Nach Meldungen um die Ausbootung von Mitarbeitern brodelt es auf Schalke. Fans zählen die Vorstände Alexander Jobst und Jochen Schneider an. Auch der Riss auf der Geschäftsstelle erscheint tief.
Am vergangenen Wochenende bot sich dem FC Schalke die große Chance, endlich einmal keine negativen Schlagzeilen zu liefern. Durch die Länderspielpause stand zumindest kein weiteres Sieglos-Spiel der Profis an. Trotzdem war es mit der Ruhe im und um den Verein bereits am Samstag wieder vorbei, als die Bild-Zeitung titelte: „Schalke sortiert 3 Abteilungs-Leiter aus“.
„Die Ängste auf Schalke werden immer größer“, fasste es der Boulevard zusammen und führte aus, dass der Vorstand die Leiter der Abteilungen Sponsoring, Merchandising und Tradition vor die Wahl zwischen einer Degradierung und einer Abfindung gestellt habe.
Unter vielen Mitarbeitern auf Schalke sorgte speziell eine Textpassage über die Gründe für die Ausbootung für Empörung: „Aus Pro-Vorstand-Kreisen heißt es dagegen, einige langjährige Mitarbeiter hätten Loyalitäts-Defizite.“ Ein solcher Vorwurf wiegt auf Schalke so schwer wie anderswo Fahnenflucht in der Armee – und nicht wenige User im Netz nahmen den Satz ungefiltert als Verrat am Verein auf.
„Diese Drei werden gerade so übel in den sozialen Medien beschimpft, dass es einem wirklich weh tut, denn das haben sie nicht verdient“, schreibt das Fanzine „Schalke Unser“ unter der Frage „Wer Schalke liebt, muss Schalke verlassen?“
Die Anteilnahme aus der Fanszene war ohnehin ungewöhnlich groß: Der Schalker Supporters-Club stellte in seiner Stellungnahme die lange, aufopferungsvolle Arbeit der Mitarbeiter hervor und kontrastierte sie mit dem Wirken des aktuellen Vorstands. Alle drei Abteilungsleiter arbeiteten über mehrere Jahrzehnte für den Klub, mitunter noch unter dem einstigen Manager Rudi Assauer. „Die Vorstandsetage ist nicht loyal gegenüber dem Verein an sich, sondern allenfalls loyal gegenüber dem Anstellungsvertrag den sie unterzeichnet haben“, schreibt der Supporters-Club.
Pascal „Pepo“ Szewczyk, der Macher des Schalke-Podcasts „Blauer Salon“, verteidigte auf Twitter die fachlichen Qualitäten des Leiters Sponsoring. Dieser sei „so hoch qualifiziert und vernetzt, dass er überall einen Job im Fussball-Business bekommen wird. Aber er wollte für unseren Club arbeiten. Mit ihm hat Schalke 04 einen der wichtigsten Mitarbeiter verloren.“
Der Klub sah sich am Montag zu einem Statement veranlasst, um dem Furor entgegen zu wirken und vor allem seinerseits die Bild-Zeitung zu kritisieren. „Der FC Schalke 04 widerspricht in aller Deutlichkeit einer in wesentlichen Teilen unzutreffenden Berichterstattung“ – ohne dies weiter auszuführen.
Auf 11FREUNDE-Nachfrage konkretisierte der Klub: „Keiner der drei Mitarbeiter – davon zwei in Leiterposition – wurde ‚degradiert’. Ein Mitarbeiter hat einen Aufhebungsvertrag unterzeichnet; die beiden anderen Mitarbeiter sind unverändert als Leiter bzw. Koordinator im Verein tätig.“
Also viel Rauch um wenig? Aus Vereinskreisen ist zu vernehmen, dass der Vorstand die drei Mitarbeiter sehr wohl vor zwei Wochen am gleichen Tag separat zum Gespräch einbestellt und ihnen Aufhebungsverträge angeboten haben soll. Einer nahm an und entschied sich demnach dagegen, unter stark eingeschränkten Zuständigkeiten und Befugnissen weiter für den Klub zu arbeiten.
Was Schalke immerhin über seine Kanäle mitteilte: Der Klub prüfe rechtliche Schritte. Auch diesen Satz erklärt eine Sprecherin auf Nachfrage: „Durch die Berichterstattung der BILD wurden Persönlichkeitsrechte dreier mit Klarnamen und Foto genannter Mitarbeiter verletzt.“
Der große Aufruhr auf Schalke mag Außenstehende verwundern. Doch hinter dem Theater um Personalentscheidungen verbirgt sich mehr: ein schwelender Konflikt zwischen Basis und Vereinsführung um die Ausrichtung und das Auftreten des Klubs.
Die Meldungen vom Wochenende passen zu einer Reihe von Aufregern der vergangenen Monate: Schalke hatte Busfahrern der Jugendabteilung gekündigt und einen „Härtefallantrag“ bei der Ticketrückerstattung formuliert. Zudem lavierte der Klub bei den Eklats des ehemaligen Aufsichtsratschefs Clemens Tönnies rund um die Arbeitsbedingungen in dessen Firma und um seine rassistischen Äußerungen. Schalke versteht sich selbst als Arbeiterverein; Klub und Fanszene engagieren sich seit Jahrzehnten gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit.
Viele Fans und Teile der Belegschaft auf Schalke stellen sich daher die Frage: Setzen die Vorstände Alexander Jobst und Jochen Schneider die Identität des „Kumpel- und Malocherklubs“ aufs Spiel?
Jobst gilt als treibende Kraft hinter den jüngsten Umstrukturierungen. Der Marketingfachmann arbeitet seit 2011 auf Schalke, vorher war er bei der Fifa und bei Real Madrid angestellt. Aus seinen Planspielen, die Profiabteilung auszugliedern, machte Jobst zuletzt immer seltener einen Hehl. Er und sein Kollege Jochen Schneider hatten sich lange hinter den allmächtigen Aufsichtsratsvorsitzenden Clemens Tönnies gestellt.
Nach dessen Rücktritt sehen viele Beobachter Jobst auf dem Weg, sich als den neuen starken Mann im Klub zu positionieren – auch weil Sportvorstand Jochen Schneider gerade genügend Baustellen bei der abstiegsgefährdeten Mannschaft zu erledigen hat und eigentlich nicht ins Rampenlicht drängt.
Jobst denkt betriebswirtschaftlich, doch er arbeitet, anders als bei der Fifa, in einem traditionsbewussten und hochemotionalen Umfeld. In anderen Vereinen würden derartige Personalrochaden wohl geräuschloser vonstatten gehen, doch der Traditionsverein Schalke mit einer lange zusammen gehaltenen „Mitarbeiter-Familie“ reagiert naturgemäß sensibler auf die Umwälzungen. Die Reibung war vorprogrammiert und scheint nun zu kulminieren.
Doch nicht nur aus fachlicher Sicht stößt das Vorgehen des Vorstands auf Kritik, sondern auch aus ökonomischer. Schalke 04 ist finanziell stark angeschlagen und war auf eine Bürgschaft des Landes NRW angewiesen.
Dennoch erscheint fraglich, ob der Verein durch die Personalrochaden viel Geld einspart, wenn Posten neu besetzt und hohe Abfindungen gezahlt werden. Nach der Kündigung von Fahrern der Jugendspieler beauftragte der Klub einen externen Dienstleister.
Der Klub teilte 11FREUNDE nun mit, dass sieben der bisherigen Fahrer von jenem Dienstleister übernommen worden und vier nun in anderen Bereichen im Verein tätig seien. Schalke übernahm nach eigenen Angaben die Kosten für den notwendigen Personenbeförderungsschein und zahlte anderen Fahrern Abfindungen. Insgesamt waren laut WAZ 24 Fahrer zuvor rausgeworfen worden.
Bei den aktuellen Querelen geht es augenscheinlich nicht primär um Einsparungen, sondern um einen anderen Schnitt. Die Funktionäre scheinen bei ihrem neuen Kurs die Parameter Verdienste und Verbundenheit zum Klub hintanzustellen. Ein Kenner der internen Vorgänge beschreibt es so: „Jobst will den Klub entschalkern.“
Auf der Geschäftsstelle gilt Jobst einigen als ehrgeiziger „Hans Dampf in allen Gassen“, der aber selbst sachliche Kritik an seinen Entscheidungen als Illoyalität auffasse. Der Umgang falle so mitunter herrisch und arrogant aus, heißt es, die Entscheidungen würden nicht mehr mit den Abteilungen abgestimmt, sondern nur noch verordnet werden.
Immer wieder wird der Vergleich zu einem anderen „starken Mann“ auf Schalke in der Vergangenheit gezogen, der kompromisslos heuerte und feuerte: Felix Magath. Es gibt aber auch Stimmen, die das über Jahre etablierte Personalgefüge als Hemmnis und Jobst nur als Buhmann für unpopuläre, aber nachvollziehbare Entscheidungen wahrnehmen.
Vorstände sehen sich mit neuen Plänen nicht selten harscher Kritik ausgesetzt – und Jobst selbst hatte im Sommer angekündigt: „Wir werden Einsparungen außerhalb des Kerngeschäfts für die kommende Saison im hohen siebenstelligen Bereich vornehmen.“ Doch im Klub wächst eben nicht nur der Unmut über die Entscheidungen an sich, sondern auch über die Art des Umgangs und über die mangelnde Kommunikation.
Auf Schalke wird derzeit ein Zitat des Vorstands Schneider als Freudscher Versprecher herumgereicht: „Wir müssen empathischer wirken.“ Schneider sagte „wirken“, nicht „sein“.