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Solch ein Spiel hat es lange nicht gegeben“ ist eine Floskel, die im Fuß­ball fast immer eine Über­trei­bung dar­stellt. Nicht so bei der Partie zwi­schen Bayer Lever­kusen und Ein­tracht Frank­furt. Wer erst zur zweiten Halb­zeit ein­ge­schaltet hat, dürfte seinen Augen kaum getraut haben. 6:1 führte Bayer zu diesem Zeit­punkt bereits. Sechs Tore in einer Halb­zeit? Solch ein Spiel hat es zuletzt im April 1978 gegeben. Damals fer­tigte die Borussia aus Mön­chen­glad­bach die Borussia aus Dort­mund ab. 

Die 12:0‑Schmach aus dem Jahre 1978 blieb der Ein­tracht zwar erspart. Nicht aber die boh­renden Fragen nach der Partie. Ver­spielt das Team von Adi Hütter auf den letzten Metern die Cham­pions League? Und was bedeutet die Nie­der­lage für das Europa-League-Halb­final-Rück­spiel am kom­menden Don­nerstag? Fünf Thesen zur Partie Lever­kusen gegen Ein­tracht. 

1. Ein­tracht Frank­furt ist über das Limit gegangen in dieser Saison
Das Offen­sicht­liche zuerst: Die Ein­tracht ist kör­per­lich wie mental am Ende. Das deu­tete sich bereits in den ver­gan­genen Liga-Spielen an. Gegen Lever­kusen führte sich der Trend fort. Die Ein­tracht kann ihre Stärken nicht mehr aus­spielen: Über weite Teile der Rück­runde ver­einten sie hohe Geschwin­dig­keit und Dynamik mit Zwei­kampf­härte und Wucht. Beide Facetten fehlen dem Frank­furter Spiel mitt­ler­weile fast voll­ständig.

Das führt dazu, dass die Frank­furter wesent­lich sel­tener in die Situa­tionen gelangen, die sie beherr­schen. Vorne fehlt die Dynamik, um Druck im Pres­sing zu kre­ieren. Nach Bal­ler­obe­rungen können sie den Ball wie­derum nicht lange genug halten, als dass das (mitt­ler­weile weniger dyna­misch nach­rü­ckende) Mit­tel­feld nach vorne stoßen kann. Die Ein­tracht ist gezwungen, öfter passiv zu ver­schieben statt aktiv drauf­zu­gehen – und das liegt ihnen nicht.

2. Der Ein­tracht man­gelt es an Tiefe im Kader
Trotz der dop­pelten Belas­tung aus Liga und Euro­pa­pokal ver­traut Hütter meist auf sein Stamm­per­sonal. Der 35-Jäh­rige Makoto Hasebe kommt auf 40 Pflicht­spiele in dieser Saison, Danny da Costa stand gegen Frank­furt gar zum 46. Mal auf dem Rasen. 

Die kra­chende Nie­der­lage gegen Lever­kusen lie­ferte einen Anhalts­punkt, warum Hütter so selten tauscht: Auf vielen Posi­tionen hat er kaum eine Wahl. So kamen da Costa und Filip Kostic zwar erneut zum Ein­satz, liefen aller­dings als Außen­stürmer auf. Die vakanten Außen­ver­tei­diger-Posi­tionen beklei­deten Almamy Toure und Evan Ndicka. Beide waren völlig über­for­dert. Lever­kusen über­lief Frank­furt wieder und wieder über die Flügel.

Vorne fehlt indes merk­lich die Prä­senz des aktuell ver­letzten Sebas­tien Haller. Der bul­lige Stürmer soll lange Zuspiele halten und wei­ter­geben. Weder der gegen Lever­kusen nicht auf­ge­stellte Gon­calo Paci­enca noch Ante Rebic beherr­schen diese für das Ein­tracht-Spiel so wich­tige Eigen­heit. Wenn Frank­furt nicht mit der besten Elf spielen kann, sind sie gleich eine Klasse schwä­cher.

3. Hüt­ters Sys­tem­um­stel­lung ging nicht auf
Hütter stellte gegen Lever­kusen nicht nur per­so­nell, son­dern auch tak­tisch um. Dadurch dass Kostic und da Costa eine Reihe weiter vorne spielten, agierte Frank­furt mit vier und nicht wie gewohnt mit drei Mit­tel­feld­spie­lern. Die 5 – 4‑1-For­ma­tion sollte mehr defen­sive Sta­bi­lität bieten.

Das Gegen­teil geschah. Frank­furt erhielt in der viel zu pas­siven For­ma­tion kei­nerlei Zugriff auf den Lever­ku­sener Spiel­aufbau. Die Lever­ku­sener Drei­er­kette konnte den Ball laufen lassen, auch Links­außen Julian Brandt unter­stützte sie. Sobald Lever­kusen Tempo auf­nahm, kam Frank­furt nicht hin­terher. Die Abläufe im neuen System funk­tio­nierten nicht. Als Hütter nach einer Halb­zeit zurück auf das ange­stammte 3 – 4‑1 – 2‑System stellte, war der Schaden bereits ange­richtet.

4Bayer Lever­kusen war der fal­sche Gegner zur noch fal­scheren Zeit
Gegen so man­chen Bun­des­li­gisten hätte sich Frank­furt trotz Müdig­keit, nicht ein­ge­spielter Startelf und fal­scher Taktik durch­mo­geln können. Nicht aber gegen Bayer Lever­kusen. Nachdem sie Mitte der Rück­runde drei Spiele am Stück ver­loren, zeigte ihre Leis­tungs­kurve zuletzt nach oben. Die Spieler fühlen sich im Ball­be­sitz-ori­en­tierten System von Peter Bosz von Spiel zu Spiel wohler.

Mit der Umstel­lung auf eine Drei­er­kette ver­bes­serte der Nie­der­länder das Ball­be­sitz-Spiel seines Teams noch ein Stück. Charles Aran­guiz und Julian Baum­gart­linger sind nun im Zen­trum ideal ein­ge­bunden, wäh­rend sich Julian Brandt als Frei­geist auf links aus­toben darf. 

Lever­kusen lässt den Ball geschmeidig laufen wie kein zweites Bun­des­liga-Team, gegen Frank­furt hatten sie über 80% Ball­be­sitz. Und wie bereits beschrieben: Das klas­si­sche Ver­schieben gegen einen domi­nanten Gegner ist nicht gerade Frank­furts Stärke. Lever­kusen nutzte dies eis­kalt aus.

5Es braucht die letzten Reserven gegen Chelsea
Ein Zyniker würde ver­muten, dass die Frank­furter Spieler zwar mit dem Körper, aber nicht mit dem Geist nach Lever­kusen gereist waren. Ihre Auf­merk­sam­keit dürfte sich schon in London befinden. Im Hin­spiel hatte die Ein­tracht mit ihrer tiefen Ver­tei­di­gung Glück, dass Chelsea große Chancen liegen ließ. 

Haben die Körper der Ein­tracht-Spieler noch irgend­welche Reserven? Falls ja, werden sie diese am Don­nerstag abrufen müssen. Dass sie mit Mau­er­fuß­ball gegen Chelsea nicht weit kommen werden, bewiesen die ver­gan­genen Par­tien. Sie werden wieder jenen Ein­tracht-Fuß­ball zeigen müssen, der sie in dieser Saison so weit geführt hat: hohes Pres­sing, dyna­mi­sches Ver­ti­kal­spiel, stän­diges Nach­rü­cken. Ein letztes Mal müssen sie die Reserven abrufen – egal, wo diese her­kommen.