Seit Mittwoch herrscht traurige Gewissheit: Rot-Weiß Erfurt muss aufgrund seiner Insolvenz den Spielbetrieb einstellen. Wie konnte es nur so weit kommen? Eine Chronik.
Seit zwei Jahren erlebt Rot-Weiß Erfurt eine wilde finanzielle Achterbahnfahrt. Bereits im Januar 2018 vermeldete der damalige Drittligist, dass eine „geregelte Insolvenz“ eingeleitet werden müsse. Nach vielen hoffnungsvollen Versuchen, bitteren Rückschlägen und jahrelangem Ringen um finanzielle und sportliche Stabilität verkündete der Vereein nun, dass die Verhandlungen mit einem möglichen neuen Investor gescheitert seien. Damit steht RWE seit Mittwoch als erster Absteiger in die Oberliga fest. Doch das Elend hat sich schon viel länger angebahnt.
Bereits seit Ende 2017 droht dem Verein das Ende. Die im Januar 2018 beantragte Insolvenz besiegelt den Abstieg der Thüringer in die Regionalliga. Aufgrund des Insolvenzverfahrens in der darauffolgenden Saison 2018/19 zahlt der Verein mindestens acht Profis weniger Gehalt als vertraglich vereinbart – ohne die Spieler zuvor über diese Auflage aus dem Insolvenzverfahren zu informieren.
Zu Beginn des letzten Jahres gibt es neue Hoffnung für den Verein: Ein Masse-Darlehen der Volksbank Rudolstadt soll für die Rettung sorgen. „Damit ist diese Saison finanziell abgesichert und wir können die Ausgliederung vorantreiben“, verkündet Insolvenzverwalter Volker Reinhardt. Die Ausgliederung der Profimannschaft inklusive der U19 erfolgt zu Beginn der laufenden Saison. Drei Geldgeber für die neu gegründete FC Rot-Weiß Erfurt Fußball GmbH sollen helfen, die finanziellen Probleme hinter sich zu lassen. Doch nur drei Monate nachdem auch der Regionalligist SG Wattenscheid 09 den Spielbetrieb nach erfolgloser Sponsorensuche einstellen muss, rutschen auch die Erfurter aufgrund fehlender Gelder wieder in die Krise.
Damit sind die Thüringer fast so etwas wie die SG Wattenscheid des Ostens. In der erneuten Notlage beginnen die Schuldzuweisungen. „Die Gehälter können nicht gezahlt werden, weil der Hauptinvestor (Andreas Scheibe, d. Red.) dies verhindert“, beteuert Reinhardt. Scheibe indes weist die Behauptung prompt zurück. „Ein Zugriff oder Blockade der eingezahlten Gelder ist seitens der Investoren zu keinem Zeitpunkt möglich gewesen.“
Volker Reinhardt gibt bekannt, dass die Profimannschaft aufgelöst werde, sollte bis Sonntag kein neuer Sponsor gefunden sein. Auch die Stadt Erfurt ist nicht bereit, dem Verein weiter zu helfen. Andreas Bausewein, Oberbürgermeister von Erfurt sagt: „Ich bin fassungslos, wir haben in den letzten Monaten und Jahren das geleistet, was zu leisten war und mehr wird an dieser Stelle nicht gehen.“
Am Montag dann die erneute Kehrtwende, die in Erfurt abermals für Hoffnung sorgt: Reinhardt verkündet, dass der Klub zum Wochenstart doch nicht vom Spielbetrieb abgemeldet werde. Es gebe noch Verhandlungen mit einem möglichen Sponsor. Doch ein Teil der Spieler hat die Geduld bereits verloren. Einige haben ihren Spind bereits ausgeräumt. Mittelfeldspieler Rico Gladrow wechselt zum Ligakonkurrenten Energie Cottbus, Morten Rüdiger zum VfB Lübeck, Selim Aydemir zieht es in die Türkei zum Zweitligisten Ekol Göz Menemenspor und Kapitän Lukas Novy kehrt zurück in seine tschechische Heimat.
Auch am Dienstag kann der Verein noch keine endgültige Entscheidung vermelden. „Wir sind auf Abruf, wenn sicher feststeht, dass wir bis zum Saisonende spielen können und bis zum Schluss unser Gehalt gezahlt wird, dann trainieren wir sofort wieder“, erklärt RWE-Trainer Robin Krüger.
Um 15 Uhr teilt Reinhardt der Mannschaft im Steigerwaldstadion mit, dass die Verhandlungen mit möglichen Investoren erfolglos verlaufen seien und Rot-Weiß Erfurt daher den Spielbetrieb in der Regionalliga einstellen muss. Damit steht der Traditionsklub als erster Absteiger aus der Regionalliga Nordost fest. Die Erfurter Fans reagieren niederschlagen, einige von ihnen wollen sich am Samstag, wenn ihre Mannschaft eigentlich gegen Energie Cottbus spielen sollte, vor dem Stadion auf ein Trauerbier treffen. Viele schreiben jedoch auch: „Lieber ein Ende mit Schrecken, als ein Schrecken ohne Ende.“