Partizan gegen Roter Stern Belgrad: Das größte Spiel Südosteuropas. Doch es wird von Hass und Gewalt überschattet. Wo fing das an? Und wie geht es weiter?
Ein großes Derby sprengt den Rahmen eines gewöhnlichen Fußballspiels. Es kann ein ganzes Volk in Atem halten und sogar Landesgrenzen überwinden. Im Oktober 2010 spielte Serbien in der EM-Qualifikation in Genua. Die Partie dauerte nur sechs Minuten: Italien wurde später der Sieg zugesprochen, Serbien bekam die Schuld am Abbruch, 120 000 Euro Strafe und ein Geisterspiel. Der serbische Kapitän Dejan Stankovic hatte Tränen in den Augen. Präsident Tadic entschuldigte sich anschließend persönlich bei seinem Amtskollegen Berlusconi. Europa zeigte – mal wieder – mit dem langen Zeigefinger auf den Balkan, denn dort lag der Casus Belli: in der Fehde zwischen Roter Stern und Partizan Belgrad.
Hooligans von Roter Stern hatten die Innenstadt von Genua verwüstet und 16 Menschen verletzt. Ikonografisch für diesen Tag wurde folgende Szene: Im Stadio Communale Luigi Ferraris zerschneidet ein maskierter Muskelprotz mit einer Blechschere das Sicherheitsnetz, wirft bengalische Fackeln, zeigt den Hitlergruß. „Ivan der Schreckliche“ wurde Ivan Bogdanov von italienischen Zeitungen getauft. Er selbst sagte später vor Gericht: „Hitlergruß? Daran kann ich mich nicht erinnern. Ich bin Nationalist. Ich liebe mein Vaterland, Roter Stern und Gott.“
Die Hooligans handeln auf Anweisung einer Unterweltgröße
Der gottesfürchtige Bogdanov war einer der Männer, die zwischen der Randale in der Stadt und jener im Stadion noch Zeit gefunden hatten, beinahe den serbischen Torwart Vladimir Stojkovic zu lynchen, wegen dessen angeblich mangelnder Vereinstreue alles angefangen hatte. Die Randalierer stürmten den Mannschaftsbus, Stojkovic’ Kollegen retteten ihren Schlussmann, der sich danach weigerte aufzulaufen. Als erster Spieler seit 20 Jahren war er zu Partizan gewechselt, obwohl er zuvor für Roter Stern aufgelaufen war. Dieser Fall illustriert die Rivalität der Klubs. Er zeigt aber auch, dass Dinge oft nicht so sind, wie sie scheinen.
Der erzwungene Spielabbruch war kein Akt des Wahnsinns. Die Hooligans handelten auf Anweisung einer Unterweltgröße, die sich bei der Beuteteilung nach dem Transfer von Stojkovic übergangen fühlte, obwohl sie eine Art „Privatvertrag“ als sein „Spielerberater“ besessen haben will. 200 000 Euro habe er sich die Randale kosten lassen, kolportierten serbische Medien. Der nützliche Idiot Bogdanov – Boss einer einflussreichen Fan-Untergruppe von Roter Stern – ist für Hooligans in Belgrad ein Held und war 2014 auch am Abbruch des Spiels Serbien gegen Albanien beteiligt. Stoff für düstere Legenden also, wie das Duell Roter Stern gegen Partizan insgesamt. In Serbien heißt diese Partie „Ewiges Derby“.
Beide Vereine wurden im Abstand von wenigen Monaten gegründet
Diese Bezeichnung ist so programmatisch wie irreführend, denn Roter Stern und Partizan existieren erst seit 1945. Mit der Ausrufung des Zweiten Jugoslawiens wurden beide Vereine im Abstand von wenigen Monaten neu gegründet, Roter Stern unterstand dem Innenministerium, Partizan der Volksarmee. Dass Jugoslawien nicht nur politisch, sondern auch meteorologisch durchaus etwas mit anderen sozialistischen Republiken jener Zeit gemein hatte, merkten die Beteiligten beim ersten Derby 1947, das bei minus 22 Grad stattfand. Roter Stern siegte 4:3.
Es gilt zwar als gesichert, dass Armeeoffiziere Partizan ins Leben riefen, allerdings ist der Geburtsort umstritten. So behaupten nicht nur manche Roter-Stern-Fans, Partizan sei im kroatischen Zagreb gegründet und erst danach ganz militärisch nach Belgrad versetzt worden. Ob das stimmt oder nicht: Den Ruf als gesamtjugoslawischer Verein hat Partizan weg. Roter Stern war dagegen immer schon serbisch und dazu als Partei und Polizei nahestehender Klub nicht nur seinem Namen nach kommunistisch-linientreu.