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Ich war nervös. Ver­dammt nervös! Aber nun war es zu spät. Er stand bereits im Studio, gemein­sames Foto­shoo­ting für unser Debüt­album, das wir nach ihm beti­telt hatten. Er gab mir die Hand, Hi, ich bin George“, und mir fiel nichts anderes ein außer: Möch­test du ein Bier?“ Meine Band­kol­legen schauten mich fas­sungslos an. Jeder in Eng­land wusste, dass Georgie gerade tro­cken war. Er hatte sogar Magen­im­plan­tate ein­ge­setzt bekommen, die ihn bei Alko­hol­konsum sofort erbre­chen ließen. Auch ich wusste das eigent­lich. Und was machte ich in der ganzen Auf­re­gung? Fragte ihn nach einem Drink! Er reagierte zwar recht locker: Nein, danke, ich bin gerade abs­ti­nent“, aber ich sagte danach nichts mehr. Es war mir ein­fach zu pein­lich.

Ich wurde schon oft gefragt, warum wir damals, 1987, unser erstes Album über­haupt George Best“ genannt haben. Warum wir dieses Foto von Best auf das Cover packten. Warum wir, eine Band aus Leeds, einem Spieler von Man­chester United hul­digten. Früher musste ich mich vor allem auf Kon­zerten in Leeds recht­fer­tigen. Zwar sind die Gigs in unserer Hei­mat­stadt nicht unbe­dingt schlechter besucht, aber die Shirts mit dem George-Best-Motiv ver­kaufen sich dort bis heute eher mit­tel­mäßig.

Ein Jour­na­list des New Musical Express“ hat mir nach der Ver­öf­fent­li­chung des Albums gesagt: Ihr habt das aus Mar­ke­ting­gründen gemacht. Ihr wollt für ewig mit ihm asso­zi­iert werden.“ Wenn ich ehr­lich bin, traf er damit einen Punkt. Denn es stimmt: Als neue und recht unbe­kannte Band brauchten wir ein wenig Auf­merk­sam­keit. Aber vor allem wollten wir eine Ver­bin­dung zu Best her­stellen, denn er war ver­dammt noch mal der coolste Fuß­ball­spieler der Welt. Er war der Held meiner Jugend.

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David Gedges Bio­grafie erscheint seit 2012 in Form von Comic-Heften. Aus­gabe 11 von Tales from the Wed­ding Pre­sent“ widmet sich der Ent­ste­hung des Albums George Best“.

Ich wurde 1960 in Leeds geboren, mein Vater und mein Bruder waren glü­hende Anhänger der Pea­cocks“. Ich aber wurde Man­United-Fan. Es war kein rebel­li­scher Akt, glaube ich. Der Grund war eher, dass wir 1963 nach Man­chester umzogen und alle meine Schul­freunde Man­chester United unter­stützten. Und dann kam dieser Abend im Mai 1968, Lan­des­meis­t­er­fi­nale zwi­schen Ben­fica und Man­United. Es ist die stärkste Erin­ne­rung aus meiner Jugend. Ich habe alles noch vor Augen: unsere Dop­pel­haus­hälfte in Mal­vern Close, Higher Crompton, in der Nähe von Oldham, Greater Man­chester. Der 58er Ford Classic in Blau vor der Tür. Die ganze Familie auf dem grünen Sofa, der Fern­seher mit seinen unscharfen Schwarz­weiß­bil­dern aus Wem­bley. Als George Best in der Ver­län­ge­rung nach feinem Dribb­ling zum 2:1 traf, jubelte sogar mein Vater.

Zwei Jahre später, im Sep­tember 1970, durfte ich das erste Mal zu einem Spiel ins Old Traf­ford. Mein Onkel und mein Groß­vater nahmen mich mit. Wir standen direkt an der Außen­linie, erste Reihe. Um uns herum wogten die Wellen und Gesänge der 50 000 Fans. Wir gewannen 2:0 gegen den FC Everton, Bobby Charlton traf, und natür­lich traf auch George Best.

Partys mit irgend­einer Miss World

Für Jugend­liche, die in den sech­ziger und sieb­ziger Jahren groß wurden, war Best die ideale Pro­jek­ti­ons­fläche. Er wirkte wild und unge­zähmt, ein wenig rebel­lisch auch. Er ließ sein Hemd aus der Hose hängen, wäh­rend andere es akkurat hin­ein­steckten. Er trug die neu­esten Hemden und Schuhe, er besuchte die ange­sagten Clubs der Stadt. Er ließ Trai­nings­ein­heiten sausen, weil er mit John Lennon, Paul McCartney oder irgend­einer Miss World gefeiert hatte. Aber Matt Busby stellte ihn trotzdem immer auf, denn er war der Beste.

Irgend­wann merkte ich, wie sich meine beiden Lei­den­schaften, Pop­musik und Fuß­ball, immer wieder streiften. Punk­bands bekannten sich zu ihren Klubs, die Cockney Rejects zu West Ham United oder Johnny Rotten zu Arsenal. Andere Bands nahmen später sogar tolle Fuß­ball­songs auf, wie etwa The Hit­chers aus Irland mit ihrem Song Stra­chan“. Und dann war da noch ein anderes großes Idol meiner Jugend: John Peel. Der bekannte Radio-DJ war Liver­pool-Fan und ließ das in seiner Sen­dung oft raus­hängen. Er benannte seine Kinder sogar nach großen Liver­pool-Spie­lern: Seine Tochter heißt Flo­rence Vic­toria Shankly, sein Sohn Thomas James Dalg­lish.

Als wir 1987 das Album George Best“ ver­öf­fent­lichten, ahnte ich schon, dass er irgendwie auf das Cover und den Titel reagieren würde. Er tat es schließ­lich, indem er den Titel zen­sierte. Zur Erklä­rung muss man wissen, dass damals keine Schimpf­wörter im Radio gebraucht werden durften. Wenn John Peel etwa Lieder aus Big Blacks Songs About Fucking“ spielte, sagte er: Der Titel des Albums lautet ›Songs About …‹, und den Rest könnt ihr euch denken.“

In diesem Stil kün­digte er auch uns an: Hier mal wieder eine Platte, die zwar gut klingt, aber deren Titel ich beim besten Willen nicht im Radio nennen kann.“ Und nach dem Song grum­melte er: Wenn man schon Alben nach alten Fuß­bal­lern benennt, warum nicht nach Stevie Heighway?“ Aber ganz ehr­lich: Stevie Heighway trug zwar einen schi­cken Moustache, aber wer war er gegen George Best? Gegen einen Mann, der mit seinem Pilz­kopf anfangs aussah wie der fünfte Beatle und später mit seinem Bart und den langen Haaren wie Che Gue­vara?

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Das Debüt­album von The Wed­ding Pre­sent erschien 1987, der NME“ packte es auf die Liste Die 500 besten Platten aller Zeiten“.

Ich mochte Best aber nicht nur für seine coole Art, ich liebte auch seine Art zu spielen. Zwei­fels­ohne waren Pelé oder Eusebio her­aus­ra­gende Spieler der Sech­ziger, aber Bests Spiel war unvor­her­seh­barer. Er war eine tickende Zeit­bombe, du wuss­test nie so recht, wann er auf dem Platz explo­diert. Du wusstet nur, dass er irgend­wann explo­diert. Auch des­wegen suchten wir nach einem Bild, das ihn im Man­chester-United-Trikot zeigt. Ein iko­no­gra­fi­sches, wür­de­volles und kraft­volles Bild. Unser Bas­sist Keith und ich fanden es schließ­lich in einem Sport­ar­chiv in Man­chester, wo wir stun­den­lang sämt­liche Best-Foto­gra­fien durch­ge­guckt hatten. Als wir dieses Bild erblickten, sagten wir fast zeit­gleich nichts weiter als: Das ist es!“

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Foto­shoo­ting mit George Best (Bild: David Gedge & Andrew Jezard)

Ein paar Wochen, bevor das Album erschien, hatte unser Mana­ger plötz­lich die Idee mit dem Foto­shoo­ting. Ich frage seinen Agenten an“, sagte er. Wir können die Bilder gut an die Presse geben.“ Ich wurde da schon ein wenig nervös und gab nur mein Okay, weil ich dachte, dass Best eh absagen würde. Aber es kam anders. Best fand Gefallen an der Idee, und dann stand er eines Tages im Foto­studio. Nach meinem Bier-Fauxpas über­nahm unser Gitar­rist Peter das Reden. Absur­der­weise ging es in ihrem Gespräch über­haupt nicht um Fuß­ball. Auch nicht um Musik. Ich glaube, Best hatte eh noch nie von uns gehört. Die beiden unter­hielten sich statt­dessen ange­regt übers Angeln, sie tauschten sich aus über Blinker und Ruten, ein totales Nerd-Gespräch. Ich schaute nur ver­stohlen von der Seite rüber, ein Fanboy, der ihn von all den großen Spielen kannte, der früher sein Poster an der Wand hängen hatte, und der ihm nun sprachlos gegen­über­stand.

Seitdem sind 30 Jahre ver­gangen. Ich finde, die Platte ist gut geal­tert. Trotzdem: Heute würde ich ein Album ver­mut­lich nicht mehr nach einem Fuß­ball­spieler benennen. Aber viel­leicht war es damals ein kluger Schachzug. Die Platte war zwar kein Best­seller, aber sie ver­kaufte sich durchaus ordent­lich, hielt sich lange in den Indie-Charts, und der NME“ packte sie auf seine Liste der 500 besten Platten aller Zeiten“. Außerdem konnten wir damals ein paar neue Fans gewinnen. Zumin­dest kauften einige Man­United-Fans die LP, ohne uns zu kennen. Sie dachten, es han­dele sich um ein Musik­album von George Best mit dem Titel The Wed­ding Pre­sent“.

Der Text stammt aus unserer Oktober-Aus­gabe 11FREUNDE #191. Erhält­lich am Kiosk oder bei uns im Shop. Digital im iTunes- sowie im Google-Play-Store. Wir prä­sen­tieren außerdem die Tour der Band:

22.10. Münster, Gleis 22
23.10. Bremen, Lager­haus
24.10. Ham­burg, Hafen­klang
27.10. Dresden, Scheune
28.10. Berlin, Kan­tine am Berg­hain
29.10. Frank­furt, Das Bett