Thomas Doll wird 55 Jahre alt! Darauf einen Schnaps – und die Frage: Wie sieht eigentlich die perfekte Wutrede aus? Wir hätten da eine Anleitung.
Eine gut platzierte Wutrede ist das Allheilmittelel, um sportliche Misserfolge ein paar Tage in den Hintergrund rücken zu lassen. Einst probierte sich Thomas Doll an einer guten, alten PK-Schelte. Leider wirken die Standpauken oft trotzdem unbeholfen, impulsiv, mitunter sogar vollkommen unverständlich. Deswegen haben wir uns mal drangesetzt, die perfekte Wutrede zu erarbeiten. Hier ist das Ergebnis.
Gehen Sie die Pressekonferenz wesentlich strenger an als üblich. Während sich die Journalisten noch ausgiebig am Bockwurst-Buffet verlustieren und klammheimlich Bier in ihre Kaffeebecher füllen, sollten Sie bereits kerzengerade auf dem Podium sitzen. Ihr Blick ist streng geradeaus gerichtet. Auf die ersten lästigen Journalistenfragen antworten Sie allenfalls einsilbig, kratzen sich mehrfach gelangweilt am Kopf, blicken immer wieder mürrisch zu Boden. Spätestens bei der fünften Frage schnellt ihr Blick hoch, Sie fixieren einen Journalisten und blicken ihn minutenlang scharf an. Warten Sie noch drei weitere Frage ab, auf ein Stichwort Ihres Pressesprechers atmen Sie ein letztes Mal tief durch – dann schlagen Sie zu:
„Jetzt möchte ich mal in aller Deutlichkeit was sagen: Mir reicht es! Wirklich! Wenn ich den Namen ______ (hier bitte den Namen eines Ex-Spielers einfügen) schon höre, kommt mir das Frühstück wieder hoch. Das ist schade um das Omelett, aber es geht nicht anders. Wer hat denn hier in den letzten Jahren den Ruf des Klubs gerettet? War das ________ (hier bitte den Namen des Ex-Spielers einfügen)? So ein Schwachsinn!
Jungs wie ______(hier bitte den Namen eines hoffnungsvollen Talents einfügen), ______ (hier bitte den Namen eines alternden Mittelfeldarbeiters einfügen) oder ______ (hier bitte den Namen eines Ersatzspielers mit maximal drei Einsätzen pro Saison einfügen), die reißen sich hier für die Mannschaft, für die Fans, für den Klub, auf gut Deutsch gesagt, den Arsch auf. Und dann müssen die sich jeden Montag anhören, dass sie nur Mitläufer sind. Da kotze ich doch im Strahl!
(jetzt energisch nachsetzen) Und was macht ________ (hier bitte den Namen des o.g. Ex-Spielers einfügen)? Der ist weg! Seit mittlerweile ______ (hier bitte eine Zahl einfügen) Jahren verdient der sich beim ______ (hier bitte den Name des jeweiligen Vereins einfügen) dumm und dämlich. Dem weint hier intern keiner eine Träne nach. Ihr seid die einzigen, die den vermissen. Bis heute braucht der sich doch sowieso nur richtig den Schuh zu binden, dann kriegt der von euch schon Puderzucker hinten reingeblasen. Da lache ich mich doch kaputt! (Kunstpause, schnaufen Sie vor Wut, setzten Sie mit ruhiger Stimme wieder an)
Ich bin jetzt auch schon ein paar Jahre dabei und weiß, wie das hier läuft. Und da muss ich mir echt mal die Frage stellen: Mach ich das noch mit? Oder scheiß ich auf den ganzen Laden? Auf das ganze Geschäft. (lauter werdend) Man muss doch auch mal sehen, mit welchen Mitteln wir hier zurechtkommen müssen. Natürlich hätten wir auch gern einen ______ (hier bitte den Namen eines überteuerten Superstars aus dem Ausland einfügen), aber wer soll den bezahlen? Ein ______ (hier bitte den Namen des Vorstandsvorsitzenden des Hauptsponsors einfügen)? Oder die Zuschauer? Oder ihr? Wer denn nun? Da seid ihr still, was? Da fällt euch nichts mehr ein. Dabei fallen euch doch auch sonst immer so viele schlaue Sachen ein. Mir fällt aber was ein: Eurer ganzer Mist steht mir echt bis hier (führen Sie Ihre Hand mit theatralische Geste von der Brust bis zum Haaransatz hoch, kurze Pause, dann krachend auf den Tisch hauen anschließend kleine Pause)
(leise) Leute, Ihr kommt hier jeden Tag hin, kreiselt um das Trainingsgelände, stellt schwachsinnige Fragen – und wir sind so blöd und machen das Spielchen auch noch mit. Und was kommt zurück? Kein bisschen Dank. Nur Häme. (enttäuschtes Kopfnicken, dann schlucken, noch enttäuschter weitersprechen)
Warum hab ich euch alle eigentlich damals in meiner ersten Woche zum Grillen eingeladen? (Kunstpause, bissiger nachsetzen) Damit ihr mir hier Woche für Woche die Stöcker zwischen die Beine werft? Na schönen Dank! (fassungsloses Kopfschütteln)
Und wenn ich dann jeden Tag in eurem Käseblatt lesen muss (bestenfalls das entsprechende Käseblatt in die Luft halten und zerknüllen), was hier alles falsch läuft, dann frag ich mich, wo ihr euch überhaupt eure Informationen zusammen klaut. Wahrscheinlich aus diesem Internet! Pah! (Verächtliches Lachen)
Da hol ich mir doch lieber die „Apotheken Umschau“. Die ist wenigstens umsonst!“
Für einen gelungenen Abschluss ist eine lange Kunstpause unverzichtbar. Blicken Sie noch einmal scharf in das verdutzte Rund. Dann stehen Sie abrupt auf, nehmen einen obligatorischen Schluck aus der ohnehin leeren Kaffeetasse, schütteln Ihrem Pressesprecher die Hand und treten energisch vom Podest. Wichtig: Beim Verlassen der Pressekonferenz lassen Sie noch einmal die Tür knallen, damit auch der letzte Schreiberling verstanden hat, was das Stündchen geschlagen hat. In den folgenden zwei Wochen blocken Sie alle Interviews ab und verrichten schweigend Ihre Arbeit. Der Erfolg ist garantiert!