Wir bauen unsere Seite für dich um. Klicke hier für mehr Informationen.

Seite 2: „Dank Maradona mögen die Leute hier Dribbler wie mich“

Ihre Mutter kommt anders als Ihr Vater aus Deutsch­land. Fühlten Sie sich in Bezug auf Fuß­ball trotzdem eher zum Libanon hin­ge­zogen? Bezie­hungs­weise: Waren Sie großer Roda-Antar-Fan?
Lustig, dass Sie Roda anspre­chen. Der Mann ist ja ein Rock­star im Libanon, den kennt dort jeder. Dem­entspre­chend war ich tat­säch­lich ein großer Fan als Kind. Es gibt sogar ein gemein­sames Foto von uns. Damals, ich war noch Jugend­spieler bei Glad­bach, ließ Chris­tian Hoch­stätter meinen Vater und mich net­ter­weise in den Kata­komben warten, wo Roda Antar mit dem SC-Frei­burg-Bus ankam. Also haben wir ein Bild mit ihm gemacht.

Fiel Ihnen die Ent­schei­dung für die deut­sche Natio­nal­mann­schaft schwer?
Nein. Mein Vater wäre zwar stolz auf mich gewesen, hätte ich’s für den Libanon gemacht. Aber ich habe dort nie gelebt. Für mich war immer klar, dass ich Deut­scher bin. Ich habe die Jugend­na­tio­nal­mann­schaften kom­plett durch­laufen, ich spreche die Sprache, ich esse den deut­schen Kuchen, den meine Mutter backt. Wissen Sie: Ich kenne Roda mitt­ler­weile per­sön­lich sehr gut, wir treffen uns im Libanon, gehen essen. Dass ich heute – bei allem Respekt – sogar noch etwas höher spielen kann als er damals, das habe ich auch Deutsch­land zu ver­danken.

Etwas höher? Sie spielen beim SSC Neapel! Haben Sie sich vor dem Transfer mit der Geschichte des Klubs aus­ein­ander gesetzt?
Ja. Ich finde es wichtig, Dinge über den Klub zu wissen, für den ich spiele. Und spe­ziell in Neapel habe ich auch das Gefühl, dass ich es den Leuten gewis­ser­maßen schuldig bin. Für die Fans in der Stadt ist der Klub ihr Leben. Ich habe also zum Bei­spiel geschaut: Wer hat hier, außer Mara­dona, eigent­lich so gespielt?

Younes 190606 135925671 190522 GDK6585 by Gebhart de Koekkoek RGB
Daniel Geb­hard de Koek­koek

Wobei es den Leuten hier doch nach wie vor in erster Linie um Mara­dona geht.
Hier ist es so: Es gibt den Papst – und Mara­dona. Man kann an jeder Ecke Mara­dona-Shirts kaufen oder Mara­dona-Figuren oder Bilder. Ganze Wohn­blöcke sind mit seinem Gesicht bemalt. Tomaso, unser Zeug­wart, hat in seiner Kabine zig Fotos aus der Mara­dona-Ära hängen. Aber auch abseits vom Per­so­nen­kult ist Mara­dona all­ge­gen­wärtig. Dank ihm spielt Neapel, voll­kommen unty­pisch für Ita­lien, seit Jahr­zehnten Offen­siv­fuß­ball. Dank ihm mögen die Leute hier Dribbler wie mich.

Als wir vorhin Fotos von Ihnen am Strand machen wollten, stürmte eine Gruppe Jugend­li­cher auf Sie zu. Einer der Jungs küsste Sie zur Begrü­ßung gleich mal auf die Wange.
Man muss che­cken, wel­chen Stel­len­wert der Verein in dieser Stadt hat. Wenn wir ver­lieren, ist die Woche für die Nea­po­li­taner gelaufen. Dass die Leute keine Berüh­rungs­ängste haben, kann und muss ich vor diesem Hin­ter­grund akzep­tieren. Dieser Junge kam kurz danach ja sogar noch mal zu mir.

Weil er noch ein Selfie wollte, oder?
Nein. Er hatte seine Freundin via Face­Time ange­rufen und wollte, dass ich auch mit ihr kurz rede. Wäre das in Deutsch­land pas­siert, hätte ich wahr­schein­lich gesagt: Was ist denn bei dir los, Junge?“ Aber hier ist das normal.

Ganz so normal ist es in Ihrem Fall nicht. Immerhin gab es rund um Ihren Transfer von Ajax nach Neapel im ver­gan­genen Sommer enorm großes Theater.
Ich wollte eigent­lich schon in der Win­ter­pause 2018 unbe­dingt zu Napoli wech­seln. Aber dann sind Dinge pas­siert, die ich damals nicht in Ord­nung fand.