Bundestrainer Joachim Löw sucht nach einer Stammformation. Das Spiel gegen Weißrussland zeigt: es gibt noch viel Steigerungspotenzial.
Die Deutschen hatten das getan, was man gegen eine Mannschaft tun muss, die sich beim Stand von 0:0 vor allem auf die Verbarrikadierung des eigenen Tores beschränkte. Sie versuchten, den Gegner zu überfordern, indem sie sich um ein stabil hohes Tempo bemühten – was allerdings gelegentlich zu Lasten der Präzision ging. „Es war insgesamt geprägt von einer guten Spielfreude“, sagte Bundestrainer Joachim Löw über das Spiel seiner Mannschaft. Trotzdem gebe es „schon auch noch einiges an Arbeit“.
In der zweiten Halbzeit ließen die Deutschen gegen den eigentlich harmlosen Gegner mehr Chancen zu, inklusive eines Foulelfmeters, den Torhüter Manuel Neuer parierte. „Mir persönlich hat es nicht gefallen, wie oft der Gegner in der zweiten Halbzeit vor dem Tor aufgetaucht ist“, klagte Mittelfeldspieler Goretzka. „Als Kollektiv haben wir ein Stück weit nachgelassen.“ Solche Nachlässigkeiten lassen sich bis zu einem gewissen Grad mit den Gegebenheiten erklären, mit denen der Bundestrainer im Moment zurechtkommen muss.
Löw hat schon mehrmals erklärt, dass die Personalprobleme der vergangenen Monate die Entwicklung der Mannschaft erheblich erschwert hätten. „Ich finde, dass ein paar Sachen schon deutlich besser klappen als vor einem Jahr“, sagte Mittelfeldspieler Toni Kroos. „Aber es ist nach wie vor Luft nach oben. Man merkt, dass manchmal noch ein bisschen Erfahrung fehlt.“ Insofern war es vermutlich kein Zufall, dass es sich bei den drei prägenden Figuren des Spiels gegen die Weißrussen um die drei verbliebenen Weltmeister von 2014 handelte.
Benötigt: eine stabile Achse
Torhüter Neuer bewahrte das Team mit seinen Paraden mehrmals vor einem Gegentor. Matthias Ginter, eigentlich Innenverteidiger, erzielte kurz vor der Pause den Treffer zum 1:0, der den Widerstand der Weißrussen erheblich ins Wanken brachte, und Toni Kroos, dessen Auftritt Bundestrainer Löw als überragend bewertete, steuerte die letzten beiden Tore des Abends bei.
„Wir sind eine hungrige Truppe, die sich entwickeln will“, sagte Leon Goretzka. Aber bei allem jugendlichem Elan wird die Mannschaft bei der EM vor allem eine stabile Achse benötigen, um ihre nach wie vor vorhandenen strukturellen Defizite zu kompensieren. Die beiden Außenverteidiger Lukas Klostermann und Nico Schulz fielen fußballerisch ab. Die Offensivspieler Timo Werner, Serge Gnabry und Julian Brandt sind bei aller Qualität in ihren Leistungen noch zu schwankend, und auch in der Innenverteidigung bleiben angesichts der derzeit verfügbaren Kandidaten noch Zweifel an der Konkurrenzfähigkeit auf höchstem internationalen Niveau. „Wir haben sehr, sehr viel Talent dabei“, sagte Joshua Kimmich, der trotz seines jugendlichen Alters von 24 Jahren mit nun 47 Länderspielen schon zu den Routiniers der Nationalmannschaft gehört, „aber wir müssen zeigen, dass wir mehr sind als nur talentierte Spieler.“