Der Hamburger SV verpasst nach einer eklatant schwachen Rückrunde den direkten Wiederaufstieg. Und damit die einmalige Gelegenheit, sich von Grund auf zu erneuern.
Obwohl die Ergebnisse mehr und mehr zu Wünschen übrig ließen, hielt Wolf weitgehend an seiner verjüngten Stammelf fest. Dass ein HSV-Trainer in einer sich verschärfenden Drucksituation diesen Mut aufbringt, verdient Respekt. Offenbar war der Coach bis zum Schluss überzeugt, dass seine Männer ihm das Vertrauen im entscheidenden Augenblick schon zurückzahlen. Anders ist die rigorose Suspendierung des Routiniers Holtby vor dem Match gegen den 1. FC Union nicht zu erklären.
Doch die Profis konnten die Hoffnungen ihres Trainer nicht erfüllen. In letzter Konsequenz fehlte es den einen an Kaltschnäuzigkeit und anderen schlicht an fußballerischer Qualität. Der HSV spielte im Aufstiegskampf über weite Strecken wie ein überforderter Zweitligist im Tabellenniemandsland. Selbst bei den 6‑Punkte-Spielen gegen Union und in Paderborn blieb die Elf der ängstliche Sparringspartner, der sich ohne Inspiration und Willen in sein Schicksal fügte.
Generell habe er Lust darauf, als Trainer zu arbeiten, antwortete Hannes Wolf nach den gestrigen Niederlage auf die Frage, wie er sich seine Zukunft in Hamburg vorstelle. Zuletzt wurde dem Coach vom Verein wiederholt die Jobgarantie ausgesprochen, auch mit dem Argument, man könne beim HSV doch nicht nach jedem Misserfolg den Übungsleiter demissionieren. Da lässt sich den Bossen ausnahmsweise nicht widersprechen. Allerdings war es auch die Entscheidung des Vorstands, im Herbst Christian Titz durch Wolf zu ersetzen.
Ein Pflaster reicht nicht mehr
Nach einem 0:0 am 10. Spieltag gegen den VfL Bochum musste der aufgestiegene U21-Trainer gehen. Der HSV lag damals mit zwei Punkten Rückstand auf die Tabellenspitze auf Platz 5. Titz hatte zu vielen jungen Spielern im Kader einen engen Draht. Niemand konnte so Recht verstehen, warum er gehen musste. Aus dem internen Zirkel war zu hören, der Coach habe manchen Youngster mit seinem anspruchsvollen Systemfußball überfordert – und damit das Aufstiegsziel gefährdet. Möglicherweise war auch die mitunter leicht nerdige Verve, mit der Titz für seine Spielphilosophie eintrat, einigen in der Chefetage ein Dorn im Auge.
Sei’s drum! Die Bosse waren offenbar sicher, dass ein Wiederaufstieg und die Erneuerung des HSV unter Wolf besser zu bewerkstelligen sei. Verantwortungsbewusst wäre es nun also, wenn sich angesichts der misslichen Lage nicht nur der Trainer rechtfertigen müsse. Auch Bernd Hoffmann und Ralf Becker sollten erklären, wie sie sich ihre Zukunft an der Elbe vorstellen. Und warum Hannes Wolf – sollte er schlussendlich als Bauernopfer herhalten – lange Zeit die Ideallösung war und nun doch gehen soll. Nach 33 Spieltagen liegt der HSV neun Punkte hinter der Tabellenspitze. Nur fünf Klubs haben weniger Tore in der zweiten Liga erzielt. Zwei davon stehen bereits eine Woche vor dem Saisonende als Absteiger fest.
Zahlen, die auf ernüchternde Weise Zeugnis davon ablegen, dass es der HSV verpasst hat, eine neue Euphorie zu entfachen. Der Verein hat es nicht geschafft, seinen Kummer gewohnten Anhang für die vielen Jahren des Niedergangs zu entschädigen. Ein Pflaster wird nicht mehr reichen, um dem Dino wieder neues Leben einzuhauchen.