Enrico Valentini bleibt Nürnberger! Was toll ist, denn er ist nicht nur Club-Kapitän, sondern auch leidenschaftlicher Club-Fan – und das seit frühester Kindheit. Der Veteran über eine Busfahrt für die Ewigkeit und freche VIP-Fans auf der Haupttribüne.
Wie lange haben Sie gebraucht, um sich von dem Schock zu erholen?
Der richtige Schlag in die Fresse kam erst ein paar Tage später im Urlaub. Da habe ich realisiert, was da eigentlich passiert ist. Ich war 26 Jahre alt, diese zwei Spiele waren meine Chance auf die Bundesliga. Vielleicht eine einmalige, wahrscheinlich sogar. Außerdem gab es Spieler wie Dominic Peitz, Daniel Gordon und Dirk Orlishausen. Männer, die die 30 überschritten hatten und für die es definitiv die letzte Chance war. Erst bei diesen Gedanken tat es richtig weh.
Drei Jahre später klappte es zumindest für Sie persönlich doch noch mit der Bundesliga. Sogar mit ihrem Verein, dem 1. FC Nürnberg, zu dem Sie 2017 zurückgekehrt waren. Welche Szenen haben Sie im Kopf, wenn Sie an den vergangenen Mai denken?
Wir gewannen in Sandhausen und waren durch. Schon auf dem Weg nach Nürnberg haben wir ordentlich die Sau raus gelassen. Zwischendurch war das Bier im Bus alle und wir mussten anhalten, um Nachschub zu holen. Auf der Raststätte trafen wir auf Fans, also feierten wir zunächst dort noch eine Weile. Als wir weiter fuhren, waren gefühlt auf jeder Brücke jubelnde Menschen oder Club-Banner. Als wir dann in der Stadt ankamen, zeigten wir uns den wartenden Fans nicht sofort. Wir betraten die Kabine durch den Hintereingang, die Fans hatten keine Ahnung, wann wir herauskommen würden. Und dieses Wissen, wir rennen da gleich raus und ballern los, die Vorfreude, dass wir uns gleich zeigen und sie dann ihre Bengalos zünden würden, das Kribbeln, das war überwältigend.
Durchs Internet geisterte eine Szene, in der die ganze Mannschaft im Chor einen Juve-Song brüllt, in fast akzentfreiem Italienisch. Sie müssen ein guter Lehrer sein.
Nein, nein, das ist überhaupt nicht mein Verdienst. Die Sache mit „Storia di un grande amore“, das war die Idee von unserem Kapitän Hanno Behrens und von Tim Leibold.
Das müssen Sie uns näher erklären.
Am zweiten oder dritten Tag der Saison stand ich nach dem Training unter der Dusche. Plötzlich hörte ich aus der Kabine das Lied über die Lautsprecher. Ich bin dann nackt in die Kabine gestürmt und habe nachgeschaut, wer dafür verantwortlich ist. Hanno und Tim warteten schon auf mich. Ich meinte nur: „Hä?“ Hanno antwortete: „Das ist so geil, das Lied.“ Ab diesem Moment hat dieser Song das Team durch die Saison begleitet.
In der Sie nur ein einziges Spiel verpassten – allerdings ausgerechnet das Derby zu Hause gegen Fürth. Wo haben Sie das Spiel gesehen?
Ich stand in der Kurve. Ich konnte zwar nicht richtig anfeuern, weil ich zu stark auf das Spiel geachtet habe. Aber ich fand es sehr interessant, mal mitzuerleben, wie viel Arbeit die Ultras in die Stimmung investieren. Dass habe ich früher nie mitbekommen, weil ich zu weit oben stand, aber gegen Fürth stand ich ganz unten und sehr nah bei den Vorsängern. Da merkte ich erst, wie anstrengend das für sie ist. Im Prinzip verausgaben die sich im Block so sehr wie wir uns auf dem Platz. Da wird angestachelt, wenn es mal nicht so laut ist, da wird sich untereinander teilweise richtig gefetzt.
Im Fußball geht es schnell. Ein halbes Jahr nach der ganz großen Euphorie sind Sie mit Nürnberg Tabellenletzter in der Bundesliga. Ist eine 0:7‑Klatsche in Dortmund für Sie besonders nervenaufreibend, weil Sie so viele private Verbindungen zum Verein haben?
Die Leute, mit denen ich zu tun habe, sind quasi ausnahmslos Fans oder zumindest große Club-Sympathisanten. Dann kommt automatisch die Frage: „Was war los?“. Da kann ich dann auch nichts anderes antworten als: „Was soll schon los gewesen sein? Wir haben eben 0:7 auf die Fresse bekommen.“ Das ist manchmal zermürbend. Andererseits explodiert mein Handy vor allem nach Siegen. Da bekomme ich viel mehr Reaktionen.
Was macht Ihnen Mut, dass es noch klappen kann mit dem Klassenerhalt?
Die Mannschaft. Wir haben immer noch einen guten Zusammenhalt. Außerdem steckt viel Qualität in unseren Reihen. Wir haben mannschaftlich das Zeug, diese Phase auszuhalten.