Für den Grundlagenvertrag mit der DFL wurde der DFB stark kritisiert, trotzdem stimmten alle dafür. Jetzt sagt ein Jurist: Der Vertrag ist überflüssig und schadet dem Verband.
Stolz reckte DFB-Präsident Reinhard Grindel sein Abstimmungskärtchen in die Höhe. „JA“ war darauf zu lesen, genauso wie auf den 258 übrigen Kärtchen im Saal des DFB-Bundestags. Einstimmig hatte der deutsche Fußballverband den umstrittenen Grundlagenvertrag mit der DFL abgesegnet. Die Kritik, dass der DFB auf viel Geld zugunsten der Profivereine und zu Ungunsten der Amateure verzichte, hatte Reinhard Rauball, Präsident der DFL, als „Halbwahrheiten weniger Protagonisten“ abgestempelt. „Die echten, wahren Amateure haben entschieden“, triumphierte deshalb Reinhard Grindel.
Einen Monat nach der Abstimmung veröffentlicht nun eine juristische Fachzeitschrift einen Aufsatz von Prof. Dr. Rainer Cherkeh, Rechtsanwalt mit Schwerpunkt Wirtschafts- und Sportrecht, der sagt: Zentrale Formulierungen im Grundlagenvertrag sind faktisch und rechtlich sinnlos. Und schlimmer: Sie schaden dem DFB.
Ausgaben zulasten der Amateure
Das Vertragsstück regelt die Abgaben der DFL an den DFB – und umgekehrt. Beide Parteien sollen an den Einkünften des Partners fair beteiligt werden. Weil aber die Summen gedeckelt werden, findet faktisch ein Austausch von vorgefertigten Geldkoffern statt. Jährlich zahlt die DFL, als Lizenznehmer des deutschen Fußballs, 26 Millionen Euro an den DFB. Der DFB zahlt im Gegenzug 20 Millionen Euro für die Anerkennung der Abstellungsverpflichtung deutscher Nationalspieler durch die DFL und um die Spieler für Werbezwecke des DFB nutzen zu dürfen.
Mehrfach wurde kritisiert, dass der DFB durch den Grundlagenvertrag auf eine gehörige Summe Geld verzichten dürfte, denn die Berechnungsgrößen, die an die Einkünfte der DFL angelegt werden, sind veraltet. Gäbe es keine Deckelungen, könnte der DFB circa die doppelte Summe berechnen – und tut es nicht. Zulasten der Landesverbände. Und somit auch zulasten der Amateure.
Mehr als ein „Medienphänomen“?
Neben dieser Deckelung mündet die andere Seite des Grundlagenvertrages in einem fragwürdigen Zahlungsversprechen des DFB an die DFL.
DFB und DFL traten diesen Behauptungen entschieden entgegen. „Populismus“ und „Halbwahrheiten“ seien das. „Ein reines Medienphänomen“, erklärte DFB-Schatzmeister Dr. Stephan Osnabrügge. DFL-Präsident Dr. Reinhard Rauball meinte besorgt: „Es ist fahrlässig, wenn die Lautesten so tun können, als wären sie die Mehrheit – das ist wie in der Politik.“
Prof. Dr. Rainer Cherkeh ist kein Lautsprecher. Auch kein Politiker. Sondern Honorarprofessor mit dem Forschungs- und Tätigkeitsschwerpunkt Sportrecht und er geht der Frage nach, wofür der DFB überhaupt 20 Millionen Euro jährlich an die DFL zahlt. „Der DFB hat argumentiert, dass ihm erst durch die Regelungen im Grundlagenvertrag eine Vermarktung der Nationalmannschaft ermöglicht werde. Das ist nicht richtig.“
Weil die Vereine nach FIFA-Regularien und nach der DFB-Spielordnung einer Abstellungspflicht unterliegen, könne die DFL kein Geld für die Anerkennung der Abstellungsverpflichtung der Spieler seiner DFL-Klubs verlangen, sagt Cherkeh. Pflicht ist Pflicht und als ordentliches Mitglied beim DFB seien diese Regularien für die DFL, so Cherkeh, ohnehin verbindlich und von der DFL anerkannt.
Andernfalls, so hatte 11FREUNDE schon gemutmaßt, müsste der DFB auch an ausländische Ligen zahlen, in denen deutsche Nationalspieler spielen. Prof. Dr. Cherkeh bestätigt in seinem Aufsatz diese Annahme und erklärt: „Was ohnehin durch die Statuten geregelt ist, muss nicht noch gegen gesonderte Vergütung ›anerkannt‹ werden.“
20 Millionen für nichts
Viel wichtiger ist jedoch, dass der DFB auch nichts für die Vermarktung der Spieler an die DFL zahlen müsste. „Das ist das kleine Ein-mal-Eins des Vermarktungsrechts“, sagt Cherkeh, „die Vermarktungsrechte an seinen Auswahlmannschaften hält immer der Verband. Und das ist im Fall der Nationalmannschaft der DFB.“ Laut DFB und DFL werden durch den Grundlagenvertrag die Persönlichkeitsrechte der Spieler abgegolten. „Aber mit den Spielern werden verbandsseitig eigenständige Verträge abgeschlossen. Diese Athletenvereinbarungen gibt es auch in anderen Sportarten. Weil sie zustimmen, dass der DFB mit ihnen werben darf, erhalten die Nationalspieler deshalb auch eine Vergütung.“, sagt Cherkeh im Gespräch , „das ist jedoch eine ganz eigene Baustelle zwischen den Spielern und dem DFB, die DFL ist dabei komplett außen vor.“
Und weiter: „Für die 20 Millionen Euro, die der DFB nach Paragraf fünf des Grundlagenvertrags jährlich an die DFL zu zahlen hat, liefert die DFL überhaupt keine Gegenleistung.“
Kein Kavaliersdelikt
20 Millionen Euro. DFB-Schatzmeister Dr. Stephan Osnabrügge hatte die Summen so erklärt: „Beim Grundlagenvertrag haben sich Kaufleute gegenübergesessen und gegenseitig bewertet, welchen Wert ihre Leistungen haben.“ Schon fraglich, welcher DFB-Kaufmann die Leistung „gar nichts“ mit dem Preisschild „20 Millionen Euro“ versehen hat.
Und das ist kein Kavaliersdelikt. In seinem Aufsatz argumentiert Cherkeh: „Der Vorstand, und hier namentlich das DFB-Präsidium, ist gehalten, darauf zu achten, dass das von ihm treuhänderisch verwaltete Vermögen des DFB erhalten bleibt und es nach Möglichkeit sogar (…) zu vermehren.“ Weil eine Leistung der DFL nicht erkennbar sei, „widerspricht die dort getroffene Regelung der vereinsrechtlichen Pflicht des Vorstands zur ordnungsgemäßen Vermögensverwaltung“, folgert er.
Haben Delegierte arglos gehandelt?
Von den Delegierten des jüngsten DFB-Bundestags wurde aber auch dieser Passus des Vertragswerks abgesegnet, „möglicherweise etwas arg- und sorglos“, sagt der Anwalt, „um es noch vorsichtig zu formulieren.“
Der Aufsatz des Juristen Cherkeh, der in der aktuellen Ausgabe (Heft 1/2018) der Fachzeitschrift „SpuRt – Zeitschrift für Sport und Recht“ veröffentlicht wurde, dürfte den Beteiligten bekannt sein. Mitherausgeber sind DFB-Chefjustiziar Dr. Jörg Englisch und Dr. Reinhard Rauball, der Präsident der DFL.