Am 14. Januar dürfte vielen Fuß­ball­fans die Kinn­lade run­ter­ge­fallen sein. Weniger aus Erstaunen, eher aus Ungläu­big­keit: An jenem Tag ver­kün­dete die UEFA, dass Fans, die Tickets für die EM 2020 gekauft haben, nur ein Zeit­fenster von zwölf Tagen haben würden, um sich online für ein Ver­fahren zur Erstat­tung von Tickets regis­trieren zu können. Mög­lich ist das noch bis Dienstag, den 26. Januar um 14 Uhr mit­tel­eu­ro­päi­scher Zeit. Wer diese Frist ver­säumt, hat keine Mög­lich­keiten mehr, sein Geld zurück zu bekommen – selbst in Fällen von höherer Gewalt“. Ledig­lich bei einer Tur­nier­ab­sage, der Ent­schei­dung für Geis­ter­spiele oder der Ver­le­gung eines Spiels in ein klei­neres Sta­dion und damit ver­bun­dener gerin­gerer Kapa­zi­täten bekämen auch Fans ohne frist­ge­rechte Regis­trie­rung ihr Geld zurück.

Für Tabea Rößner, Bun­des­tags­ab­ge­ord­nete von Bündnis90/​Die Grünen, ist der von der UEFA gege­bene Zeit­raum von nur zwölf Tagen viel zu kurz. Dieser reiche bei Weitem nicht“ aus, um sämt­liche Fak­toren in den Ent­schei­dungs­pro­zess mit­ein­be­ziehen zu können oder Rat bei Expert:innen ein­zu­holen.“ Einige Fans haben bereits Pro­test gegen die neuen Regu­la­rien ein­ge­legt. In der Folge ruderte der Ver­band zumin­dest bei einem beson­ders umstrit­tenen Punkt zurück. Zunächst hatte die UEFA näm­lich die Rege­lung vor­ge­geben, dass Ticketinhaber:innen, die sich nicht recht­zeitig regis­trieren, das Recht auf Erstat­tung ver­lieren, wenn sich der Spielort ver­än­dert und sie daher nicht mehr das Spiel besu­chen wollen oder können. Dies änderte der Ver­band nun dahin­ge­hend, dass Fans auch ohne Regis­trie­rung ihr Geld über den 26. Januar hinweg zurück­be­kommen, sollte der neue Aus­tra­gungsort mehr als 50 Kilo­meter ent­fernt vom ursprüng­li­chen liegen. Doch auch diesen Mini­mal­kom­pro­miss gegen­über Fans hält Rößner für frag­würdig, da ein neuer Spielort nicht dem ver­ein­barten Ort der Leis­tungs­er­brin­gung ent­spricht, auch wenn er nur bis zu 50 Kilo­meter ent­fernt liegt.“ 

Das Chaos ist jetzt per­fekt“

Tabea Rößner

Beson­ders kri­tisch sieht die Ver­brau­cher­schutz-Poli­ti­kerin aber die unzu­rei­chende Kom­mu­ni­ka­tion sowie die feh­lende Abstim­mung mit Fan­ver­ei­ni­gungen sei­tens der UEFA: Jetzt rudert man an man­chen Punkten, die offen­sicht­lich nicht voll­ständig durch­dacht waren, zurück und stiftet wei­tere Unsi­cher­heit und Ver­wir­rung.“ Rößner sieht hier einen großen Schaden in der Pla­nung: Das Chaos ist dadurch jetzt per­fekt und viel­leicht werden noch wei­tere Anpas­sungen kommen, wenn die Empö­rung nicht abebbt“. Beson­ders bri­sant: Erst Anfang März berät die UEFA, ob und wie genau das Tur­nier statt­finden soll, ob Fans in Sta­dien dürfen und, wenn ja, in welche Sta­dien in wel­chem Land genau. Trotzdem müssen die Fans sich jetzt schon eine mög­liche Ticket­er­stat­tung regis­trieren. Auch daher for­dert Rößner die UEFA auf, nach­zu­bes­sern und vor allem die Frist­set­zung bis min­des­tens März zu ver­län­gern.

Pan­demie und pan­eu­ro­pä­isch – passt das zusammen?

Ob eine etwaige Ent­schei­dung sei­tens der UEFA im März einen Sta­di­on­be­such für Fans dann wirk­lich planbar machen wird, bleibt ange­sichts der wenig abseh­baren Ent­wick­lungen in der Corona-Pan­demie abzu­warten: Über das pan­eu­ro­päi­sche Tur­nier, das eigent­lich in zwölf Städten statt­finden soll, wird viel dis­ku­tiert, einige Seiten zwei­feln die Umsetz­bar­keit stark an: Die EM 2020 – die Jah­res­zahl verrät es schon – wurde ohnehin bereits einmal ver­schoben, unklar bleibt, ob die Pan­demie bis Sommer hin­rei­chend ein­ge­dämmt ist, damit das Tur­nier so von­statten gehen kann. Pan­demie und pan­eu­ro­pä­isch – passt das zusammen?

Tabea Rößner sieht in dem Vor­gehen meh­rere gewal­tige Pro­bleme für die Plan­bar­keit eines Sta­di­on­be­su­ches: So könnten Fans im Januar noch gar nicht beur­teilen geschweige denn wissen, wie es im Sommer aus­sehen werde, da der wei­tere Ver­lauf der Corona-Pan­demie völlig unklar sei. Den­noch müssten die Ticketinhaber:innen allein das Risiko tragen, die zum Zeit­punkt des EM-Spiels gel­tenden Corona-Bestim­mungen zur Ein­reise ein­halten zu können. 

Auch der DFB ist in der Pflicht

Auch das Sze­nario bei einer mög­li­chen Erkran­kung sieht Rößner schlecht gelöst: Im Fall einer Erkran­kung der/​des Ticketinhaber:in an bei­spiels­weise Covid-19 kann das Ticket ledig­lich auf einen Freund, eine Freundin oder auf ein Fami­li­en­mit­glied über­tragen werden. Einige Fans werden im Zweifel nicht so schnell alter­na­tive Per­sonen finden, wenn der in Frage kom­mende Per­so­nen­kreis so eng umgrenzt ist“, so die Bun­des­tags­ab­ge­ord­nete. Für Rößner gehen derlei Rege­lungen vor allem zu Lasten der Fans: Anstatt auch für dieses Sze­nario eine Rück­gabe zu ermög­li­chen, werden Fans ange­halten, selbst im Krank­heits­fall schnell einen Ersatz-Abnehmer zu finden. Beson­ders bedenk­lich findet sie, dass die UEFA, wohl­ge­merkt ein gemein­nüt­ziger Verein, finan­zi­elle Pla­nungs­si­cher­heit über öffent­li­ches Inter­esse zu stellen scheint: Mit der frühen Frist zur Ticket­er­stat­tung wird man nur der UEFA gerecht, die sich selbst Pla­nungs­si­cher­heit ver­schafft und die finan­zi­ellen Risiken fast kom­plett auf die Ticketinhaber:innen abwälzt.“ Was die UEFA hierbei kon­se­quent aus­blendet: Die Fans konnten beim Ticket-Kauf – in den meisten Fällen fand dieser im Jahr 2019 statt – noch nichts von einer Pan­demie wissen.

Dass der Miss­stand bei der Ticket-Erstat­tung auf öffent­li­ches Inter­esse stößt, findet Rößner richtig und wichtig: Das Ein­lenken im Fall der Ver­le­gung des Spiel­orts zeigt, dass Empö­rung und nega­tive Bericht­erstat­tung in den Medien etwas bewirken können.“ Auch ihre Bundestagskolleg:innen planen das Thema poli­tisch auf­zu­greifen: Meine Frak­tion plant eine Kleine Anfrage mit Fragen zu diesem Sach­ver­halt, mög­li­cher­weise bringt uns das auch weiter“. Röß­ner­sieht im Übrigen auch den DFB in der Ver­ant­wor­tung für seine Fans: In ihren Augen sollte der Ver­band zumin­dest ver­su­chen, auf bes­sere Bedin­gungen für die Fans hin­zu­wirken“.