Neun Spiele, neun Siege, so die bisherige Saisonbilanz des AS Rom. Dass in der ewigen Stadt die ersten Meisterschafts-Träume blühen, liegt am neuen Trainer Rudi Garcia, einer klugen Transferpolitik, und natürlich: Francesco Totti.
Francesco Totti ist inzwischen 37 Jahre alt, und seit über 20 Jahren Profi bei seiner „Roma“. „Il Capitano“, gebürtiger Römer, ist das lebende Denkmal des Vereins, ohne dessen Segen wenig geht. Und so können die Anhänger der „Giallorossi“ froh sein, dass Totti offenbar gefallen an seinem neuen Trainer gefunden hat. Rudi Garcia kam zu Saisonbeginn und sollte für einen Neubeginn sorgen. Wieder einmal.
Denn eine ganz ähnliche Idee hatte man in Rom schon zwei Jahre zuvor. Im Sommer 2011 wechselte Luis Enrique von der zweiten Mannschaft des FC Barcelona an den Tiber. Die Hoffnungen auf einen römischen Tiki-Taka-Klon wurden jedoch schnell enttäuscht. Trotz teurer Neuverpflichtungen blieb der gewünschte Erfolg aus. Die Saison endete auf Platz sieben, Luis Enrique war da längst wieder Geschichte.
Im heutigen Heimspiel gegen Chievo Verona winkt den Römern der zehnte Sieg im zehnten Spiel, gleichbedeutend mit dem alleinigen Startrekord der Serie A. Und so scheint dieses Jahr alles anders. Die Transferbilanz des Sommers liest sich wie ein halber Ausverkauf. Fast 40 Millionen Überschuss konnten erwirtschaftet werden, und trotzdem steht die Mannschaft ohne Punktverlust an der Tabellenspitze, klugen Einkäufen wie Gervinho sei Dank. Der ist für Trainer Rudi Garcia ein alter Bekannter. Schon beim OSC Lille arbeiteten die Beiden erfolgreich zusammen, gewannen 2011 sensationell das französische Double, ehe der Ivorer zum FC Arsenal wechselte. Dort konnte er die in ihn gesetzten Erwartungen indes nie ganz erfüllen. Garcia aber, der als durchaus selbstbewusst gilt, versteht es offenbar seinen Spielern das nötige Selbstverständnis für ihr Spiel zu vermitteln. So blüht der trickreiche Außenstürmer, in London als Chancentod verschrien, unter Garcia wieder auf. So brachte Garcia auch den bereits mehrfach abgeschriebenen Francesco Totti wieder auf Vordermann. Totti läuft nicht mehr sonderlich viel, und ist dazu sichtbar langsamer geworden, gefällt sich aber mehr und mehr in der Rolle des Vorbereiters. Drei Tore und sechs Vorlagen konnte er in den ersten acht Saisonspielen für sich verbuchen, ehe er sich zum Leidwesen der Tifosi verletzte.
In der Abwehr wacht der ablösefrei von Manchester City nach Rom gewechselte Brasilianer Maicon wie zu seinen besten Zeiten über seine Außenbahn, neben ihm räumt der aus Udinese gekommene Mehdi Benatia alles ab, was trotzdem seinen Weg in den Strafraum findet. Vor der Abwehr sorgt zudem der schon lange, und trotz zahlreicher Abwerbeversuche zum Inventar der Römer zählende Daniele de Rossi für Entlastung. Mit Erfolg: Erst ein Gegentor in der laufenden Saison ist Bestwert in Europas Topligen.
Auch offensiv verteilt sich die Last auf mehrere Schultern. Neben Freigeist Totti wirbeln klassische Außenspieler wie Adem Ljajic, vor der Saison aus Florenz gekommen, Alessandro Florenzi oder eben Gervinho. Aus dem offensiven Mittelfeld entwickeln der Bosnier Miralem Pjanic und der Niederländer Kevin Strootman ebenfalls enorme Torgefahr. Strootman steht vielleicht am besten für die Einkaufspolitik der Römer. Vom PSV Eindhoven verpflichtet, murrten die Fans zunächst etwas ob des wenig bekannten Namens, mussten aber inzwischen einsehen, dass ein Puzzlestück nicht immer glanzvoll sein muss, um das große Ganze zu ergänzen. Das gilt auch für Trainer Rudi Garcia. Den empfingen die Tifosi mit gellenden Pfiffen, viel lieber hätten sie einen italienischen Übungsleiter vom Schlage Massimiliano Allegris begrüßt. Inzwischen herrscht rund um das Stadio Olimpico längst zarte Euphorie.
Ein Trainer, der zuvor ausschließlich in Frankreich gearbeitet hatte, viele neue Spieler, und ein alternder Superstar: Ganz unberechtigt war die Skepsis nicht. Andernorts proklamiert man unter solchen Umständen gern eine Übergangssaison und verlangt vorauseilend Verständnis für zu erwartende Anpassungsschwierigkeiten. Und so ist der Erfolg der Roma umso erstaunlicher, da er sich unverzüglich einstellte.
Neben einer klugen Transferpolitik ist es wohl vor allem Rudi Garcias psychologisches Geschick, welches die Mannschaft von Sieg zu Sieg eilen lässt. Die Mannschaft fasste offenbar schnell Vertrauen zum Franzosen, arbeitet diszipliniert die taktischen Vorgaben ab. Wer das für Kaffeesatz-Leserei hält, frage nach bei Francesco Totti: „Ich glaube, wir haben unseren Coach für die Zukunft gefunden.“ „Il Capitano“ wird es wissen, denn ohne seinen Segen geht bekanntlich wenig. Wenn das mal nicht psychologisch geschickt ist.