Seit der neuen Saison gibt es im Celtic Park etwas, wovon Fans in ganz Großbritannien träumen: Stehplätze. Die Mehrzahl der Klubs in England und Wales würde gerne mitziehen – doch noch steht ihnen das Gesetz im Weg.
Auf dem Podest vor den Blöcken 110 und 111 stehen die Capos der „Green Brigade“. Mit dem Rücken zum Spielfeld schmettern sie durch Megafone Kommandos in die Menschenmenge vor ihnen, stimmen einen Gesang nach dem anderen an, animieren die Fans zum singen und klatschen. Rechts neben ihnen drischt ein Trommler im schwarzen Kapuzenpullover beidhändig auf sein Instrument ein. Das Orchester: eine Meute in Grün und Weiß, etliche Fahnen, Doppelhalter, Transparente. Sie singen, sie klatschen, sie hüpfen – und sie stehen. Und das alles tun sie, ohne dass sie von Ordnern zur Mäßigung ermahnt werden. Eine Freiheit, die in Großbritanniens Spitzenfußball nur die Fans von Celtic Glasgow genießen.
Immerhin knapp 3000 Stehplätze
Und auch das erst seit kurzer Zeit: Seit Beginn der gerade gestarteten Saison 2016/17 gibt es im Celtic Park ein Areal mit 2.975 Stehplätzen; im Unterrang der Kurve zwischen North Stand und East Stand. Die eingangs beschriebene Szene ist in einem Handyvideo zu sehen, das während eines Testspiels gegen den VfL Wolfsburg vor der Saison aufgenommen wurde – auf Youtube wurde es mehr als 35.000 Mal angesehen. Weniger als 3.000 Stehplätze, das ist zwar mickrig im Vergleich mit deutschen Stadien – auf der Dortmunder Südtribüne stehen bei Heimspielen des BVB 25.000 Fans. Aber es ist ein Anfang. Denn seit Beginn der 90er-Jahre ist in britischen Fußballstadien der ersten beiden Ligen das Stehen verboten – eine Reaktion der damaligen Thatcher-Regierung auf das Desaster von Hillsborough im Jahr 1989. Damals starben bei einer Massenpanik im Stadion 96 Menschen, mehr als 700 wurden verletzt.
Das Verbot von Stehplätzen hatte zur Folge, dass die britische Fankultur, die einst der Traum von Fußballanhängern in ganz Europa war, in einen Dornröschenschlaf fiel. Aktiver Support wurde zur Seltenheit, über die Jahre wurden Fans zu Zuschauern. Auch begünstigte es den Anstieg der Ticketpreise, da die Klubs plötzlich nur noch ein Produkt anzubieten hatten: Sitzplätze. Und wie hätte man es den Fans erklären sollen, dass Sitze an der einen Stelle im Stadion erheblich günstiger verkauft werden als an einer anderen – so, wie es zuvor mit den Stehplätzen war? Angesichts dieser Entwicklungen gab es seither zwar vereinzelt Bemühungen vonseiten organisierter Fans, die Stehplätze wieder zurück zu holen. Bloß erhört wurden sie nicht.
Sicheres Stehen
Celtic Glasgow bringt jetzt neuen Schwung in die Debatte. Zum Hintergrund: Schottland war durch das Gesetz nie dazu verpflichtet, sich an das in England und Wales geltende Verbot von Stehplätzen zu halten. Der schottische Verband hatte sich freiwillig dafür entschieden, es auch im eigenen Land umzusetzen. Doch im Dezember 2011 wurde es den schottischen Profiklubs von Verbandsseite schließlich freigestellt, nach Erlaubnis der jeweiligen Kommunen das sogenannte „Safe Standing“ in ihren Stadien zu installieren: Stehplätze, die in jeder Reihe – mindestens alle zwei Reihen – durch Wellenbrecher gesichert sind. An denen sind wiederum Klappsitze montiert, die bei Ligaspielen hochgeklappt bleiben, um Platz zum Stehen zu gewährleisten, bei internationalen Spielen unter dem Mantel der UEFA oder FIFA aber mit wenigen Handgriffen zu Sitzplätzen umfunktioniert werden können. In der Bundesliga wird dieses Modell in mehreren Stadien angewendet. Und auch in England und Wales interessierten sich laut einer Umfrage der „Daily Mail“ aus dem Jahr 2013 19 von 20 Premier-League-Klubs dafür. Ein Wert, der mit Vorsicht zu zitieren ist, denn eine offizielle Anfrage hat bislang noch kein einziger Klub eingereicht.