Alexandra Popp kennt sich leider bestens mit Verletzungen und Rehaarbeit aus. Und hat Ihren Profialltag entsprechend angepasst. Die Nationalstürmerin über guten Schlaf, die Bedeutung von Daten und die emotionale Achterbahnfahrt bei der EM im Sommer.
Was ist denn wichtig für guten Schlaf?
Ich habe festgestellt, dass ich um die acht, neun Stunden schlafen muss, um wirklich gut erholt zu sein. Und in meinen Werten ist zu erkennen, dass ich relativ lange im REM-Schlaf liege. Also, in einem unruhigen Schlaf, in dem ich viel träume und eben nicht in den Tiefschlaf komme. Was sicherlich auch damit zu tun hat, dass man im Schlaf verarbeitet, was man tagsüber erlebt hat. Und je mehr das ist, desto unruhiger kann der Schlaf werden. Und gleichzeitig habe ich mit durchschnittlich zwei Stunden pro Nacht sogar einen vergleichsweise langen Tiefschlaf. Das ist extrem wichtig, um in die Erholungsphase zu kommen, weil erst dann die Regeneration der Muskulatur beginnt.
Zu allem Überfluss haben Sie sich kurz vor der EM noch mit Corona infiziert. Inwiefern hat sich die Erkrankung in Ihren Leistungsdaten bemerkbar gemacht?
Ich konnte zumindest sehen, dass ich ein paar Tage vor dem positiven Testergebnis schlechte Schlafwerte hatte. Meine Herzfrequenz war auch nicht in dem Bereich, wie ich es eigentlich von mir kenne. Speziell während des Schlafens. Ich habe mich trotzdem okay gefühlt und war dementsprechend völlig überrascht über das positive Ergebnis. Während der Quarantäne war dann aber sehr klar zu sehen, dass meine Werte in den Keller gegangen sind. Das war nicht so schön. Eine Sache fand ich besonders spannend.
Welche?
Ich habe mitunter wirklich brutal lange geschlafen – aber hatte nie eine gute Erholung. Ich kam mitunter auf mehr als zehn Stunden Schlaf, aber meine Erholungswerte waren immer nur bei rund 40 oder 50 Prozent. Was total paradox ist. Aber sobald ich dann wieder gesund war, haben sich diese Werte zum Glück recht schnell normalisiert.
„Ich habe zum ersten Schuss aufs Tor angesetzt und mir war sofort klar: Das kann ich vergessen“
Und dann konnten Sie im Finale gegen England nicht spielen – wieder mal verletzungsbedingt. Diesmal war es der linke Oberschenkel.
Ich hatte am Vorabend des Finals schon das Gefühl, dass es nicht klappen würde. Die Verletzung ist im Abschlusstraining so extrem geworden. Nach dem Training saß ich in meinem Zimmer und habe gespürt, dass da etwas nicht stimmt. Abends war ich noch in der Behandlung bei den Physios und später haben wir noch in den Muskel reingespritzt. Keine Schmerzmittel, sondern eher, um den Muskeltonus runterzufahren, um die Spannung aus dem Muskel zu nehmen. Am nächsten Morgen bin ich aufgestanden, hatte keine Probleme und habe ich ein klitzekleines bisschen Hoffnung gespürt. Dennoch war ich den ganzen Tag über extrem skeptisch. Mein Oberschenkel hat sich einfach nicht normal angefühlt. Wir haben dann abgemacht, dass ich es beim Aufwärmen probiere und schaue, wie der Muskel reagiert. Tja, dann habe ich zum ersten Schuss aufs Tor angesetzt und mir war in dem Moment sofort klar: Das kann ich vergessen.
Weshalb?
Ich habe überhaupt keinen Druck hinter den Ball bekommen, egal wie sehr ich es versucht habe. Ich hatte extreme Schmerzen und hätte auch gar keinen längeren Sprint anziehen können. Der Anpfiff rückte aber näher und natürlich musste ich eine Entscheidung treffen. Und ganz ehrlich: Das war so unglaublich hart. Ich konnte es nicht fassen. Zu Beginn des Turniers saß ich noch auf der Bank, habe dann durch die Coronainfektion von Lea Schüller meine Chance bekommen und Leistungen gebracht, die mir kein Mensch mehr zugetraut hatte. Ich selbst mir übrigens auch nicht. Und dann macht der Muskel genau vor diesem Spiel, vor diesem Traumfinale im Wembley, zu.
Wie haben Sie das dem Team mitgeteilt?
Ich bin zur Trainerin gegangen und habe gesagt: „Martina, ich kann einfach nicht. Ich kann nichtmal richtig schießen.“ In dem Moment ist für mich kurzzeitig die Welt in sich zusammengebrochen. Gleichzeitig war mir aber klar, dass das Team mich trotzdem braucht. Ich weiß bis heute nicht, wie ich es geschafft habe, aber plötzlich habe ich einen Schalter umgelegt und mich nur noch darauf konzentriert, das Team zu pushen. Ich war es der Mannschaft auch einfach schuldig. Weil das Team und die Mitspielerinnen mich in den Tagen zuvor durch all die Unterstützung erst auf das Level gebracht haben, auf dem ich dann gespielt habe. Ich musste ihnen also etwas zurückgeben.
Inwiefern hat in diesen Momenten der Kopf über das Herz gesiegt?
Natürlich bin ich in meinem Kopf noch etliche Szenarien durchgegangen. Ich hatte aber das Gefühl, noch nicht mal bei 80 Prozent gewesen zu sein. Ich hätte wahrscheinlich einfach nur vorne rumgestanden und gewartet, bis der Ball irgendwann mal auf meinen rechten Fuß fällt. Mit links konnte ich ja nicht schießen. Aber ich hätte unser Spiel gar nicht aufziehen können, weil wir so ein extremes Pressing gespielt haben. Ich hätte mit dem Tempo und mit dieser Aggression gar nicht mitgehen können. Das wäre der Mannschaft gegenüber einfach nicht gerecht gewesen. Ich bin bis heute überzeugt davon, dass es keinen Sinn ergeben hätte. Egal wie viele Leute im Nachhinein gesagt haben: „Naja hättest du mal.“ Nein. Keine Chance.
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