Kommende Woche startet die neue Bundesligasaison. In manchen Stadien mit – und in anderen ohne Zuschauer. Eine schlechte Idee, findet der ehemalige DFL-Geschäftsführer Andreas Rettig.
Andreas Rettig war bis zum Oktober 2019 Geschäftsführer beim FC St. Pauli, zuvor war er unter anderem Geschäftsführer der DFL. Hier schreibt er als Gastautor.
Nächste Woche beginnt die 58. Bundesliga Saison, die erste vermutlich ganzjährige unter Corona-Bedingungen. Alle Branchen, die ihr Geld mit und durch Publikum verdienen, sind besonders stark betroffen und greifen nach jedem Strohhalm, der ihnen die Existenz sichert. Kreative Formate sollen die Not vorübergehend lindern.
Auch der Profifußball hat in der abgelaufenen Spielzeit durch ein beispielgebendes Hygienekonzept dem Zuschauersport Fußball zumindest die medialen Vermarktungserlöse gesichert, auch ohne Zuschauer in den Stadien. Nun hat RasenBall Leipzig von den örtlichen Behörden eine Genehmigung zur Austragung des ersten Ligaspiels gegen Mainz erhalten und darf 8500 Zuschauern im 43000 Zuschauer fassenden Stadion den Eintritt gewähren. Auch andere Klubs, etwa Union Berlin, streben einen Start vor Zuschauern an. Ich halte den eingeschlagenen Weg, trotz Sympathie für den Föderalismus mit dezentralen individuellen Lösungen, hinsichtlich der im scharfen Wettbewerb miteinander stehenden Klubs, für falsch. In diesem auf Verdrängung ausgerichteten Wettstreit wird auf allen Ebenen mit harten Bandagen um jeden Vorteil für den eigenen Klub gerungen.
So sind auch die aktuellen Pro-domo-Einlassungen verschiedener Klubvertreter einzuordnen, je nach klubbezogener Betroffenheit. Bundesligaspiele, so sagt es der Name bereits, sind Bundesspiele, in denen überall die gleichen Rahmenbedingungen herrschen sollten. Der Einwand, dass es doch bereits durch unterschiedliche Stadiongrößen nicht zu gleichen Bedingungen kommt, verfängt nicht, da jeder Klub ja die Möglichkeit hätte, ebenfalls das Stadion zu vergrößern. Das würde er auch tun, wenn seine Anziehungskraft das hergäbe. Tut es aber nicht bei vielen Klubs mit kleinen Stadien. Sich über eine behördliche Auflage hinwegzusetzen liegt jedoch nicht in der Macht des einzelnen Klubs.
Den Leipziger Weg als Blaupause für kulturelle Veranstaltungen bei einer möglichen erfolgreichen Umsetzung zu deklarieren ist aufgrund nicht vergleichbarer Rahmenbedingungen (geschlossene Räume) wenig zielführend. Auch wenn alle ihre Anstrengungen für den Gesundheitsschutz betonen, wird die angestrebte Rückkehr zur Normalität und Existenzsicherung hart. Im Fußball stehen die durchgeführten Spiele aber in einem direkten Zusammenhang. Daher ist bei der Abwägung im Hinblick auf die Zulassung der Zuschauer Fair Play und Integrität des Wettbewerbs als zusätzliche Entscheidungskomponente zu berücksichtigen. Man stelle sich am Ende der Saison ein Relegations-Hinspiel als Geisterspiel in NRW vor – und das Rückspiel in Sachsen vor ausverkauftem Haus. Der Aufschrei wäre zu Recht groß. Hier kann sich die DFL als spielleitende und gleiche Wettbewerbsbedingungen schaffende Dachorganisation nicht hinter den lokalen Behörden verstecken, die völlig zu Recht die alleinige Entscheidungskompetenz auf Basis des regionalen Infektionsgeschehens haben.