Erneut steht River Plate heute im Endspiel der Copa Libertadores. Die Finalspiele gegen Boca im vergangenen Jahr sollten ein Fest werden. Als alles vorbei war, fühlte es sich an wie das Ende des argentinischen Fußballs.
Am Vortag wird die Polizei aktiv. Es gibt Hausdurchsuchungen und Festnahmen unter den Anführern der „Borrachos del Tablon“, der führenden Fangruppe von River. Sieben Millionen Pesos (etwa 165 000 Euro) werden beschlagnahmt, dazu 500 Eintrittskarten und eine Liste mit 50 Namen von Personen, die bereits 1750 US-Dollar pro Ticket bezahlt haben. Die organisierten Fangruppen in Argentinien – die Barras oder Barra Bravas – sind für gewöhnlich in das korrupte Fußballsystem des Landes verstrickt und eng vernetzt mit Sicherheitsorganen sowie mit Funktionären, die sich eine gute Atmosphäre, Mitgliederstimmen oder Einschüchterungen des Gegners erhoffen. Für viele ist das ein Geschäftsmodell geworden. Als Profi-Fan kann man in Argentinien Dollar-Millionär werden.
Da im Land schon seit Jahren keine Gästefans mehr ins Stadion dürfen, besteht am Spieltag im Grunde die einzige Aufgabe der Polizei darin, den Mannschaftsbus von Boca sicher zum Stadion zu bringen. Dort sind schon mehr als einhundert Superclasicos ausgetragen worden – doch die Route, die der Bus am 24. November nimmt, ist völlig neu. Sie führt am Eingang zu einer Stehplatzkurve des Stadions vorbei, und zwar während des Einlasses, als Hunderte vor den Toren stehen. Zu allem Überfluss ist die Route zuvor über Soziale Netzwerke bekannt geworden.
Flaschen, Steine, Tränengas
Es passiert, was passieren muss, nachdem das Spiel über Wochen hinweg zum „Dritten Weltkrieg“ (La Nación) erklärt wurde: Um 15 Uhr bewerfen einige Fans den Bus mit Flaschen und Steinen. Scheiben gehen zu Bruch. Polizisten auf Motorrädern, die den Bus begleiten, feuern Tränengas in die Menge – direkt vor dem Einzug der Klimaanlage des Busses. Den Spielern brennen die Augen, Boca-Kapitän Pablo Perez ist am Kopf von einem Gegenstand getroffen worden. Im Stadion spricht sich der Angriff schnell herum, obwohl kaum jemand Handyempfang hat, alle Netze sind zusammengebrochen. Nur ab und zu geht ein Anruf oder eine SMS durch, so versorgen die Leute draußen die Fans im Stadion mit Informationen, denn erst um 17.02 Uhr, also zwei Minuten nach dem geplanten Anstoß, kommt die erste Durchsage, dass der Beginn des Spiels verschoben wird, auf 18 Uhr.
Dass ein Mannschaftsbus beworfen wird, ist in diesem Land keine Seltenheit, deswegen nehmen die Fans im Stadion die Nachricht gelassen zur Kenntnis. Doch um 17.45 Uhr meldet sich der Sprecher erneut: Anstoß um 19.15 Uhr. Trotzdem ist die Stimmung im Stadion grandios – wenn ein argentinisches Publikum minutenlange Gesänge anstimmt, ist Gänsehaut garantiert.