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Auf den Ham­burger SV ist ein­fach Ver­lass. Wäh­rend der kom­plette Pro­fi­fuß­ball in ein künst­li­ches Koma ver­setzt scheint, geht am Volks­park das Rän­ke­spiel in der Füh­rungs­etage weiter als hätten die Ver­ant­wort­li­chen von Corona nie etwas gehört. Wäh­rend sich andern­orts Fuß­ball­funk­tio­näre sor­gen­voll Gedanken über die Auf­recht­erhal­tung des Betriebs oder über Kurz­ar­beit machen, ver­fahren die Rot­hosen weiter nach dem jahr­zehn­te­lang erprobten (und so gut wie nie von Erfolg gekrönten) Prinzip, rasant jeden Ent­schei­dungs­träger vor­zeitig zu ent­lassen, der nicht mehr in die aktu­elle Sach­lage passt. Und zemen­tiert einmal mehr öffent­lich­keits­wirksam sein Image vom Jedem-das-Seine, mir-das-Meiste-Klub“.

Pro­mi­nentes Opfer der neu­esten Ent­wick­lungen: Bernd Hoff­mann. Der Vor­stands­chef wurde am Wochen­ende vom Auf­sichtsrat mit sofor­tiger Wir­kung von seinen Auf­gaben ent­bunden. Hoff­manns Ver­trag läuft noch bis 2021, wieder einmal kommt auf den HSV also eine saf­tige Abfin­dungs­zah­lung zu. In Stel­lingen aber war sich die Mehr­heit des Auf­sichts­rates einig, dass die Demis­sion zu diesem Zeit­punkt noch das klei­nere Übel dar­stellt, als mit dem Boss wei­ter­zu­ar­beiten, obwohl der Klub der­zeit nur eine Liqui­dität bis zum Sai­son­ende sicher­stellen kann.

Warum Hoff­mann aus­ge­rechnet jetzt gehen muss, ist schwer zu durch­dringen. Dass der schei­dende Vor­stands­chef ein Alpha­tier ist, das im Zweifel zu Ich­be­zo­gen­heit und Allein­gängen neigt, war schon nach dessen erster Amts­zeit beim HSV zwi­schen 2003 und 2011 am Volks­park bekannt. Auch seine Rück­kehr im Mai 2018 auf den Chef­posten war umstritten. Hoff­mann machte sich eine Sat­zungs­lücke zunutze, um über den Posten als ehren­amt­li­cher Prä­si­dent des Ver­eins an die Spitze der Pro­fi­ab­tei­lung – und damit zu einem üppigen Vor­stands­alär – zurück­zu­kehren. Als Inte­rims­boss setzte er gleich eine erste Duft­marke und ent­ließ im Hand­streich mal eben die dama­ligen Vor­stände Heri­bert Bruch­hagen und Jens Todt.

Als der Dino“ kurz darauf erst­mals aus der Bun­des­liga abstieg, knüpfte er seine Reha­bi­li­tie­rung in der Füh­rungs­etage des HSV an den direkten Wie­der­auf­stieg. Hoff­mann machte keinen Hehl daraus, dass er seit März 2011 darauf gewartet hatte, noch einmal beim HSV ans Ruder zu dürfen. Und den Beweis zu erbringen, dass Men­schen, die ihn raus­schmeißen, per se falsch liegen.

Ent­spre­chend radikal ging er vor, nachdem er im Sep­tember 2018 einen neuen Ver­trag als Vor­stands­chef unter­schrieben hatte. Als es mit dem beliebten Coach Chris­tian Titz im Unter­haus sport­lich nicht auf Anhieb funk­tio­nierte, ersetzte der Vor­stand diesen durch Hannes Wolf. Als neuer Sport­di­rektor ver­pflich­tete Hoff­mann Ralf Becker aus Kiel. Doch sowohl Wolf als auch Becker durften sich nach Sai­son­ende und dem Ver­bleib in der zweiten Liga ihre Papiere wieder abholen – und sitzen der­zeit ihre lau­fenden Ver­träge ab. Wer davon aus­ge­gangen war, dass auch Hoff­mann aus der Misere Kon­se­quenzen für sich ableitet, sah sich indes getäuscht.

Beträcht­liche Defi­zite im Zwi­schen­mensch­li­chen

Warum der Auf­sichtsrat erst jetzt und nicht bereits im ver­gan­genen Sommer han­delte, ist die große Frage. Schon länger war bekannt, dass Hoff­manns Durch­re­gieren für Ver­wer­fungen in der Füh­rung der KGaA sorgte. Finanz­chef Frank Wett­stein, der vor ihm zeit­weise kom­mis­sa­risch den Vor­stands­vor­sitz inne­hatte, war nie als dicker Kumpel des 57-Jäh­rigen bekannt. Der im Sommer ver­pflich­tete Sport­vor­stand Jonas Boldt lehnte es von Beginn an ab, sich vom nass­for­schen Diplom-Kauf­mann ins Hand­werk pfu­schen zu lassen. Was sich dieser aber in bewährter HSV-Tra­di­tion wie­der­keh­rend anzu­maßen ver­suchte. Kurzum: Die Zwi­schen­mensch­lich­keit in der HSV-Füh­rung zei­tigte schon seit Län­gerem beträcht­liche Defi­zite, die sich selbst in Zeiten der Corona-Acht­sam­keit und –Soli­da­rität nicht mehr kitten ließen.

Bei Ein­zel­ge­sprä­chen mit dem Auf­sichtsrat machten Wett­stein und Boldt nun deut­lich, dass sie sich eine wei­tere Zusam­men­ar­beit mit Hoff­mann nicht mehr vor­stellen mochten. Von Kom­pe­tenz­über­schrei­tungen und Allein­gänge war die Rede. Am Ende einer vier­stün­digen Sit­zung wurde dem Vor­stand­boss per Mehr­heits­ent­scheid das Ver­trauen ent­zogen. Der Auf­sichts­rat­vor­sit­zende Max-Arnold Köttgen sowie Thomas Schulz, zwei Unter­stützer Hoff­manns, traten anschlie­ßend direkt zurück. Kött­gens Nach­folger als Vor­sit­zender des nun von sieben auf fünf Per­sonen dezi­mierten Kon­troll­gre­miums wird e.V.-Präsident Mar­cell Jansen, der nach der Sit­zung bekanntgab: Wir können uns in dieser schwersten Kri­sen­zeit des gesamten Pro­fi­fuß­balls keine Ener­gie­ver­luste und belas­teten Ver­trau­ens­ver­hält­nisse leisten. Der volle Fokus muss auf die HSV-Inter­essen gerichtet sein.“

Jansen gilt als Ver­trauter des mon­dänen HSV-Gön­ners Klaus Michael Kühne. Der 34-jäh­rige Ex-Natio­nal­spieler ver­fügt nun über noch mehr Macht in der Lei­tung des Klubs. Viel­leicht gelingt es dem juve­nilen Ex-Kicker mit seiner kon­zi­li­anten Art, dem betagten Mil­li­ardär wei­tere nicht rück­zahl­bare Dar­lehen für dessen kleines Fuß­ball-Hobby aus dem Kreuz zu leiern. Der Klub­kasse hätte es bitter nötig. Denn sollte die lau­fende Saison nicht zu Ende gespielt werden, fehlten dem HSV wei­tere 20 Mil­lionen Euro in der Bilanz. Welche Kon­se­quenzen dies in der ohnehin höchst ange­spannten wirt­schaft­li­chen Lage haben könnte, können auch Fans mit beschränkten Fähig­keiten im Bereich Kleines Ein­mal­eins“ locker berechnen.