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Seite 2: „Mein Cousin an der Hupe, ich am Fenster“

Sind Sie als Teen­ager in Ehr­furcht erstarrt vor so begna­deten Fuß­bal­lern wie Misi­movic?
Am Anfang total. Das hat mich auch ein biss­chen gehemmt. Denn bis dahin hatte ich Profis gna­denlos über­höht. Am kras­sesten war das bei Ales­sandro Del Piero. Der war für mich ein uner­reich­barer Mensch. Ach was, kein Mensch, der war für mich ein Alien. Und so ähn­lich war das auch bei den großen Namen in Nürn­berg. Doch plötz­lich saß ich neben ihnen und merkte: Die sind ja ganz normal.

Was fas­zi­nierte Sie so an Del Piero?
Das Fuß­bal­le­ri­sche: Er hatte einen unver­wech­sel­baren Schuss. Er zog von links in den Straf­raum und bal­lerte den Ball oben rechts in den Winkel. In Ita­lien sagt man dazu: Tiro alla Del Piero“. In der A‑Jugend hatte ich eine Phase, da habe ich aus­schließ­lich so getroffen. Als Del Piero 2006 im WM-Halb­fi­nale gegen Deutsch­land traf, habe ich mich wahn­sinnig für ihn gefreut. Als wäre er ein Fami­li­en­mit­glied. Ich bekomme Gän­se­haut, allein wenn ich dar­über spreche.

Sie freuten sich so sehr, obwohl er der deut­schen Mann­schaft damit eine extrem bit­tere Nie­der­lage bescherte?
Nicht falsch ver­stehen: Ich bin Deutsch­land extrem dankbar für alles, was ich hier erleben durfte. Aber ich fühle ita­lie­nisch. Ich habe noch immer sehr viel Familie dort, ich ver­suche, einmal im Jahr hin­zu­reisen. Deutsch habe ich erst im Kin­der­garten gelernt.

Etwa zur glei­chen Zeit, 1994, lan­deten Sie als Fünf­jäh­riger beim Club und durch­liefen dann bis 2010 alle Jugend­mann­schaften. Gibt es einen Trainer, der Sie auf ihrem Weg beson­ders beein­flusst hat?
Jeder Trainer war zu seiner Zeit wichtig. Am meisten für meine Per­sön­lich­keit habe ich aller­dings unter René Müller mit­ge­nommen, der mich bei den Ama­teuren trai­nierte. Er hat mir vor allem für das Leben nach dem Fuß­ball sehr viel mit auf den Weg gegeben.

Was denn?
Er hat meinen Hori­zont erwei­tert. Wir haben über den Glauben gespro­chen, über die Bedeu­tung von Geld, die Bedeu­tung vom Fuß­ball. Er hat mir geholfen, zu ver­stehen, dass mein per­sön­li­ches Glück nicht allein von meiner Kar­riere abhängt. Davor war es bei mir so: Spielte ich gut, war ich glück­lich. Spielte ich schlecht, war ich unglück­lich. Das war nicht gesund. 

Waren Sie als Nach­wuchs­spieler von Anfang an auch auto­ma­tisch Nürn­berg-Fan?
Ja. Ich habe mich immer kom­plett mit dem Verein iden­ti­fi­ziert und dem­entspre­chend schon als Kind mit den Profis mit­ge­litten.

Wann litten Sie beson­ders?
Ganz schlimm war das letzte Heim­spiel in der Saison 1999. Ich war damals als Ball­junge dabei. Frank Bau­mann stand total blank vor Richard Golz und hatte die Rie­sen­chance, er musste aus zwei Metern nur noch ein­schieben. Statt­dessen vergab er die Mög­lich­keit. Fast gleich­zeitig traf Jan Age Fjör­toft in Frank­furt – und wir stiegen ab. Die Reak­tionen darauf werde ich nie ver­gessen. Das Geräusch im Sta­dion, das Ent­setzen der Massen, nachdem Bau­mann das Ding ver­geben hatte, all das hat sich in mein Gedächtnis ein­ge­brannt. Zum Glück war ich damals so jung. Da ver­ar­beitet man solche Situa­tionen eini­ger­maßen schnell. Wahr­schein­lich war ich erstmal kicken.

Erin­nern Sie sich an Ihren ersten Sta­di­on­be­such?
Ja. Das muss in der Regio­nal­liga-Süd-Saison gewesen sein, also 1994. Die Mann­schaft spielte vor einer recht trau­rigen Kulisse. Die zwar für Regio­nal­liga-Ver­hält­nisse groß­artig war, aber eben nicht für die Ver­hält­nisse vom Club. Ich weiß leider nicht mehr, gegen wen, ich weiß nur, dass es eine zweite Mann­schaft war. Ins­ge­samt also alles recht trist. In den Jahren danach war ich trotzdem dau­ernd dort. Als Ball­junge, als Ein­lauf­kind, mit Kum­pels, mit der Familie, in der Kurve. Ich habe so ziem­lich alles mit­ge­macht.

Ihr schönstes Erlebnis aus Fan-Sicht?
Der Pokal­sieg natür­lich. Jan Kris­ti­ansen aus 30 Metern in den Winkel, in der Ver­län­ge­rung, ein gran­dioser Abend. Ich war bei uns im Lokal und habe vor Freude auf den Tisch ein­ge­dro­schen. Ich bin durch­ge­dreht. Danach fuhr ich mit meinem Cousin zum Auto­korso, er an der Hupe, ich am Fenster. Dann noch ab an den Plärrer (großer Platz in Nürn­berg, d. Red.). Eine High­light-Nacht.