Vor 30 Jahren nannte die Band The Wedding Present ihr Debütalbum nach George Best. Dafür lud sie den Fußballer zum Fotoshooting ein – und der kam sogar. Sänger David Gedge erinnert sich.
Ich war nervös. Verdammt nervös! Aber nun war es zu spät. Er stand bereits im Studio, gemeinsames Fotoshooting für unser Debütalbum, das wir nach ihm betitelt hatten. Er gab mir die Hand, „Hi, ich bin George“, und mir fiel nichts anderes ein außer: „Möchtest du ein Bier?“ Meine Bandkollegen schauten mich fassungslos an. Jeder in England wusste, dass Georgie gerade trocken war. Er hatte sogar Magenimplantate eingesetzt bekommen, die ihn bei Alkoholkonsum sofort erbrechen ließen. Auch ich wusste das eigentlich. Und was machte ich in der ganzen Aufregung? Fragte ihn nach einem Drink! Er reagierte zwar recht locker: „Nein, danke, ich bin gerade abstinent“, aber ich sagte danach nichts mehr. Es war mir einfach zu peinlich.
Ich wurde schon oft gefragt, warum wir damals, 1987, unser erstes Album überhaupt „George Best“ genannt haben. Warum wir dieses Foto von Best auf das Cover packten. Warum wir, eine Band aus Leeds, einem Spieler von Manchester United huldigten. Früher musste ich mich vor allem auf Konzerten in Leeds rechtfertigen. Zwar sind die Gigs in unserer Heimatstadt nicht unbedingt schlechter besucht, aber die Shirts mit dem George-Best-Motiv verkaufen sich dort bis heute eher mittelmäßig.
Ein Journalist des „New Musical Express“ hat mir nach der Veröffentlichung des Albums gesagt: „Ihr habt das aus Marketinggründen gemacht. Ihr wollt für ewig mit ihm assoziiert werden.“ Wenn ich ehrlich bin, traf er damit einen Punkt. Denn es stimmt: Als neue und recht unbekannte Band brauchten wir ein wenig Aufmerksamkeit. Aber vor allem wollten wir eine Verbindung zu Best herstellen, denn er war verdammt noch mal der coolste Fußballspieler der Welt. Er war der Held meiner Jugend.
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David Gedges Biografie erscheint seit 2012 in Form von Comic-Heften. Ausgabe 11 von „Tales from the Wedding Present“ widmet sich der Entstehung des Albums „George Best“.
Ich wurde 1960 in Leeds geboren, mein Vater und mein Bruder waren glühende Anhänger der „Peacocks“. Ich aber wurde ManUnited-Fan. Es war kein rebellischer Akt, glaube ich. Der Grund war eher, dass wir 1963 nach Manchester umzogen und alle meine Schulfreunde Manchester United unterstützten. Und dann kam dieser Abend im Mai 1968, Landesmeisterfinale zwischen Benfica und ManUnited. Es ist die stärkste Erinnerung aus meiner Jugend. Ich habe alles noch vor Augen: unsere Doppelhaushälfte in Malvern Close, Higher Crompton, in der Nähe von Oldham, Greater Manchester. Der 58er Ford Classic in Blau vor der Tür. Die ganze Familie auf dem grünen Sofa, der Fernseher mit seinen unscharfen Schwarzweißbildern aus Wembley. Als George Best in der Verlängerung nach feinem Dribbling zum 2:1 traf, jubelte sogar mein Vater.
Zwei Jahre später, im September 1970, durfte ich das erste Mal zu einem Spiel ins Old Trafford. Mein Onkel und mein Großvater nahmen mich mit. Wir standen direkt an der Außenlinie, erste Reihe. Um uns herum wogten die Wellen und Gesänge der 50 000 Fans. Wir gewannen 2:0 gegen den FC Everton, Bobby Charlton traf, und natürlich traf auch George Best.
Partys mit irgendeiner Miss World
Für Jugendliche, die in den sechziger und siebziger Jahren groß wurden, war Best die ideale Projektionsfläche. Er wirkte wild und ungezähmt, ein wenig rebellisch auch. Er ließ sein Hemd aus der Hose hängen, während andere es akkurat hineinsteckten. Er trug die neuesten Hemden und Schuhe, er besuchte die angesagten Clubs der Stadt. Er ließ Trainingseinheiten sausen, weil er mit John Lennon, Paul McCartney oder irgendeiner Miss World gefeiert hatte. Aber Matt Busby stellte ihn trotzdem immer auf, denn er war der Beste.
Irgendwann merkte ich, wie sich meine beiden Leidenschaften, Popmusik und Fußball, immer wieder streiften. Punkbands bekannten sich zu ihren Klubs, die Cockney Rejects zu West Ham United oder Johnny Rotten zu Arsenal. Andere Bands nahmen später sogar tolle Fußballsongs auf, wie etwa The Hitchers aus Irland mit ihrem Song „Strachan“. Und dann war da noch ein anderes großes Idol meiner Jugend: John Peel. Der bekannte Radio-DJ war Liverpool-Fan und ließ das in seiner Sendung oft raushängen. Er benannte seine Kinder sogar nach großen Liverpool-Spielern: Seine Tochter heißt Florence Victoria Shankly, sein Sohn Thomas James Dalglish.
Als wir 1987 das Album „George Best“ veröffentlichten, ahnte ich schon, dass er irgendwie auf das Cover und den Titel reagieren würde. Er tat es schließlich, indem er den Titel zensierte. Zur Erklärung muss man wissen, dass damals keine Schimpfwörter im Radio gebraucht werden durften. Wenn John Peel etwa Lieder aus Big Blacks „Songs About Fucking“ spielte, sagte er: „Der Titel des Albums lautet ›Songs About …‹, und den Rest könnt ihr euch denken.“
In diesem Stil kündigte er auch uns an: „Hier mal wieder eine Platte, die zwar gut klingt, aber deren Titel ich beim besten Willen nicht im Radio nennen kann.“ Und nach dem Song grummelte er: „Wenn man schon Alben nach alten Fußballern benennt, warum nicht nach Stevie Heighway?“ Aber ganz ehrlich: Stevie Heighway trug zwar einen schicken Moustache, aber wer war er gegen George Best? Gegen einen Mann, der mit seinem Pilzkopf anfangs aussah wie der fünfte Beatle und später mit seinem Bart und den langen Haaren wie Che Guevara?
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Das Debütalbum von The Wedding Present erschien 1987, der „NME“ packte es auf die Liste „Die 500 besten Platten aller Zeiten“.
Ich mochte Best aber nicht nur für seine coole Art, ich liebte auch seine Art zu spielen. Zweifelsohne waren Pelé oder Eusebio herausragende Spieler der Sechziger, aber Bests Spiel war unvorhersehbarer. Er war eine tickende Zeitbombe, du wusstest nie so recht, wann er auf dem Platz explodiert. Du wusstet nur, dass er irgendwann explodiert. Auch deswegen suchten wir nach einem Bild, das ihn im Manchester-United-Trikot zeigt. Ein ikonografisches, würdevolles und kraftvolles Bild. Unser Bassist Keith und ich fanden es schließlich in einem Sportarchiv in Manchester, wo wir stundenlang sämtliche Best-Fotografien durchgeguckt hatten. Als wir dieses Bild erblickten, sagten wir fast zeitgleich nichts weiter als: „Das ist es!“
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Fotoshooting mit George Best (Bild: David Gedge & Andrew Jezard)
Ein paar Wochen, bevor das Album erschien, hatte unser Manager plötzlich die Idee mit dem Fotoshooting. „Ich frage seinen Agenten an“, sagte er. „Wir können die Bilder gut an die Presse geben.“ Ich wurde da schon ein wenig nervös und gab nur mein Okay, weil ich dachte, dass Best eh absagen würde. Aber es kam anders. Best fand Gefallen an der Idee, und dann stand er eines Tages im Fotostudio. Nach meinem Bier-Fauxpas übernahm unser Gitarrist Peter das Reden. Absurderweise ging es in ihrem Gespräch überhaupt nicht um Fußball. Auch nicht um Musik. Ich glaube, Best hatte eh noch nie von uns gehört. Die beiden unterhielten sich stattdessen angeregt übers Angeln, sie tauschten sich aus über Blinker und Ruten, ein totales Nerd-Gespräch. Ich schaute nur verstohlen von der Seite rüber, ein Fanboy, der ihn von all den großen Spielen kannte, der früher sein Poster an der Wand hängen hatte, und der ihm nun sprachlos gegenüberstand.
Seitdem sind 30 Jahre vergangen. Ich finde, die Platte ist gut gealtert. Trotzdem: Heute würde ich ein Album vermutlich nicht mehr nach einem Fußballspieler benennen. Aber vielleicht war es damals ein kluger Schachzug. Die Platte war zwar kein Bestseller, aber sie verkaufte sich durchaus ordentlich, hielt sich lange in den Indie-Charts, und der „NME“ packte sie auf seine Liste der „500 besten Platten aller Zeiten“. Außerdem konnten wir damals ein paar neue Fans gewinnen. Zumindest kauften einige ManUnited-Fans die LP, ohne uns zu kennen. Sie dachten, es handele sich um ein Musikalbum von George Best mit dem Titel „The Wedding Present“.
Der Text stammt aus unserer Oktober-Ausgabe 11FREUNDE #191. Erhältlich am Kiosk oder bei uns im Shop. Digital im iTunes- sowie im Google-Play-Store. Wir präsentieren außerdem die Tour der Band:
22.10. Münster, Gleis 22
23.10. Bremen, Lagerhaus
24.10. Hamburg, Hafenklang
27.10. Dresden, Scheune
28.10. Berlin, Kantine am Berghain
29.10. Frankfurt, Das Bett