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So ein Fuß­baller-Leben ist auch großes Puzzle voller Zufälle, gewissen Umständen, Glück und Pech. Fuß­baller können trai­nieren bis die Ober­schenkel platzen, sie können sich bis aufs letzte Reis­korn ange­messen ernähren, den besten Berater und den umsich­tigsten Trainer haben – am Ende ent­scheidet auch das Schicksal, was mit einer Kar­riere pas­siert.

Mit zehn zum VfB, mit 16 zum FC Arsenal, mit 20 aus­ge­mus­tert

Serge Gnabry kennt das. Er macht den ganzen Zirkus schon mit, seit er ein Teen­ager war. Gnabry ist erst 21 Jahre alt. Aber wenn einer mit zehn Jahren zum VfB Stutt­gart und mit 16 zum FC Arsenal wech­selt, mit 17 sein Debüt in der Pre­mier League feiert und mit 20 schon aus­ge­mus­tert wird, dann ist man mit 21 älter als andere mit Ende 30.

Früher sprach man vom zweiten Früh­ling“, wenn ein ver­dienter Fuß­baller am Ende seiner Kar­riere noch einmal auf­dreht und es allen zeigt. Wie soll man es nur nennen, was gerade mit Serge Gnabry pas­siert? Dessen Kar­riere war schließ­lich noch nicht mal im ersten Sommer.

Plötz­lich spre­chen wieder alle von ihm

Gnabry ist mit Abstand der auf­fäl­ligste Spieler der deut­schen Olympia-Aus­wahl. Er hat, um es mit den Worten von Tor­wart Timo Horn (1. FC Köln) zu sagen, der Mann­schaft den Arsch gerettet“. Gegen Mexiko wurde er ein­ge­wech­selt, schoss ein Tor und war der gefähr­lichste Deut­sche auf dem Platz. Im Spiel gegen Süd­korea gelangen ihm zwei Tore, dar­unter der abge­fälschte Frei­stoß zum 3:3 in der Nach­spiel­zeit. Vor allem dank Serge Gnabry ist Deutsch­land bei Olympia noch nicht aus­ge­schieden. Und plötz­lich spre­chen wieder alle von diesem Fuß­baller. Auch das kennt Serge Gnabry.

Er war ja schon mal oben. Und unten. Und wieder oben. Mit 14 standen Scouts aus ganz Europa an der Bande, wenn Gnabry für die VfB-Jugend spielte. 2010 bei einem Tur­nier in Bad Ragaz auch ein Beob­achter vom FC Arsenal. Die Eng­länder luden den Sohn des frü­heren ivo­ri­schen Natio­nal­spie­lers Jean-Her­mann Gnabry zum Pro­be­trai­ning, ein Jahr später durften sie den damals 16-Jäh­rigen unter Ver­trag nehmen und taten das auch. Das war 2011.

Ein Jahr später hatte Gnabry Arsenal-Macher Arsene Wenger so über­zeugt, dass er dem gebür­tigen Stutt­garter einen Pro­fi­ver­trag vor­legte, am achten Spieltag der Saison 2012/13 warf Wenger den Youngster aus Deutsch­land erst­mals für wenige Minuten ins Hai­fisch­be­cken Pre­mier League. Drei Tage später wurde Gnabry im Cham­pions-League-Spiel gegen Schalke ein­ge­wech­selt. Die Zei­tungen reagierten reflex­artig und spra­chen vom German Wun­der­kind“.

Dann ver­sagten Gnabry die Nerven. Im Rücken hatte sich einer ein­ge­klemmt, der junge Spieler fiel mona­te­lang aus. Gnabry, kurz ganz oben, musste wieder unten anfangen.

Und er kam wieder. Schoss am 28. Sep­tember 2013 sein erstes Tor in der Pre­mier League, was ihn nach Cesc Fab­regas zum jüngsten Tor­schützen in der Geschichte dieses ruhm­rei­chen Klubs machte. Der schnelle Angreifer gehörte jetzt wieder regel­mäßig zum Auf­gebot der Gun­ners“, vor der Rück­runde der Spiel­zeit 2013/14 rückte er gar kurz ins Blick­feld der WM-Kader­planer Hansi Flick und Joa­chim Löw. Flick sagte damals: Wenn ein Spieler jetzt eine über­ra­gende Rück­runde spielt und wir genau auf dieser Posi­tion eine Vakanz haben, dann besteht durchaus eine Chance.“ Flick meinte den gelernten Mit­tel­feld­mann, der inzwi­schen als eine Art Mischung aus Angreifer und Mit­tel­feld­mann gehan­delt wurde.

Er ist nicht auf dem Level, um in der Pre­mier League zu bestehen“

Dann bekam Gnabry weiche Knie. Weil er sich genau dort ver­letzte. Und wieder aus­fiel. Das ver­dammte Schicksal.

Statt als Über­ra­schungs­gast zur WM zu fahren, ver­suchte Gnabry, erneut den Anschluss zu finden, der für einen so jungen Fuß­baller ohne großes Renommee bei so einem großen Verein noch viel schwie­riger ist als für gestan­dene Spieler. Vor der Saison 2015/16 wurde Gnabry aus­ge­liehen, natür­lich erhoffte er sich mehr Ein­satz­zeiten, mehr Auf­merk­sam­keit. Den großen Durch­bruch. Doch dann das: Serge ist zu uns gekommen, um zu spielen“, sprach West-Brom-Trainer Tony Pulis nach der Hin­runde, in der er den Neu­ling nur einmal ein­ge­setzt hatte, doch im Moment ist er für mich noch nicht auf dem Level, um in der Pre­mier League zu bestehen.“ Mit einem Tritt in den Hin­tern wurde Gnabry zurück zum FC Arsenal beför­dert.

Seitdem fristet er ein Dasein zwi­schen Ersatz­bank und Reser­ve­team. Die Kar­riere, mit 16 Jahren und voller Hoff­nungen begonnen, dreht sich gerade im Kreis.

Einer wie Robben

Auch bei den Spielen in Rio war Gnabry nicht als Stamm­kraft vor­ge­sehen. Nur, weil sich Kapitän Leon Goretzka nach 27 Minuten im Auf­takt­spiel gegen Mexiko ver­letzte, kam er ins Spiel. Wieder so ein Zufall, wieder so ein Puz­zle­teil in der eigenen Kar­riere. Nur mit dem Unter­schied, dass Serge Gnabry inzwi­schen offenbar Nerven, Knie und sämt­liche andere Kör­per­teile im Griff hat. In beiden Spielen gehörte er zu den besten Akteuren und zeigte, was ihn einst zu einem der begehr­testen Talente Europas gemacht hat: tech­nisch ist er über­durch­schnitt­lich gut aus­ge­bildet, sein Antritt kann jede Abwehr­kette sprengen, und weil es end­lich mal läuft für Gnabry, sprüht sein Spiel vor Selbst­ver­trauen.

Schon früher wurde er von eng­li­schen Medien mit Arjen Robben ver­gli­chen, ähn­lich wie der Hol­länder zieht der Olympia-Teil­nehmer von der Außen­bahn mit dem Ball eng am Fuß in die Mitte und sucht den Abschluss oder den freien Mit­spieler. Genau das wird heute Abend im Spiel gegen die Fidschi-Inseln auch nötig sein, schließ­lich braucht die deut­sche Aus­wahl einen hohen Sieg (mit einem 5:0 hätte man sich sicher für das Vier­tel­fi­nale qua­li­fi­ziert) und des­halb Spieler, die auch für diese Tore sorgen. Spieler wie Serge Gnabry.

Jetzt zu Ein­tracht Frank­furt?

Sicher­lich war es ihm eine Wohltat, als sein Trainer Horst Hru­besch nach dem Süd­korea-Spiel in Rich­tung London pol­terte: Er hat es allen gezeigt. Mich ärgert, dass man ihm nie das Ver­trauen gegeben hat.“ Hru­besch gibt es ihm und Serge Gnabry nutzt das gerade auf der Bühne Olympia voll aus. Dabei sein ist eben immer noch alles. Das Finale von Rio ist übri­gens am 20. August. Recht­zeitig vor Trans­fer­schluss. Die ersten Bewerber sollen bereits Inter­esse ange­meldet haben, dar­unter Ein­tracht Frank­furt. Mal sehen, was das Schicksal so für Serge Gnabry bereit hält.