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Als Ajax zu Ajax wurde, konnte es kaum jemand sehen. Dabei drängten sich die Men­schen am 7. Dezember 1966 nur so in das Olym­pia­sta­dion von Ams­terdam, um das Gast­spiel des FC Liver­pool zu ver­folgen. Heute liest man, dass 55.000 Leute vor Ort waren, doch zeit­ge­nös­si­sche Berichte spre­chen von mehr als 64.000 Fans. Und vor den TV-Geräten hockten zahl­lose wei­tere Zuschauer, denn natür­lich über­trug das Fern­sehen diese Partie im Euro­pa­pokal der Lan­des­meister live. Aber zu sehen gab es eben nicht viel.

Schon den ganzen Tag lag Nebel über der hol­län­di­schen Hafen­stadt, der nach Ein­bruch der Dun­kel­heit immer dichter wurde. Der ita­lie­ni­sche Schieds­richter Antonio Sbar­della wollte das Spiel zunächst absagen, weil er von einem Tor das andere nicht sehen konnte, doch der UEFA-Beob­achter Leo Horn, selbst ein Referee, erin­nerte ihn daran, dass in den Nie­der­landen eine andere Anwei­sung galt: Solange man von der Mit­tel­linie aus beide Tore erkennte konnte, wurde gespielt. Pünkt­lich um 20.15 Uhr pfiff Sbar­della an.

Domp­teur an der Sei­ten­linie

Sieht man sich heute die High­lights dieses his­to­ri­schen Abends an, dann fällt einem zunächst auf, dass der eng­li­sche Fern­seh­kom­men­tator den Namen des gast­ge­benden Ver­eins kon­se­quent Ey-dschäx“ aus­sprach. Einer­seits ist das etwas ver­wun­der­lich, denn der Ams­ter­dam­sche Foot­ball Club war zu jenem Zeit­punkt kein Frisch­ling mehr, son­dern befand sich schon im Ren­ten­alter. Am 18. März 1900 hatten drei junge Männer den Klub im Café Oost-Indië in der Kal­ver­straat aus der Taufe gehoben. Sogar schon zum zweiten Mal, denn bereits einige Jahre zuvor hatten sie mit Gleich­ge­sinnten einen Verein gegründet, der bald eben­falls nach Aias hieß, dem Helden aus der grie­chi­schen Mytho­logie. Beim zweiten Anlauf erwies sich der AFC Ajax aber als sta­biler, und schon in den Drei­ßi­gern war man das beste Team im Land.

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Doch eben dieses Land war das Pro­blem. Obwohl Feye­noord aus Rot­terdam 1963 mal bis ins Halb­fi­nale des Meis­ter­po­kals vor­stoßen konnte, galt der hol­län­di­sche Fuß­ball zum Zeit­punkt des legen­dären Nebel­spiels als bes­ten­falls zweit­klassig. Die Natio­nalelf war in der Qua­li­fi­ka­tion zur EM 1964 an Luxem­burg geschei­tert, und Ajax selbst hatte bei seinem bisher letzten Auf­tritt im Meis­tercup eine selbst für nie­der­län­di­sche Ver­hält­nisse pein­liche Pleite gegen die nor­we­gi­schen Ama­teure aus Fre­d­rik­stad erlitten. Kein Wunder also, dass sich der eng­li­sche Reporter nicht um die kor­rekte Aus­sprache des Namens bemühte – und dass Liver­pools Trainer Bill Shankly den Gegner unter­schätzte. Wie er später in seiner Auto­bio­grafie zugab, war es ihm durchaus recht, dass die Partie trotz des Nebels nicht auf den nächsten Tag ver­schoben wurde, denn am Wochen­ende stand das Spiel bei Man­chester United an. Das war wich­tiger und – so glaubte Shankly – auch schwie­riger als der Kick in Hol­land.

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Aber Ajax war nicht mehr das Ajax, das im August 1960 vier Tore in Fre­d­rik­stad kas­siert hatte. Seit andert­halb Jahren hieß der Trainer Rinus Michels (Bild). Der ehe­ma­lige Turn­lehrer war berüch­tigt als Dis­zi­plin­fa­na­tiker – sein lang­jäh­riger Assis­tent Bobby Haarms sagte mal: Selbst den Co-Trai­nern gegen­über benahm er sich wie ein Domp­teur.“ Doch anders als ver­gleich­bare Trai­nings­platz­des­poten strebte Michels nicht nach Ord­nung und Sicher­heit, son­dern liebte das Offen­siv­spiel. Er ver­passte Ajax zunächst das bra­si­lia­ni­sche 4−2−4, was vor allem des­wegen bra­chiale Wucht ent­fal­tete, weil Michels eine sen­sa­tio­nelle Angriffs­reihe zur Ver­fü­gung stand: Rechts stürmte der erfah­rene Sjaak Swart, der heute Mr. Ajax“ genannt wird, weil er fast 600-mal für den Klub auf­lief. Innen griffen Klaas Nuninga und ein Jung­na­tio­nal­spieler namens Johan Cruyff an. Und auf Links­außen spielte Piet Keizer. Als man den hol­län­di­schen Autor Nico Scheep­maker mal fragte, ob er Cruyff oder Keizer den Vorzug geben würde, kam er mit einem berühmten Satz aus der Nummer raus: Cruyff ist der Beste. Keizer ist der Bes­sere.“