So schnell hat sich Arsenal noch nie aus einem Wettbewerb verabschiedet. Wie haben die Fans den Aufstieg und Fall der Super League erlebt? Der Präsident von Arsenal Germany über Fußball auf dem Mond und die Arsenal Globetrotters.
Jens Bellmann, wie fühlen Sie sich?
Erleichtert. Die vergangenen Tage waren wirklich anstrengend und turbulent. Es fühlte sich an, als steckte ich einer Waschtrommel. Und eigentlich hatte ich entschieden: Ich gehe da nicht mehr hin. Nie wieder setze ich einen Fuß in das Stadion. Das war’s!
Am späten Dienstagabend erklärte auch Arsenal seinen Rückzug aus der Super League. In einem Statement heißt es: „Wir wollten an der Super League teilnehmen, um Arsenal zu schützen“. Ist das glaubwürdig?
Einige sagen, es sind die üblichen Plattitüden, aber was sollen sie sagen: Wir wollten mitmachen, weil wir mehr Geld haben wollen? Ich finde das Statement okay. Der Verein hat sich entschuldigt und gesagt, er habe sich vergaloppiert. Außerdem macht mir die Reaktion Mut.
Inwiefern?
Sie zeigt, wie viel Macht die Fans haben. Das Statement des Klubs schließt mit dem Satz „We have heard you!“ Es ist das zweite Mal binnen kurzer Zeit, dass der Vorstand das schreiben muss. Vor ein paar Monaten sollte unser geschätzter Fanbeauftragter entlassen werden. Er hatte schon seine Papiere bekommen. Dann protestierten die Anhänger. Unzählgie Fanklubs schlossen sich zusammen, wir haben alle Kanäle aktiviert, haben es öffentlich gemacht, über Soziale Medien, Tageszeitungen. Dann hat der Verein zurückgerudert und genau diesen Satz geschrieben: „We have heard you!“ Der Fanbeauftrage durfte bleiben.
Der Verein hätte die Fans schon vorher hören können, wenn er sie vorher gefragt hätte.
Aber ich finde es gut, dass bei so einem großen Tanker wie Arsenal überhaupt mal jemand den Fans zuhört – und dass dann so entschieden wird. Es war ein guter Moment für uns Fans. Der Tenor war: Wenn wir zusammenhalten, können wir etwas erreichen.
Gehen wir noch mal zurück an den Anfang der turbulenten Super-League-Tage: Wie haben Sie erfahren, dass Arsenal Teil der Gründungsmitglieder sein sollte?
Die Meldung sickerte Sonntagnachmittag durch, ein paar Nachrichten auf dem Handy, Social Media, dann berichtete die Times. Als ich am Montagmorgen auf dem Weg zur Arbeit war, nahmen die Nachrichten auf dem Handy merklich zu. Aber ich dachte noch, es sei das übliche Getöse, denn die Uefa wollte diese Woche ja die Reformen der Champions League verkünden.
Sie haben an eine Nebelkerze gedacht?
Die großen Klubs haben schon häufiger damit gedroht, etwas Eigenes aufzuziehen. Besonders gern, wenn die Uefa über die Zukunft der Champions League nachdenkt. Normalweise beruhigt der Verband die Klubs dann mit ein paar Zugeständnissen und Versprechungen, am Ende sind alle mehr oder weniger zufrieden. Diesmal sah die Sache aber anders aus, ernster.
Die Vereinigung der deutschen Arsenal-Fans wurde im Oktober 2002 in Bochum gegründet. Jens Bellmann ist ihr Präsident. Er lebt in der Nähe von Hamburg.
Immerhin, Arsenal sollte zu den zwölf besten Klubs Europas gehören.
Bei dieser Liga passt einiges nicht. Das fängt beim Namen an: Super League. Tottenham hat die letzte Meisterschaft vor 60 Jahren gewonnen, den letzten FA Cup vor 30 Jahren. Die beiden Mailänder Klubs haben seit zehn Jahren nichts mehr gerissen. Und Arsenal war zuletzt 2004 Meister, aktuell ist das Team Neunter. Alles andere als super also.
Warum wollte Arsenal überhaupt mitmachen?
Diese Super League wirkt für mich wie so ein Hinterzimmerhirngespinst der hochverschuldeten Vereine aus Italien und Spanien. Ein Schritt wäre es, die laufenden Kosten zu reduzieren. Wenn man zum Beispiel Messis Gehalt halbieren würde, könnte man immer noch halb Venezuela durchfüttern. Aber nein, diese Leute denken sich ein Event aus, bei dem sie oben noch mehr Geld reinstopfen können. Arsenal und die anderen englischen Vereine haben sich dann gedacht: Lieber schnell auf den Zug aufspringen, sonst verpassen wir etwas.
„Auch ich mag Spitzenspiele, aber in Maßen, sonst vergeht der Zauber.“
Real Madrids Präsident Florentino Perez nennt die Super League den „Retter des Fußballs“.
Wahrscheinlich meint er das sogar ernst. Genauso wie die Uefa, das sich auf der anderen Seite als Retter inszenierte. Ein Geldabschöpfungsunternehmen als weißer Ritter. Grotesk. Sogar Boris Johnson kann sich nun aufspielen und sagen, er sei dagegen. Das ist wie ein Abstauber aus zwei Zentimetern.
Perez und andere Super-League-Fürsprecher behaupten, Fans wollten mehr Qualitätsfußball sehen, also Topspiele jede Woche. Sie auch?
So denke ich nicht. Ich gucke mir jedes Arsenal-Spiel an, ein 0:0 in Stoke, einen knappen Sieg gegen Middlesbrough, ein Topspiel gegen Manchester United. Eines meiner tollsten Fußballerfahrungen war ein 3:2‑Auswärtssieg bei Celta Vigo. Schöne Stadt, angenehme Leute, super Atmosphäre. Noch heute schaue ich jedes Wochenende, wie Vigo gespielt hat. In Deutschland stehe ich am Millerntor, egal in welcher Liga St. Pauli spielt. Das alles interessiert mich mehr als Real oder Barca.
Aber Sie mögen erfolgreichen Fußball?
Ich bin in meiner Jugend über einen älteren Freund zum englischen Fußball gekommen. Weil er mir oft von Arsenal erzählte, fing ich irgendwann an, den Montagskicker nach den Ergebnissen der First Division zu durchforsten. Anfang der Achtziger habe ich meine ersten Spiele im Highbury gesehen. In all dieser Zeit war die Mannschaft alles andere als erfolgreich. Klar, ich mag auch Spitzenspiele, aber in Maßen, sonst vergeht der Zauber.