Es war am Freitagnachmittag. Die Deutsche Fußball-Liga hatte sich nach massiver öffentlicher Kritik endlich dazu durchgerungen, den 26. Spieltag der Bundesliga abzusagen, da musste Borussia Dortmunds Geschäftsführer Aki Watzke doch nochmal sticheln: „Das Präsidium der DFL hat eine Entscheidung getroffen, die es zu respektieren gilt – unabhängig davon, dass es sicher auch andere Ansätze gegeben hätte.“
Andere Ansätze? Es bedurfte schon erstaunlicher Chuzpe, um erstens den Eindruck zu erwecken, er habe mit diesen ganzen DFL-Konstrukt eigentlich gar nichts zu tun. Und zweitens so zu tun, als habe tatsächlich noch irgendwelche Alternativen zur kompletten Absage gegeben. Hätte Watzke den Spieltag durchziehen wollen, in Kauf nehmend, dass sich Spieler, Trainer oder Betreuer infizieren? Und hätte er auch achselzuckend akzeptiert, dass sich wieder Fans entlang der Busroute zum Stadion gedrängt hätten?
Nein, das abschließende Watzke-Statement war das passende Finale eines Tages, an dem der deutsche Profifußball wieder einmal kein gutes Bild abgegeben hatte. Bis spät in den Tag hinein hatten die Bundesligisten herumgeeiert, hatten verzweifelt nach einer Lösung gesucht, diesen 26. Spieltag doch noch stattfinden zu lassen, weil mit dessen Abschluss offenbar eine weitere Tranche der TV-Gelder zur Auszahlung gekommen wäre. Erst am späten Nachmittag, als mehrere Verdachtsfälle aus dem Profifußballbetrieb die Illusion zerstört hatten, der Corona-Virus verschone vorerst den Fußball, knickten die Ligavertreter ein.
Vorbei war da lange schon die Chance für die DFL, ihrer gesellschaftlichen Verantwortung gerecht zu werden. Die hätte darin bestanden, früh und klar zu erklären, dass das Wohl der Akteure und der Zuschauer über allem steht und nicht gegen finanziellen Folgeschäden abgewogen wird. Denn das, was passieren würde, war ohne hellseherische Fähigkeiten prognostizierbar. Hätten die Bundesligisten also die Farce des Geisterderbys zwischen Gladbach und Köln zum Anlass genommen, den Spielbetrieb rasch auszusetzen, sie würden heute als gesellschaftliche Institutionen wahrgenommen, die ihrer Verantwortung gerecht geworden ist.
So wird hingegen das erbarmungswürdige Bild von Alexander Wehrle, dem Geschäftsführer des 1. FC Köln, in Erinnerung bleiben, der kurz vor dem großen Meinungsumschwung noch allen Ernstes in fröhlich kariertem Jackett verkündete, es könne gespielt werden, schließlich gebe es noch keinen infizierten Spieler. Was Wehrle wusste, weil er flächendeckend getestet hatte?
Nun ruht also der Ball. Und sollte die Saison tatsächlich am Freitag, den 13. März 2020, ein vorzeitiges Ende finden, werden den 36 Mannschaften der beiden Bundesligen am Ende eine Milliarde Euro im Portemonnaie fehlen. Das ist eine Menge Geld, die Verluste werden die Bundesliga in eine tiefe Krise stürzen. Aus dieser werden sich die Klubs nur befreien, wenn sich die Profiklubs an das erinnern, was in den vergangenen Jahren immer wieder beschworen wurde: die Solidarität der Klubs untereinander.
Es muss rasch ein Solidarfonds gebildet werden, in den vor allem die großen und finanzkräftigen Klubs einzahlen. Bayern, Dortmund, Schalke, Gladbach, Wolfsburg – sie alle müssen jetzt ihren Beitrag dazu leisten, dass auch die kleinen Klubs dieses Desaster überleben. Gleiches gilt für die Spieler. Robert Lewandowski, Manuel Neuer, Marco Reus und all die anderen – sie alle haben über viele Jahre prächtig am Fußball verdient, nun ist die Zeit, etwas davon zurückzugeben.
Am Ende wird der Fußball vielleicht sogar gestärkt aus der Corona-Krise hervorgehen. In allem Elend ist diese Zwangspause nämlich auch eine Chance, sich darauf zu besinnen, was uns am Fußball so begeistert. Das ist kein Theater auf Instagram, keine Kabinenfotos und keine Transferrekorde. Das ist auch nichts von alldem, was den Fußball gerade so aufgeblasen und realitätsfern wirken lässt. Nein, uns begeistert, wenn der Ball rollt. Und das fehlt uns schon jetzt.