucks Karriere als Fußballer fällt in eine Zeit, die von einem dramatischen Wandel geprägt war, vor allem ökonomisch. In der zweiten Hälfte hat er dreimal so viel verdient wie in der ersten. In seiner gerade erschienenen Autobiografie (Turbo. Mein Wettlauf mit dem Fußballgeschäft. Tropen, 224 Seiten, 20 Euro) berichtet der inzwischen 52-Jährige zusammen mit seinem Co-Autor Johannes Ehrmann, wie die Einführung der Champions League und das Bosman-Urteil den Fußball verändert haben – und wie er trotzdem an den Rand des finanziellen Ruins geraten konnte. Heute (1. September, 19.30 Uhr) stellen Buck und Ehrmann ihr Buch in Berlin im Berolina Mitte Vereinslokal, Kleine Hamburger Straße, vor.
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Sie haben das in Kaiserslautern erlebt: zum einen mit Youri Djorkaeff, der als Weltmeister entsprechend verdiente, von dem die Mannschaft aber auch fußballerisch profitiert hat. Zum anderen mit Mario Basler, der vor allem sein Ego ausgelebt hat.
Genau, das ist der feine Unterschied. Beide haben wahrscheinlich ähnlich viel verdient, Youri vielleicht sogar noch ein bisschen mehr. Aber er war einfach voll akzeptiert, weil er uns als Mannschaft geholfen hat. Es gab durchaus den einen oder anderen, der sogar öffentlich gesagt hat, er fände es unfair, dass Youri so viel verdient im Vergleich zu den Spielern, die schon länger da sind. Aber diese Denkweise hat sich mir und großen Teilen der Mannschaft echt nicht erschlossen.
Sandro Wagner hat vor einigen Jahren geklagt, dass Fußballer sogar zu wenig verdienten. Denken in der Branche viele so?
Ganz ehrlich: In der jetzigen Zeit verdienen die Fußballer mit Sicherheit nicht zu wenig. Wenn du es wirklich schaffst, Profi zu werden, gehörst du einfach einem sehr elitären Kreis an. Aber das ist nicht nur im Fußball so, das ist überall so. Wenn du in deiner Branche zu den Besten gehörst, in Deutschland oder sogar auf der ganzen Welt, verdienst du automatisch viel Geld, egal in welchem Job.
Sind Fußballer geizig?
Das glaube ich nicht, auch wenn es für Fußballer immer ein Riesenthema ist: Wie kann ich Steuern sparen? Aber das ist es eigentlich für alle, die viel verdienen. Deswegen werden gerade bei dieser Frage so viele Fehler gemacht. Aber in der Regel frönen Fußballer schon einem exklusiven Lebensstil. Man muss sich einfach mal in ihre Lage versetzen: Sagen wir, ich verdiene 100 000 Euro netto im Monat. Und ich weiß, nächsten Monat kommen wieder 100 000 netto rein. Davon kann ich schon gut und großzügig leben. Dass es irgendwann mal weniger sein wird, vielleicht sogar deutlich weniger, das kapieren viele eben nicht. Eigentlich sollte man es wissen, aber man ist so gefangen in seiner Welt, dass man es nicht rafft.
Gehen Fußballer davon aus, nach ihrer Karriere nicht mehr arbeiten zu müssen, weil sie genug verdient haben?
Die wenigsten denken so. Den meisten ist schon bewusst, dass sie nach ihrer Karriere noch ein ganz schön langes Leben vor sich haben. Gar nichts mehr zu tun ist keine Option. Es geht darum, das nötige finanzielle Polster zu haben, um sich in Ruhe neu zu orientieren. Damit du nach deinem letzten Monatsgehalt als Fußballer nicht vor der Frage stehst: Mist, was mache ich denn jetzt? Das Geld reicht nur noch ein halbes Jahr.
2004 hat eine Studie ergeben, dass ein Viertel der Spieler am Ende ihrer Karriere mehr Schulden als Vermögenswerte hatte. Seitdem sind die Gehälter derart in die Höhe geschossen, dass viele glauben, heute könne den Fußballern das nicht mehr passieren. Aber es passiert weiterhin.
Das ist definitiv so. Dadurch, dass du heute als Fußballer deutlich mehr Geld verdienst, kannst du dir einen oder zwei finanzielle Fehler mehr erlauben. Das bringt dich dann nicht um. Viele frühere Fußballprofis werden ja belächelt, wenn sie pleitegehen. Aber diese Häme ist oft nicht angebracht. Die wenigsten Fußballer verprassen ihr Geld.
Wo liegt das Problem?
Du musst dich irgendjemandem anvertrauen. Entweder du hast Glück, und dieser Jemand meint es gut mit dir. Oder du hast Pech und gerätst an einen windigen Vogel. Das Geschäft wimmelt von Abzockern, die dir die vermeintlich perfekte Lösung für dein Problem präsentieren. Wenn du da in großem Stil investierst, kann es passieren, dass auf einmal siebenstellige Beträge einfach weg sind. Das geht ganz, ganz schnell. Und diese Verluste holst du auch nicht mehr rein.
Sie haben das selbst erlebt, weil Sie einem Bekannten Ihr Geld anvertraut haben.
Ich bin schwäbisch erzogen worden, echt sparsam. Ich bin auch nicht der Dümmste. Und trotzdem: Wenn es blöd gelaufen wäre, wäre ich ruiniert gewesen, obwohl ich in meiner gesamten Karriere rund zehn Millionen Mark verdient habe.
Wie konnte Ihnen das passieren?
Weil der Bekannte ein wahnsinnig guter Verkäufer war, der dir perfekt erklärt hat, wieso es bei einem bestimmten Investment überhaupt kein Risiko gibt, sondern nur Gewinner. Mir war immer wieder eingebläut worden: Denk an später! Und das, was mein Bekannter mir aufgezeigt hat, wäre die Lösung gewesen. Für mich war er ein kleiner Problemlöser, deswegen bin ich auf ihn reingefallen.
„Wenn du im Inner Circle bist, ist es relativ einfach, die Jungs zu belabern“
Erkennen Sie ein Muster, nach dem solche Fälle immer wieder ablaufen?
Im Prinzip schon, ja. In den meisten Fällen hat sich jemand das Vertrauen eines Spielers erschlichen. Das ist ein langsamer Prozess. Du siehst zum Beispiel, dass dein Mannschaftskollege mit ihm redet, und denkst: Dann kann das ja eigentlich kein so verkehrter Typ sein. Der Inner Circle im Fußball ist eigentlich extrem abgeschottet. Aber wenn du da einmal drin bist und Vertrauen genießt, ist es relativ einfach, die Jungs zu belabern.
Nach Ihrer Karriere sind Sie in die Versicherungsagentur Ihres Onkels eingestiegen, Sie beraten allerdings auch Fußballer in Vermögensfragen. Wie kommt der Kontakt zustande?
Über bestimmte Spielerberater, aber auch über die Vereine, für die ich früher gespielt habe und die wissen, dass ich keine wahnsinnigen Sachen mache.
Was erwarten die Spieler von Ihnen: Sicherheit für die Zeit nach ihrer Karriere? Oder eine möglichst hohe Rendite in möglichst kurzer Zeit?
Für die jungen Spieler macht es ja keinen Sinn, wenn sich das Geld auf dem Girokonto stapelt und stapelt. Ich versuche, ihnen klarzumachen, dass sie von ihrem Gehalt einen gewissen Prozentsatz wegpacken, quasi wie bei der Rentenversicherung, und damit einen langfristigen, kontinuierlichen Vermögensaufbau betreiben. Die wahnsinnige Rendite steht nicht im Vordergrund. Du musst als Fußballer ja auch damit rechnen, dass deine Karriere von einem auf den anderen Tag zu Ende ist. Deshalb sollte dein Geld täglich verfügbar sein. Bei Spielern, die schon viel Geld auf der Seite haben, liegt der Fokus eher auf der Zeit nach dem Karriereende und dem Plan für den Übergang. Risikorendite haben wir bei uns nur als Beimischung im Portfolio, maximal zu zehn Prozent. Der Rest ist wirklich konservativ.
In Ihrer Autobiografie schreiben Sie, dass Sie bei vielen Spielern und Beratern unten durch seien, wenn Sie eine solide Anlagestrategie vorschlagen.
Das ist so, ja. Aber dazu muss man wissen: Wenn du mehr Risiko eingehst, bekommst du auch höhere Provisionen. Und es gibt Spielerberater, die selbst bei diesem Thema noch mitverdienen wollen. Je höher die Provision, desto besser für sie. Ich habe durchaus erlebt, dass man mir Produkte über den Tisch geschoben hat mit der Bemerkung, das wäre doch viel besser, weil die Rendite viel höher sei. Und die Provision war dann auch schon mit gelbem Textmarker angestrichen. Aber da spiele ich nicht mit. Ich muss nicht jedes Geschäft machen. Es ist mein Name, der verbrannt wird. Das kann ich mir nicht leisten.
Der Artikel erscheint im Rahmen einer Kooperation mit dem Tagesspiegel.
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