Die Copa America 2021 findet in Brasilien statt. Ausgerechnet in jenem Land, in dem die tödliche Pandemie von Regierungsseite zur Grippe erklärt wurde und noch immer fast ungehindert wüten darf.
Zuerst hatte Wladimir Putin die WM 2018 bekommen. Im gleichen Zug erhielten auch die Katarer ihre Weltturnier-Zusage für 2022. Gefolgt von Donald Trump für 2026. Da scheint es nur folgerichtig, dass auch Brasiliens demokratisch gewählter Despot Jair Bolsonaro „sein“ Turnier kriegt: Die Copa America 2021 (13. Juni bis 10. Juli) hatte ursprünglich in Kolumbien und Argentinien stattfinden sollen. Doch dann kam der tödliche Mai: In Kolumbiens Hauptstadt Bogota tobten blutige Straßenkämpfe zwischen politischen Demonstranten und der Polizei, Dutzende Menschen verloren ihr Leben. Und in Argentinien schossen die Corona-Zahlen erneut durch die Decke – auch die der Todesopfer. Das Land befand sich zuletzt im Lockdown. Der südamerikanische Kontinentalverband Conmebol musste handeln.
Nun also wird die „Copa“ in Brasilien stattfinden – dem größten Land Südameriks, das seit Anfang 2019 vom rechten Ex-Militär Bolsonaro regiert wird. Mit harter Hand. Und weitestgehend ohne Gewissen. Völlig unzureichende Corona-Maßnahmen, eine katastrophale medizinische Versorgung sowie eine Impfkampagne, die selbst im Vergleich mit Deutschland erschreckend langsam voranschreitet, haben die Entstehung der berüchtigten brasilianischen Virusvariante und ein wahres Massensterben begünstigt. Brasilien beklagt offiziell fast 17 Millionen Corona-Infizierte und weit über 460.000 Pandemie-Tote. Bis jetzt. Das sind fast 13 Prozent der weltweiten Corona-Opfer, dabei stellt das Land nicht mal drei Prozent der globalen Bevölkerung. In jüngster Zeit verzeichnete Brasilien teilweise fast 100.000 Neuinfektionen und mehr als 1.800 Tote – an einem Tag. Wobei die tatsächlichen Werte viel, viel höher liegen dürften.
Angesichts solch düsterer Zahlen liegt es nahe, dass der Populist Bolsonaro sich verrechnet haben dürfte. Anders als die WM-Zuschläge für Putin, Katar oder Trump dürfte die „Copa“ dem brasilianischen Regierungschef kaum politische Pluspunkte bescheren – im Gegenteil: In den sozialen Netzwerken tobt seit Tagen ein Shitstorm gegen die Austragung des Turniers inmitten einer nationalen Notlage. Der brasilianische Epidemiologe Pedro Hallal sieht darin gar „eine Verhöhnung der 460.000 Opfer der Pandemie“. Der brasilianische Senator Renan Calheiros appellierte an Superstar Neymar persönlich, die Copa America zu boykottieren: „Neymar, du solltest nicht damit einverstanden sein, dass dieses Turnier in Brasilien stattfindet. Es ist nicht dieser Wettbewerb, in dem wir uns messen sollten, sondern in dem des Impfens.“ Und tatsächlich berichten Medien, dass sich einige brasilianische Nationalspieler gegen eine Austragung des Turniers ausgesprochen hätten.
Auch die internationale Spielergewerkschaft Fifpro meldet „ernste Sorge“ an. Brasilien, so Fifpro, verzeichne eine „alarmierende Zahl an Covid-19-Fällen“, die „öffentliche Gesundheit und Sicherheit muss die oberste Priorität für die Fußballindustrie sein“. Übersetzt aus dem Diplomaten-Deutsch heißt dies: Der südamerikanische Kontinentalverband hätte die ursprünglich für 2020 angesetzte „Copa“ abermals absagen müssen. Auf unbestimmte Zeit. Denn ein Ende der Pandemie ist in Südamerika trotz teils beachtlicher Impfquoten kaum abzusehen.