Erneut steht River Plate heute im Endspiel der Copa Libertadores. Die Finalspiele gegen Boca im vergangenen Jahr sollten ein Fest werden. Als alles vorbei war, fühlte es sich an wie das Ende des argentinischen Fußballs.
Dieser Artikel erschien erstmals in 11FREUNDE #206 im Dezember 2018. Das Heft ist hier bei uns im Shop erhältlich.
Buenos Aires, 24. November, 15 Uhr Ortszeit. Noch zwei Stunden bis zum Superfinal, von dem ganz Argentinien seit Wochen redet: das Rückspiel um die Copa Libertadores zwischen River Plate und den Boca Juniors. Nicht bloß ein Finale, sondern ein Superfinale. Die beiden größten Vereine Südamerikas spielen um die wichtigste Trophäe des Kontinents. Der Rekordmeister des Landes gegen den beliebtesten Verein, die Millonarios gegen die Bosteros, die Pferdekotsammler. Mehr Fußballwahnsinn geht nicht.
In Nunez und Belgrano, den Vierteln rund um das Estadio Monumental, ist die Hölle los. Alles trägt Rot-Weiß, die Farben von River Plate. Siegessichere Menschen singen, tanzen, grillen, rauchen, trinken Bier. Vor dem Stadion herrscht eine Atmosphäre wie bei einem Volksfest, während drinnen schon jetzt kein Platz mehr frei ist. Doch die allermeisten der fast 70 000 Glücklichen, die ein Ticket haben, werden das große Spiel nicht aus der Nähe erleben. Es findet nämlich erst mehr als zwei Wochen später statt, 10 000 Kilometer entfernt und auf einem anderen Erdteil.
Wie konnte es dazu kommen?
Um das einigermaßen erklären zu können, ist zunächst ein Blick in die Geschichte nötig. Die Boca Juniors und River Plate wurden beide Anfang des 20. Jahrhunderts im Stadtteil La Boca gegründet. River war schnell erfolgreich, verließ den ärmeren Süden der Stadt und ging in den reicheren Norden. Transfersummen wurden in Gold bezahlt, der Spitzname Millonarios war geboren. Das Klischee sagt bis heute: River ist der Klub der Reichen, Boca das Team der Armen. Natürlich sind die Dinge nicht so einfach, allerdings ist die Stimmung im Umfeld der Bombonera in La Boca schon erdiger als bei River.
Die Größten gegen die Mehrheit
Boca war in den letzten zwei Jahrzehnten sehr erfolgreich, dennoch hinkt man bei den Meisterschaften hinterher: River kommt auf 35, Boca nur auf 27. Deswegen gibt sich River auch ganz selbstbewusst das Motto El mas Grande, lejos: der Größte, weit entfernt. Bei Boca nennt man sich dafür La Mitad mas uno – die Hälfte und noch einer. Man möchte damit ausdrücken, dass die Mehrheit der Argentinier zu Boca hält. Zwar gibt es im Land fünf große Vereine (neben den beiden Rivalen noch Racing, San Lorenzo und Independiente), doch Boca und River Plate haben überall Fans. Und noch einen Namen gab sich Boca. Racing und San Lorenzo stiegen schon in den Achtzigern mal ab; River Plate passierte das 2011; 2013 musste Independiente, der Rekordgewinner der Copa Libertadores, den Gang ins Unterhaus antreten. Nur Boca war immer erste Klasse. Seitdem nennt sich der Klub: El Unico Grande. Denn ein wirklich großer Verein steigt selbstverständlich nie ab.