Die Fortsetzung der Saison findet ohne Dynamo Dresden statt. Der Klub muss nach zwei positiven Corona-Tests kollektiv für 14 Tage in Quarantäne. Der Fall beweist: Der Bundesliga-Restart ist keineswegs die Rückkehr zur Normalität, sondern ein Kartenhaus, das jederzeit zusammenbrechen kann.
Für die DFL steht sehr viel auf dem Spiel. Seit vielen Jahren hinkt der Verbund der deutschen Bundesligisten der Premier League sportlich und wirtschaftlich hinterher. Nun aber ist die deutsche Eliteklasse plötzlich in der Pole Position. UEFA-Präsidenten Aleksander Čeferin nannte die Bundesliga ein „leuchtendes Beispiel“ dafür, „wie wir den Fußball – mit all seiner Aufregung, Emotion und Unberechenbarkeit – wieder in unser Leben zurückbringen können.“
International erzeugte es einen großen Widerhall, wie es Seifert und seinen Mitstreitern gelungen ist, die Politik zu überzeugen, während in Frankreich Premierminister Édouard Philippe die Saison 2019/20 im Parlament offiziell für beendet erklärte und auch in England, Italien und Spanien derzeit an einen Wiedereintritt in den Spielbetrieb nicht zu denken ist. „Das Ergebnis eines konstruktiven Dialogs und einer sorgfältigen Planung zwischen den Fußballbehörden und Politikern,“ lobte Čeferin.
Nun aber ist es an den Verantwortlichen, dieses Privileg positiv mit Inhalt zu füllen und das in sie und ihre Ideen gesetzte Vertrauen zu rechtfertigen. Sollte es halbwegs reibungslos funktionieren, kann die Bundesliga das Role Model für andere großen Ligen sein, die ihrerseits geordnet zum Spielbetrieb zurück kehren wollen. Die deutsche Liga würde weltweit einen enormen Imagegewinn erfahren. Sollten sich aber die Pannen und Unzulänglichkeiten häufen, könnte die DFL auch unfreiwillig dazu beitragen, dass Profifußball sein Ansehen in der Gesellschaft weiter einbüßt und zukünftig keine Vorzugsbehandlung durch Politik und Wirtschaft mehr erfährt.
Es könnte das Ende des jahrzehntelangen Booms der Premiummarke „Bundesliga“ einläuten. Und auch andere Ligen könnten dadurch in ihrer Außenwahrnehmung beschädigt werden.
Es ist also eine enge Kiste. Am Samstag beginnt die Crunch Time in der Spielzeit. Noch nie in ihrer 57-jährigen Geschichte war die Bundesliga kurz vor dem Ende einer Saison so offen, was ihren Ausgang anbetrifft. Doch diesmal geht es dabei nicht allein um die Frage, wer den Titel gewinnt, wer die internationalen Plätze erreicht und wer absteigt. Diesmal geht es um Fragestellungen von weitaus größerer Tragweite. Nämlich: Geht die Saison überhaupt zu Ende? Und wenn ja, in welchem Licht werden wir den Fußball und seine Protagonisten sehen, wenn der 34. Spieltag vorüber ist.
Oder frei nach Sepp Herberger: „Warum gehen die Menschen in Zeit von Corona nicht zum Fußball, sondern bleiben zuhause und schauen Nachrichten? Weil sie wissen wollen, wie’s ausgeht!“