In Dortmund wird gezaubert, in Augsburg geackert, in Bremen gekickboxt. Heute vorsichtshalber mit Mundschutz und Helm: Unsere 11 des Spieltags.
Marco Reus
Etwas mehr als eine Stunde war gespielt, da griff Kommentator Wolff Fuss ganz tief in die Superlativ-Kiste und ernannte Dortmunds Marco Reus zum derzeit besten deutschen Fußballer. Co-Kommentator Stefan Effenberg pflichtete bei und irgendwo in Herzogenaurach polierte Lothar Matthäus wahrscheinlich nostalgisch seine Weltfußballer-Pokale, um sich anschließend auf die Couch zu legen und „Auf der Suche nach der verlorenen Zeit“ zu lesen. Bei aller Vorsicht bezüglich Fuss’ Superlativ: Ganz an den Reusschen Gelhaaren herbeigezogen ist er nicht, denn der Dortmunder zauberte am Samstagabend in der Tat eine Vorstellung aufs Parkett, die aller Ehren wert war. Zunächst ließ er einen Querpass von Pierre-Emerick Aubameyang nonchalant durch die Beine passieren, sodass Robert Lewandowski entspannt zum 4:2 einnetzen konnte. Nur zwei Minuten später schob Reus die Murmel dem bedauernswerten Dennis Diekmeier durch die Beine ins lange Eck, mit einer derart lässigen Coolness, neben der selbst James Bond wie ein pickeliger Schuljunge aussieht. 6:2 stand es am Ende der Reus-Gala und ganz Dortmund fragte sich: Wer war noch gleich dieser Mario Götze?
Franco di Santo
Der „11FREUNDE- Roundhouse-Kick in Gold“ geht in dieser Woche an Bremens Neuzugang Franco di Santo, für ein Foul, das so schmutzig war, dass Charlotte Roche überlegt, ein Buch darüber zu schreiben. Di Santo setzte nämlich nach knapp einer halben Stunde zum Highkick an und trat Frankfurts Verteidiger Bastian Oczipka derart ins Gesicht, dass man meinen konnte, der Argentinier spreche für die Hauptrolle im Sequel zu „Bloodsport“ vor. Selbstverständlich sah Di Santo Rot und wird nun ein paar Wochenenden frei haben, um seinen Hobbys abseits des Fußballplatzes nachzugehen, die, wie wir mutmaßen, „Kung-Fu-Filme gucken“ oder „Tekken spielen“ heißen. Nicht vergessen wollen wir an dieser Stelle Di Santos Gegenspieler…
…Bastian Oczipka,
der nach dem Foul aussah, als habe er gerade eine ausgiebige Trainingseinheit an einem mit einer Bowlingkugel präparierten Kopfballpendel verbracht. Wie Frankfurts Linksverteidiger den schmerzhaften Tritt allerdings wegsteckte, war wirklich bewundernswert. Während der Spielunterbrechung ließ er sich die klaffende Wunde zwischen den Augen kurzerhand kleben, in der Halbzeit wurde er mit fünf Stichen genäht. Wenn die Frankfurter Ärzte ihn auch noch getacktert hätten, hätte ihn Matthias Sammer wahrscheinlich aus einem Gefühl der seelischen Verbundenheit spontan zu den Bayern geholt. Oczipka muss nun erstmal eine Weile pausieren. Allerdings nicht wegen der zentimetertiefen Stollenabdrücke, die ihm Di Santo auf die Stirn tätowierte, sondern wegen des Muskelfaserrisses, den er sich gegen Ende der Partie zuzog. Nicht ganz so Chuck-Norris-haft, tut aber sicherlich auch weh. Und ist vor allem eines: ziemlich ärgerlich.
Sven Ulreich
Ob Sven Ulreich bewusst war, dass Nationaltrainer Jogi Löw im Stadion ist, wissen wir nicht. Es könnte aber eine Erklärung dafür sein, dass aus Ulreich plötzlich ein krakenähnlicher Weltklassetorhüter mit 25 Armen wurde, der die gefühlten hundert Torschüsse der spielbestimmenden Hertha entschärfte und so den Sieg seines VfB festhielt. Denn während sich die Berliner am Stuttgarter Schlussmann aufrieben, hielt auf der anderen Seite Christian Gentner seinen Kopf in einen Eckball und prompt hatte Berlin verloren. Und alle Anwesenden im Stadion wussten, das allein Sven Ulreich dafür Verantwortlich war. Vielleicht ja auch Jogi Löw, wenn er nicht gerade seine Stefan-Kießling-Brille aufhatte.
Luiz Gustavo
Uns liegt Luiz Gustavos unlängst in Wolfsburg unterschriebener Vertrag leider nicht vor, aber wir mutmaßen, dass der Brasilianer beim VfL nur eine halbe Stelle hat. Anders ist nämlich die Taktung nicht zu erklären, mit der der Mittelfeldmann derzeit seiner Arbeit nachgeht: Spiel, Platzverweis, freies Wochenende, Spiel, Platzverweis, freies Wochenende. Nach seiner Gelb-Roten Karte vor zwei Spieltagen gegen Mainz sah Gustavo nun gegen Leverkusen erneut die Ampelkarte und darf kommenden Samstag wieder gemütlich die Beine hochlegen, während die Kollegen ihrer mühsamen Fußballarbeit nachgehen. Klingt nach entspannter Altersteilzeit.
Tobias Werner
Der FC Augsburg erinnert uns ein wenig an diese typischen Außenseitermannschaften aus den amerikanischen Underdog-Sportkomödien der Achtziger und Neunziger Jahre: Die Mannschaft wirkt zusammengewürfelt, niemand traut dem Team etwas zu aber irgendwann beginnen die Underdogs, zueinanderzufinden, entwickeln Teamgeist und erkämpfen sich den Erfolg. Fehlt nur noch die mit Achtziger-Mucke unterlegte humorige Collage aus Trainingssequenzen, in der man die Fortschritte des Teams sieht. Wobei man die Fortschritte der Augsburg Mighty Ducks, wie wir sie ab jetzt nennen, ja mittlerweile auch am Wochenende auf dem Platz bestaunen kann. Drei Spiele hintereinander hat der FCA nun gewonnen, Matchwinner am Samstag gegen Freiburg war Tobias Werner, der mit einem satten Schuss kurz vor Abpfiff eine schicke Schleife um die drei Punkte schnürte. Wenn das so weiter geht, holen die Augsburg Indians, wie wir sie alternativ nennen, am Ende gar den Stanley Cup oder vielleicht die World Series. Und verpflichten vielleicht Charly „Wild Thing“ Sheen als neuen Pitcher oder Emilio Estevez als Trainer. Darauf ein Saxophon-Solo.
Vaclav Kadlec
Herzlich Willkommen in der Bundesliga, Vaclav Kadlec. Nach seinem Debüttor gegen Dortmund legte Frankfurts Königstransfer nun gegen Bremen nach und schnürte bereits in der ersten Halbzeit einen Doppelpack. Die Weichen standen damit auf Sieg und auf der Bank dürfte sich Bruno Hübner den ein oder anderen anerkennenden Klaps auf die Schulter abgeholt haben, denn der Frankfurter Manager war es, der den Transfer über Monate verfolgt und schließlich realisiert hatte. Mühsame Verhandlungen mit Sparta Prag waren das, in denen es mehr Aufs und Abs gab als im Frankfurter Bahnhofsviertel. Sei’s drum, Kadlec ist da und Frankfurt hat endlich wieder einen Stürmer. Einer, von dem Trainer Armin Veh sagt, er könne ein außergewöhnlicher Spieler werden. Wir sind gespannt.
Aaron Hunt
Irgendwo auf dem Weg zum Elfmeterpunkt holte Aaron Hunt das schlechte Gewissen ein. Der Bremer hatte sich im Spiel gegen Frankfurt gerade einen Elfmeter ergaunert, mit einer Schwalbe, die derart offensichtlich war, dass wahrscheinlich irgendwo in Frankfurt Andreas Möller von der heimischen Couch aufstand um Dirk Schuster anzurufen und über die gute alte Zeit zu reden. Hunt wusste, dass es kein Elfmeter war. Die Mitspieler, Gegenspieler, Fans, Funktionäre, Würstchenverkäufer, Bierausschenker, der Stadion-DJ und auch der Hausmeister wussten es. Es war sogar so offensichtlich kein Elfmeter, dass selbst die Ordner, die mit dem Rücken zum Spielfeld standen, wussten, dass es kein Elfmeter war. Und doch hatte Schiri Brych auf den Punkt gezeigt. Aber noch war es für Hunt nicht zu spät, seinen Fehler wieder gutzumachen, also besann er sich seiner Gaunerei, verschoss den Elfmeter und der Gerechtigkeit war damit genüge getan. Vorbildlich. Fair geht vor, klar.
Sebastian Prödl
Ein großer Dichter und Denker unseres Landes, Andreas Brehme, sagte einst „Haste Scheiße am Fuß, haste Scheiße am Fuß“ – Eine Weisheit, die so plump, so zutreffend und von so ewiger Schönheit ist, das Brehme vielleicht darüber nachdenken sollte, beruflich Glückskeksprüche zu schreiben. Seit dem Wochenende dürfte Brehmes Bonmot nun auch Bremens Verteidiger Sebastian Prödl bekannt sein. Nachdem seine Mannschaft bereits 0:2 zurücklag, eine Rote Karte gesehen und auch noch einen Elfmeter vergeben hatte, fand eine Hereingabe der Frankfurter den Weg in Bremens Strafraum, die Prödl aus wenigen Metern kompromisslos ins eigene Netz prödelte. Das sah wirklich mehr als unglücklich aus und besiegelte die Niederlage endgültig. Ein gebrauchter Tag für Bremen, ein gebrauchter Tag für Prödl. Tja, haste Scheiße am Fuß…
Kevin Volland
Bereits vor drei Wochen war Hoffenheims Kevin Volland Gast in unserer Liste, als er im Spiel gegen Freiburg mit einen wunderschönen Heber von der Strafraumgrenze traf. Nach einem kleinen Hänger gegen Stuttgart machte Volland an diesem Wochenende genau da weiter, wo er aufgehört hatte: beim Traumtore schießen. Und uns beschleicht so langsam das Gefühl, dass der Stürmer noch des Öfteren in unserer 11 zu finden sein wird. Zu Beginn des Spiels gegen Gladbach ging der Welt tragischerweise noch ein mögliches Tor des Monats verloren, als Vollands Schlenzer aus der Drehung nur am Lattenkreuz landete. In der zweiten Hälfte machte es der Bayer dann besser, natzte seinen Gegenspieler mit einem Hackentrick und verwandelte ins lange Eck. Wunderschön anzuschauen und höchstwahrscheinlich nicht das letzte Traumtor Vollands.
Branimir Hrgota
Wenn wir an dieser Stelle schon von besonderen Toren reden, sei der Fairness halber auch Gladbachs Branimir Hrgota erwähnt, denn sein Tor zum 1:2 war ebenfalls eines aus dem oberen Regalboden im Feinkostladen. Irgendwie, zumindest. Vor allem zeigte uns sein Treffer, dass Kreisliga- und Weltklasseniveau mitunter fröhlich Hand in Hand gehen. Denn zu Beginn seines Solos stolperte Hrgota ungelenk an den ersten Gegenspielern vorbei und es hätte nicht verwundert, wenn er slapstickartig auf die Nase gefallen wäre. Dann aber fand er sein Gleichgewicht wieder, bewegte sich plötzlich elegant wie eine Katze, düpierte noch zwei Gegenspieler und schob überlegt ins lange Eck ein. Ein hässlich schönes, ungelenk elegantes Traum-Stümpertor. Was es nicht alles gibt.