Die Bundesliga-Saison 2020/21 ist zu Ende. Nie zuvor hat sich der deutsche Profifußball von einer so unsympathischen Seiten gezeigt wie in dieser Spielzeit. Ein Nachruf auf ein verlorenes Jahr.
Als Robert Lewandowski vergangenen Samstag sein 40. Saisontor erzielt und damit den ewigen Erstligarekord von Gerd Müller eingestellt hatte, kam Sky-Experte Didi Hamann auf eine drollige Idee. Er schlug vor, den Bayern-Goalgetter am letzten Spieltag nicht mehr einzusetzen, damit die Legende Gerd, inzwischen schwer demenzkrank, weiter als bester Saisontorschütze ever geführt werden kann.
Die Liga habe zuletzt viel von ihrem Ansehen verspielt. „Was würde das für ein Zeichen setzen, an die Welt, an den Fußball, an die Leute,“ so Hamann, „aus Respekt vor Gerd Müller zu sagen: Wir lassen den Lewandowski nicht spielen?“ Es sagt viel über den Zustand der Bundesliga aus, wenn ein Altinternationaler, der den Wettbewerbsgedanken gewissermaßen in der DNA trägt, zum Leistungsverzicht aufruft, um ein Gegengewicht zum Werteverfall im Fußball zu schaffen.
Doch wer würde es Hamann verdenken? Wie keine Spielzeit zuvor hat die Saison 2020/21 gezeigt, wie weit sich das Profigeschäft von den moralischen Grundsätzen des Spiels – von Anstand und Fairness – inzwischen entfernt hat.
Ein Jahr lang Geisterspiele, kein Mensch darf ins Stadion, der Breitensport kommt fast vollständig zum Erliegen, doch die Bundesliga tänzelt dank üppiger TV-Verträge und politischer Zugeständnisse wie ein Sektkorken auf den Wogen der Zeit. Und dennoch nutzen zahlreiche Klubfunktionäre jede Chance, um Umsatzeinbußen anzuprangern. Traditionsklubs wie Schalke oder Köln fragen gar den Steuerzahler nach Geld, beantragen Landesbürgschaften, garantieren einigen ihrer Akteure aber selbst im Falle des Abstiegs noch siebenstellige Gagen.
Der allgemeine Ruf nach Mäßigung hindert Gladbach, Bayern und Dortmund nicht, ihre zukünftigen Trainer aus laufenden Verträgen zu kaufen und bei den Ablösesummen neue Rekorde aufzustellen. Dazu der Führungskrieg im DFB, der die handelnden Personen nicht nur krankhafter Eitelkeit, sondern auch himmelschreiender Inkompetenz überführt.
Auf dem Höhepunkt des Lockdowns, während ganz Deutschland daheim die Decke auf den Kopf fällt, gondelt der FC Bayern zur Klub-WM nach Katar, wo Menschenrechte mit Füßen getreten werden und einer Schiedsrichterin bei der Siegerehrung der Handschlag verweigert wird. Und als ein Berliner Flugloste wagt, das Nachtflugverbot und damit geltendes Recht einzuhalten, fühlt sich Karl Heinz Rummenigge „total verarscht“ und Uli Hoeneß wittert gar einen „Skandal ohne Ende“.
Dazu die Posse um die „Super League“, in deren Schatten die UEFA fast lautlos eine Champions-League-Reform beschließt, die den betuchten Teilnehmern nur noch mehr Moneten in die Kassen spült. Und all das sind nur Nebengeräusche einer Saison, die allein coronabedingt die Distanz zu den treuen Fans erheblich vergrößert hat und an deren Ende mit dem FC Schalke 04 und dem SV Werder nun zwei Vereine absteigen – und mit dem 1. FC Köln womöglich noch ein dritter –, die eigentlich zum Inventar dieser Liga gehören sollten. Und das nicht zuletzt, weil sie sportlich und wirtschaftlich – ob selbstverschuldet oder nicht, sei mal dahingestellt – in einer Spielklasse, die zunehmend von Investorenklubs dominiert wird, nicht mehr wettbewerbsfähig sind.
Die Bundesliga hat in dieser Saison viel von ihrer Sympathie verspielt. Fast niedlich, dass ein honoriger Experte wie Didi Hamann hofft, dieses durch Gier und Rücksichtslosigkeit ramponierte Image, ließe sich polieren, wenn der beste Stürmer der Bundesliga selbstlos verzichtet, seiner Bestimmung zu folgen. Bei aller Liebe, so einfach kann und darf es nicht sein.
Dachte sich letztendlich auch Robert Lewandowski. Er wartete bis in die Nachspielzeit gegen den FC Augsburg, dann löschte er Gerd Müllers Rekord endgültig aus den Liga-Almanachen.
Es wird Zeit für einen neuen Anfang. Viel schlimmer kann es kaum werden. Saison 2020/21 – Danke für Nichts!