In Schweden gilt neuerdings ein komplettes Vermummungsverbot in den Stadien. Warum die Fans von AIK Solna deshalb plötzlich ihren inneren Muslim entdeckt haben.
Die Damen und Herren im Überwachungsraum der Stockholmer „Friends Arena“ haben schon so manches gesehen: unzählige Bengalische Fackeln, endlose Rauchschwaden – na klar. Fliegende Feuerzeuge, Hunderte Stinkefinger – ebenfalls klar. Auch nackte Hintern oder Dutzende von vermummten Gesichtern schauten schon in ihre hochauflösenden Hightech-Kameras. Aber was sich am vergangenen Sonntag beim Saisoneröffnungs-Spiel von AIK Solna gegen BK Häcken abspielte, war neu. Und die Damen und Herren von der Sicherheit wussten plötzlich nicht mehr, ob sie nun fluchen oder lachen sollten.
Mitten in der Heimkurve grüßte nämlich ein gutes Dutzend AIK-Anhänger in Niqabs die Zuschauer im Stadion, an den TV-Geräten und im Überwachungsraum. Niqabs? Ja, richtig! Diese schwarzen Beinahe-Burkas, die ihren Trägern bzw. Trägerinnen lediglich einen schmalen Sehschlitz freigeben. Wobei: Richtige Burkas sind noch eine Spur strenger, denn sie verhängen selbst den fingerbreiten Sehschlitz noch mit einer Gittergardine. Aber das ist wieder ein anderes Thema.
Freiheit für Ultras ist das Ziel
Die AIK-Fans in den Niqabs jedenfalls hatten Spaß – und schickten nebenbei, auf einem riesigen Transparent, einen fetten Gruß an Schwedens Innenminister Anders Ygeman: „Danke für die Gesetzeslücke“, stand darauf zu lesen. Zur Erklärung: Ygeman, bekennender Anhänger des AIK-Erzrivalen Djurgardens IF, hatte ein Gesetz durchs Parlament gebracht, welches das Vermummen im Umfeld von Sportveranstaltungen seit dem 1. März (rechtzeitig zur neuen Saison in der „Allsvenskan“) strikt verbietet. Allerdings steht in dem Gesetzestext explizit: „Das Verbot gilt nicht für jene, die ihr Antlitz aus religiösen Gründen verbergen.“
Passend dazu hatten die AIK-Ultras vor dem Spiel ein weiteres Transparent gemalt. Darauf stand (im schwedischen Originaltext in Reimform): „AIKs Ultras meinen eben, nun maskieren wir uns aus religiösen Gründen – Freiheit für Ultras ist das Ziel. Danke, Ygeman, für die Gesetzeslücke.“ Natürlich ist nicht davon auszugehen, dass unter den Niqabs tatsächlich streng-gläubige muslimische Damen steckten. Zumal einige der Personen unter ihren schwarzen Gewändern ultratypische Bekleidung trugen und hin und wieder genüsslich an ihrem Bier nippten.
Die Polizei aber verzichtete vorsorglich darauf, die Identitäten der Verhüllten zu überprüfen. Vielleicht erhielten die Einsatzkräfte auch Anweisungen von oben. Wer weiß schon, was TV-Bilder von Uniformierten, die Niqab-Träger(innen) filzen, anrichten könnten in dieser emotional so aufgeheizten Welt.