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Carolin Schraa, Sie spielen in der Bel­etage des deut­schen Frau­en­fuß­balls. Nun trai­nierten Sie jedoch nicht auf dem grünen Rasen in Mün­gers­dorf, son­dern mit Gefäng­nis­in­sas­sinnen der JVA Köln. Wie kam es dazu?
Die Stif­tung des 1. FC Köln hat sich an die Frau­en­ab­tei­lung gewandt und Spie­le­rinnen gesucht, die an diesem Pro­jekt teil­nehmen. Im Jahr 2015 wurde es zum ersten Mal durch­ge­führt und war sehr erfolg­reich.

Sie haben sich also frei­willig gemeldet. Warum dieser Blick über den Tel­ler­rand?
Es ist eine Welt, mit der wir im Alltag nicht in Kon­takt kommen. Ich wollte sehen, wie es tat­säch­lich ist, hinter Git­tern zu sein. Denn sonst kennt man es ja nur aus Serien. Der Gedanke hatte etwas Span­nendes. Die Neu­gier war groß und ich halte das Pro­jekt zur Reso­zia­li­sie­rung für unter­stüt­zens­wert.

Was waren Ihre Erwar­tungen und Gedanken vor dem Besuch?
Ich wollte einen Ein­blick bekommen, wie ein Leben auch ver­laufen kann. Warum sitzen die Mädels im Gefängnis und was sind es für Frauen, denen wir gegen­über­treten? Ich wollte in den Aus­tausch gehen, wollte wissen, wie ich mit ihnen kom­mu­ni­zieren kann und ob Fuß­ball für sie tat­säch­lich eine Chance ist, die helfen kann. Diese Erwar­tungen wurden erfüllt.

Etwas ganz Neues waren sicher­lich auch die Sicher­heits­vor­keh­rungen. Was galt es da zu beachten?
Wir durften keine Wert­sa­chen mit­nehmen. Handy und Geld­beutel mussten draußen bleiben. Das beklem­menste Gefühl war aber, dass jede Tür hinter einem abge­schlossen wird. Irgend­wann waren es zehn zuge­schlos­sene Türen. Da dachte ich mir: Oh Gott, was ist, wenn wir hier nun schnell raus müssten“. Du siehst die hohen Mauern, Wärter laufen herum. Das bleibt im Kopf.

Im Inneren des Gefäng­nisses ange­kommen ging es dann auf den Fuß­ball­platz. Wie lief das Trai­ning genau ab?
Es war ein nor­males Trai­ning mit Pass­übungen und Schuss­trai­ning. Beim Spiel wurden die Mann­schaften durch­ge­mischt. Da wollte jeder gewinnen und es wurde sich nichts geschenkt. Wäh­rend der Trai­nings­ein­heit konnten wir uns schon aus­tau­schen. Danach haben wir im Gemein­schafts­raum im Zel­len­trakt die Mög­lich­keit gehabt, mit den Mädels Kuchen zu essen, den sie selbst geba­cken haben. Sie waren total offen und es wurde gelacht. Das Eis war gebro­chen.

Berüh­rungs­ängste gab es also gar nicht? Die meisten der Frauen sitzen wegen Kör­per­ver­let­zungs­de­likten hinter Git­tern.
Natür­lich wussten wir, dass sie schwe­rere Ver­bre­chen begangen haben. In Deutsch­land kommt man ja nicht wegen einmal Schwarz­fahren ins Gefängnis. Aber die Mädels waren sehr offen und hatten über­haupt keine Pro­bleme, dar­über zu reden, warum sie im Gefängnis sitzen. Es wurde schnell per­sön­lich. Sport ver­bindet und schafft ein Ein­heits­ge­fühl.

Sie spre­chen von einem Ein­heits­ge­fühl. Wollten Sie dieses mit dem Trai­ning auch ver­mit­teln und glauben Sie, Sie können ein Vor­bild für die Frauen zwi­schen 16 und 24 Jahren sein?
Es wurde im Vor­hinein nicht explizit bespro­chen, aber es ist offen­sicht­lich, dass wir mit einer Vor­bild­funk­tion hinein gegangen sind. Es ging um Team­fä­hig­keit, Respekt vor den Mit­spie­le­rinnen, Ver­trauen, gegen­sei­tige Unter­stüt­zung und auch das Ein­halten von Regeln und festen Struk­turen. All das, was in einem Mann­schafts­sport wichtig ist und was auch auf die Lebens­wirk­lich­keit über­tragbar ist. Sonst schafft man es nicht in die 1. Bun­des­liga. Die Insas­sinnen sind sehr fuß­ball­be­geis­tert. Einige haben gesagt, dass sie nach ihrer Strafe in ein Team wollen. Sie haben sogar scherz­haft gefragt, ob sie beim FC anfangen können.

Konnten Sie auch etwas von den Insas­sinnen lernen?
Die jungen Frauen haben in ihrem Leben schon viel erlebt. Teil­weise sitzen sie nicht zum ersten Mal im Gefängnis. Manche Frauen können ja gar nicht viel dafür, da sie in andere Umstände hin­ein­ge­boren wurden als wir. Den­noch haben sie immer noch Mut und wollen einen neuen Angriff nehmen, wenn sie wieder raus sind. Das fand ich impo­nie­rend.

Der Tag hat also Ein­druck hin­ter­lassen. Was nehmen Sie für sich mit?
Es ist ein nach­hal­tiges Erlebnis gewesen, dass auch nach­denk­lich macht. Wir haben die ganze Rück­fahrt im Auto dar­über gespro­chen. Dieses Gefühl nicht in Frei­heit zu sein – das ver­gisst du nicht. Man lernt zu schätzen, was das bedeutet. Wenn es erneut einen Besuch in der JVA geben wird, bin ich defi­nitiv wieder dabei.