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Seite 2: „Ein Abenteuer, das einen ganzen Kontinent staunen lässt“

In der ersten Serie-A-Saison wird Cha­pe­coense 15., in der zweiten schafft es das Team auf Rang 14. Keine her­aus­ra­genden Plat­zie­rungen, in Bra­si­lien aber rei­chen sie aus, um sich für die Copa Suda­me­ri­cana zu qua­li­fi­zieren, den zweit­wich­tigsten Kon­ti­nen­tal­wett­be­werb Süd­ame­rikas. Und dort wächst die Mann­schaft über sich hinaus. 2015 schei­tert das Team knapp im Vier­tel­fi­nale am ruhm­rei­chen River Plate. In diesem Jahr erreicht Cha­pe­coense das End­spiel. Eine Sen­sa­tion, ein Wunder. Ein Aben­teuer, das einen ganzen Kon­ti­nent staunen lässt“, schreibt der süd­ame­ri­ka­ni­sche Fuß­ball­ver­band Con­mebol auf seiner Home­page. Es ist so, als würde Darm­stadt 98 das Finale der Europa League errei­chen.

Was wäre gewesen, wenn…

Dabei ist Cha­pe­coense seinen Geg­nern spie­le­risch oft unter­legen, aber man kennt ja die Geschichte vom Pokal und seinen eigenen Gesetzen. Im Ach­tel­fi­nale kämpft sich die Mann­schaft durch zwei 0:0‑Unentschieden gegen den ehe­ma­ligen Welt­po­kal­sieger CA Inde­pen­di­ente aus Argen­ti­nien ins Elf­me­ter­schießen. Dort gewinnen die Bra­si­lianer 5:4. Im Halb­fi­nale wartet der CA San Lorenzo, zwölf­fa­cher Meister CA San Lorenzo, zwölf­fa­cher Meister Argen­ti­niens und Copa-Libert­adores-Gewinner von 2014. Wieder: großes Drama, große Gefühle. Nach einem 1:1 reicht Cha­pe­coense ein 0:0 im Rück­spiel – und genau dieses Ergebnis zeigt die Anzei­ge­tafel in der hei­mi­schen Conda Arena kurz vor Spie­lende an. Aber dann! Eine Flanke segelt in Chapes Straf­raum. San Lorenzos Marco Ange­leri kommt an den Ball. Alleine. Ein­schuss­be­reit. Fünf Meter vor dem Tor. War es das? Nein. Danilo, der Tor­hüter, der Teu­fels­kerl, zuckt und wehrt den Ball mit einem Fuß­re­flex ab. ESPN schreibt danach von dem größten Herz­still­stand-Moment“, den die Zuschauer je in der Arena erlebt haben.

Oft fragen sich Fans nach Jahren noch, wie ihr Verein heute dastehen würde, wenn dieser oder jener Stürmer damals in Bochum, Ham­burg oder Bar­ce­lona den Ball in der letzten Minute nicht an den Pfosten gesetzt hätte. Im Fall von Cha­pe­coense wiegt diese Frage heute ton­nen­schwer. Wie hätte sich die Geschichte ver­än­dert, wenn Ange­leri nur ein paar Zen­ti­meter weiter nach links oder rechts geschossen hätte? Seine Mutter sagt später: Wenn Danilo den Ball nicht gehalten hätte, wäre seine Kar­riere vorbei gewesen. Aber die Kar­riere war sein Leben. Er hat mit der Parade seine Kar­riere ver­tei­digt.“

Wir alle zusammen werden unser Leben geben für das Finale“

Nach dem Abpfiff besingen die Fans Danilo als Hei­ligen. Dann tritt der Tor­hüter vor die Mikro­fone und sagt: Wir alle zusammen werden unser Leben geben für das Finale.“ Und Trainer Caio Junior ergänzt: Wenn ich heute sterben würde, wäre ich ein glück­li­cher Mensch.“

In Süd­ame­rika haben die meisten Men­schen keine Scheu vor großem Pathos und bedeu­tungs­schwan­geren Meta­phern. Gott, Liebe, Krieg, Tod – nichts scheint zu gewaltig, um eine Sache zu beschreiben, auch wenn es nur um ein Fuß­ball­spiel geht. Das sollte man wissen, wenn man die Sätze von Caio Junior oder Danilo zitiert. Und den­noch bleiben sie aus heu­tiger Sicht im Hals ste­cken. Dabei ging es den beiden vor allem darum, den Zusam­men­halt im Team zu ver­bild­li­chen, dieses alte Elf-Freunde- und Alle-für-einen-Romantik zu beschwören. Wer wissen möchte, wie diese Gemein­schaft aussah, kann sich im Internet etwa alte Videos aus der Cha­pe­coense-Kabine anschauen. Die Spieler nach dem Halb­fi­nale gegen San Lorenzo, sin­gend, tan­zend, minu­ten­lang trom­meln sie auf die Spinde. Da ist wieder Danilo, der Hei­lige.

Und Bruno Rangel, der Fan-Lieb­ling, der Stürmer, der in 144 Spielen für Cha­pe­coense 77 Tore schoss. Und natür­lich Cleber San­tana, 35, Kapitän der Mann­schaft, der zwi­schen 2007 und 2010 sogar für Atle­tico Madrid und RCD Mal­lorca spielte. Das Finale sollte das letzte große Spiel seiner Kar­riere sein.

Warum macht der Pilot keine Zwi­schen­lan­dung in Bogota?

Nor­ma­ler­weise dauert die Aus­wer­tung eines Flug­zeug­un­glücks Wochen, manchmal sogar Monate oder Jahre. Im Fall des Fluges 2933 ist die Sache schon nach wenigen Tagen klar. Alles beginnt damit, dass die Ver­eins­füh­rung von Cha­pe­coense einen Char­ter­flug bei der boli­via­ni­schen Flug­ge­sell­schaft LaMia bucht. Die Maschine soll Spieler, Trainer, Funk­tio­näre und Jour­na­listen aus Santa Cruz ins 2940 Kilo­meter ent­fernte Medellin bringen, wo das Final-Hin­spiel der Copa Suda­me­rica gegen die Kolum­bianer von Atle­tico Nacional ange­setzt ist. Voll­ge­tankt kann der Flieger von LaMia eine Strecke von 2963 Kilo­me­tern zurück­legen. Unter besten Wet­ter­vor­aus­set­zungen, mit idealer Flug­linie und ohne War­te­schleifen hätte das Flug­zeug sein Ziel also erreicht – und sogar 23 wei­tere Kilo­meter Puffer gehabt. Aber wer rechnet so? Süd­ame­ri­ka­ni­sche Behörden for­dern einen Reser­ve­tank, der für 45 wei­tere Minuten aus­reicht. Das heißt: Eine Zwi­schen­lan­dung wäre drin­gend not­wendig gewesen, und sie soll im boli­via­ni­schen Cobija auch ein­ge­plant gewesen sein. Weil der Flieger aber ver­spätet in Santa Cruz startet und der Flug­hafen von Cobija nachts geschlossen ist, muss der Tank­stopp dort aus­fallen. Bleibt die Frage, warum die Maschine nicht, wie emp­fohlen, in Bogota zwi­schen­landet.

Eine Ant­wort darauf könnte der 36-jäh­rige Qui­roga lie­fern. Der ehe­ma­lige Offi­zier der boli­via­ni­schen Luft­waffe ist nicht nur Pilot der Maschine, son­dern auch einer der Eigen­tümer von LaMia, was unüb­lich ist, aber offenbar nie­manden stört. Die simple und erschre­ckende Erklä­rung lautet also: Qui­roga ver­sucht, Medellin im Direkt­flug zu errei­chen. Er will Geld sparen und ris­kiert damit sein Leben und das von anderen.

Nach dem Unglück kommen aber noch wei­tere bri­sante Details über die Flug­ge­sell­schaft LaMia ans Licht. Auf ihrer Home­page wirbt die Firma etwa mit drei Flug­zeugen, von denen zwei aber seit Monaten gewartet werden. Außerdem soll sie bekannt dafür gewesen sein, süd­ame­ri­ka­ni­sche Fuß­ball­mann­schaften zu trans­por­tieren und dabei mit spitzem Blei­stift zu kal­ku­lieren. 18 Tage zuvor fliegt die argen­ti­ni­sche Natio­nalelf um Lionel Messi mit exakt der­selben LaMia-Maschine nach Kolum­bien. Es geht zwar alles glatt, aus den Daten von Fligh­t­Radar 24h geht aller­dings hervor, dass die Maschine nach der Lan­dung für gerade mal 18 wei­tere Flug­mi­nuten Treib­stoff gehabt hätte. Mitt­ler­weile hat die boli­via­ni­sche Regie­rung der Air­line die Lizenz ent­zogen und den Chef der Firma ver­haftet.