Sky macht den letzten Tag der Transferperiode zum Live-Spektakel nach englischem Vorbild. Kann das funktionieren? Eine Kritik.
Ein Countdown gibt die verbleibende Zeit bis zum Eintreten eines besonderen Ereignisses an. In der Regel zählen alle Anwesenden die letzten Sekunden gemeinsam herunter, um dann eine Rakete ins All zu schießen, ein Feuerwerk abzufeuern oder sich überschwänglich in die Arme zu fallen und zu gratulieren. Doch was, wenn mit dem Ablauf eines Countdown einfach nichts passiert? Wenn etwas zu Ende geht und die ganze Spannung verfliegt? Was kommt danach?
So geschehen beim feierlich auf Sky zelebrierten „Deadline Day“. Kurz vor Ablauf der Transferfrist mischte sich ein lauter werdendes Gemurmel in die Ausführungen der Experten, die letzten Momente gar Herzpochen, Nervenkitzel auf dem Höhepunkt und dann? 0:00:00. „Geschlossen“. Ein paar Schalten zu den Reportern in Wolfsburg, Gelsenkirchen, Dortmund, München et cetera. Wie sieht es vor Ort aus? Nun ja, Feuerwerke wurden keine gezündet.
Keiner rammt Klaus Allofs sein Mikrofon ins Autofenster
Dabei ist der Deadline Day – in England traditionell einen Tag später, am 1. September begangen – auf der Insel so etwas wie ein säkularer Feiertag. Fans tingeln zum Trainingsgelände ihres Vereins, um sich vor den Kameras der TV-Teams möglichst skurril in Szene zu setzen. Reporter fangen Spielerberater auf Landstraßen ab und auf Twitter trendet alles, was im gelben Inferno der Sky-Berichterstattung irgendwie von Relevanz sein könnte. Anlass genug für Bezahlsender Sky, das Spektakel auch in Deutschland zu etablieren.
Und daran krankte das Format. Da saßen sie, die Experten mit ihren gelben Krawatten respektive T‑Shirts und diskutierten. Schalteten nach Wolfsburg, wo der Außendienst-Reporter keineswegs vor einer wilden Meute in die Kamera winkender Jugendlicher stehend die heißesten Interna bezüglich des Draxler-Transfers verkündete. Oder einem in seiner Luxuslimousine vom Gelände fahrenden Klaus Allofs sein Mikrofon durchs Autofenster rammte. In Wolfsburg geht nun einmal eher ruhig zu.
So blieb im Sky-Studio, das im Design und mit den gelb uniformierten Mitarbeitern wirklich ein bisschen einer Raumfahrt-Kommandozentrale ähnelte, erstmal nur der Blick in die Social-Media-Kanäle. Die Community präsentierte Thesen der Stoßrichtung: „Schalke lässt Draxler gehen? #dumm“ und die Experten analysierten das, was eh jeder wusste. Dass Draxler sich auf Schalke zuletzt kaum weiterentwickelt habe. Dass ihm das ruhige Umfeld in Wolfsburg guttun werde. Und dass er bei den Königsblauen nur trotzdem nur schwer zu ersetzen sei.
Auch per Anruf hatten meinungsstarke, verstörte oder wütende Fans die Möglichkeit, ihrem Frust oder ihrer Freude Ausdruck zu verleihen oder Moderator Maik Nöcker und Ex-Profi Axel Kruse mit ihren Thesen zu konfrontieren. Das war manchmal kurios, als zum Beispiel ein Dortmund-Fan spekulierte, ob Götze vielleicht als Draxler-Ersatz nach Gelsenkirchen wechseln könnte. Manchmal aber auch, wie es sich für ein Call-In-Format gehört, ein wenig unangenehm, als etwa ein Anrufer aus London eine tiefschürfende Diskussion über Sinn und Unsinn der Financial-Fairplay-Regelung starten wollte und nur schwerlich vom TV-Duo abgewürgt werden könnte.
In den Nachwuchs investieren!
Als Erklärung für den ganzen Transfer-Irrsinn mussten dann die bekannten Feindbilder herhalten: Geldgierige Berater, Premier-League-Klubs mit Finanzspritzen aus den Taschen fieser Scheichs und Werkklubs, denen die Traditionsklubs einfach nicht die Stirn bieten können. Alles sicherlich kein kompletter Mumpitz, aber bei einem TV-Spektakel wie es der gelb ausstaffierte Deadline Day nun einmal ist, eben eher ein bisschen deplatzierte Analysen, die ähnlich vorgetragen beispielsweise im Doppelpass Woche für Woche durchgekaut werden.
So blieb auch den Premium-Experten Fredi Bobic („Das ist eine Win-Win-Situation für alle Beteiligten“) und Stefan Effenberg („Ich habe ja früher nicht so viel gekostet“) nicht viel anderes übrig, als zu fordern, dass die von der Insel in die Bundesliga geflossenen Millionen natürlich in den Nachwuchs und bloß in nicht teure Spieler aus dem Ausland investiert werden müssten. Um dann spätestens beim nächsten Deadline Day wieder den Countdown herunterticken zu lassen und in der erzeugten Torschlusspanik nach Wolfsburg zu schalten. Wo es, versprochen, wieder einigermaßen ruhig bleiben wird.