Petr Cech, eigentlich schon im Ruhestand befindlicher Torhüter, wurde für die Premier-League-Kaderliste des FC Chelsea nominiert. Grund genug, um seine bisherige Karriere Revue passieren zu lassen.
Petr Cechs Profikarriere beginnt beim damaligen tschechischen Erstligisten FK Chmel Blsany. Dort darf er im UI-Cup – möge er in Frieden ruhen – auch erstmals Erfahrung im europäischen Fußball sammeln. Die Gegner hießen Dnepr Mogilev, PS Kalamata und Sigma Olomouc. Klar.
Nach zwei Jahren in Blsany wechselt Petr Cech zum tschechischen Rekordmeister Sparta Prag. Dort feiert der 19-jährige Keeper sein Champions-League-Debüt, muss dabei aber mit einem Torwarttrikot aus der FIFA-2001-Sonderkollektion (ohne Wappen) auflaufen.
Erster Gegner in der Königsklasse: Der FC Bayern München, damals wie heute frisch gebackener Champions-League-Sieger. Carsten Jancker kann es nicht fassen, das der junge Torhüter beim 0:0 im spärlich gefüllten Olympiastadion nicht zu überwinden ist.
Von 2002 bis 2004 spielt Cech für die französische Talenteschmiede Stade Rennes auf Zeit (für den Transfer zu Arsenal fehlten damals noch die Arbeitspapiere). Statt Champions-League-Fußball wartet dort der Abstiegskampf in der Ligue 1. Grund zu lachen gibt es für Cedric Barbosa (l.) und den Torwart trotzdem.
Na, ist das ein junger, tschechischer Nationaltorhüter oder doch der neue Hauptdarsteller der ARD-Nachmittagstelenovela? Potenzial hat Petr Cech im Jahr 2002 auf jeden Fall für beides.
Auch beim Nationalteam fallen die Leistungen des jungen Torhüters auf. Als Petr Cech seine ersten Länderspiele absolviert, ist Tschechien ein gar nicht so geheimer Geheimfavorit für die kommenden Turniere.
Wer sticht wen: Die goldene Generation eines Landes um Petr Cech, Pavel Nedved, Thomas Rosicky und Jan Koller oder ein kopfballstarker, griechischer Innenverteidiger namens Traianos Dellas? Die ziemlich überraschende Antwort im Halbfinale der Europameisterschaft 2004: Letzterer.
Bei der WM in Deutschland läuft es für Tschechien noch schlechter: Die Niederlagen gegen Ghana und Italien besiegeln das Ausscheiden in der Vorrunde. Es ist die erste und letzte Weltmeisterschaft für Petr Cech.
22 Jahre alt, tschechischer Nationalspieler und soeben von einem sehr reichen und ambitionierten Traditionsklub in England als Stammtorwart verpflichtet: Petr Cech ist milde beeindruckt von seinem neuen Arbeitsplatz, den er nach der EM 2004 bei Chelsea antritt.
Bei den „Blues“ spielt der 1,96-Meter-Mann unter anderem mit Hernan Crespo, Frank Lampard und John Terry in einem Team. Chelsea dominiert die Premier League 2004/05 nach Belieben, Cech kassiert in 38 Spielen nur 15 Gegentore und bleibt 1025 Minuten ohne Gegentreffer – Rekord.
Bei seiner ersten Meisterfeier 2005 steht Petr Cech (hinter Didier Drogba) noch im Hintergrund. Macht aber nichts, Möglichkeiten, sich mal vorzudrängeln, bekommt er in den nächsten Jahren genug.
Denn der Tscheche übt sich in den kommenden Jahren im Präsentieren diverser Pokale: Hier etwa bei der Ehrung der Champions-League-Spieler der Saison 2007/08,…
…hier als tschechischer Spieler des Jahres 2009 (den Titel gewinnt er insgesamt neun Mal)…
… oder hier beim FA-Cup-Sieg 2007, wo Cech den Pokal kurzerhand als Kopfbedeckung missbraucht.
Apropos Kopfbedeckung: Ohne die macht Petr Cech seit 2007 kein Spiel mehr. Auslöser ist ein schwerer Zusammenprall im Spiel gegen den FC Reading, bei dem er einen Schädelbasisbruch erleidet und mehrere Monate ausfällt. Da der Heilungsprozess auch mehrere Jahre andauern kann, bleibt der Helm auf und wird zum Markenzeichen des Torhüters.
Dank Kopfschutz kann er sich auch wieder in die brisanten Duelle stürzen. Wie etwa gegen Wayne Rooney, den er im Rückblick als härtesten Gegner in seiner Laufbahn bezeichnet.
Bei all den nationalen Titel bleibt das eigentliche Ziel von Chelsea aber der Gewinn der Champions League. Das geht lange schief. Wie im Finale 2008, wo Cech gegen Manchester United zwar vollen Körpereinsatz zeigt, aber dennoch als Verlierer vom Platz geht.
Noch bitterer wird es ein Jahr später: Bis zur 93. Minute träumt der FC Chelsea in der Champions-League-Saison 2008/09 gegen den FC Barcelona vom Einzug ins Finale. Dann trifft Andrés Iniesta per Distanzschuss das 1:1 und Chelsea ist raus. Vor allem Schiedsrichter Tom Övrebö, der einige Fehler gemacht hat, wird nach der Partie von den entzürnten Chelsea-Profis belagert und erhält im Anschluss sogar Morddrohungen von Fans.
Erst im Mai 2012 hat das Leiden ein Ende: Der FC Chelsea holt im „Finale Away“ gegen den FC Bayern München den wichtigsten europäischen Titel.
Einen Löwenanteil daran hat Petr Cech. Immer wieder scheitern die lange drückend überlegenen Bayern am tschechischen Torhüter. Hier erlebt Arjen Robben am Elfmeterpunkt einen dieser Momente, die einem immer wieder dann in den Kopf schießen, wenn man gerade kurz vor dem Einschlafen ist.
Da musst du jetzt rein! Zwei Jahre bleibt Cech danach noch Stammkeeper, dann muss er seinen Platz an den Belgier Thibaut Courtois abgeben. Die Saison 2014/15 verbringt er größtenteils auf der Bank der „Blues“.
Um weiterhin regelmäßig auf dem Platz zu stehen, wechselt er im Sommer 2015 zum Londoner Stadtrivalen Arsenal. Das gefällt nicht jedem – ob er sein neues Trikot auch deshalb erst mal in der Heimat in Prag präsentiert?
Trotzdem gewinnt Petr Cech auch beim FC Arsenal Titel, neben dem FA-Cup Sieg 2017 auch zwei Mal den Community Shield. Der englische Superpokal versucht seine fehlende Relevanz offenbar mit einer besonders schweren Trophäe aufzuwiegen.
Im Sommer 2019 hängt der mittlerweile 37-jährige Petr Cech seine Schuhe vorerst an den Nagel. Oder wie Gianluigi Buffon sagen würde: Er hat den Fußball nie geliebt.
Obwohl: Karriereende? So komplett? Nee. Schon im Herbst 2019 gibt Cech bekannt, ab sofort beim Eishockey zwischen den Pfosten stehen zu wollen. Im Oktober feiert er in der vierten englischen Liga sein Debüt und kann dort erfreut feststellen, nicht mehr der einzige zu sein, der einen Helm trägt.
Auch für einen Schlagzeug-Gig hat der Tscheche nach seiner Spielerlaufbahn Zeit, hier bei einem Konzert des slowakischen Sängers Miro Zbirka.
Und wenn es sonst nichts zu tun gibt, zeigt Cech Kindern in der von ihm gegründeten Sommer-Fußballschule in Prag, wo es lang geht.
Ab 2019 ist er auch wieder beim FC Chelsea angestellt, diesmal allerdings an der Seitenlinie als technischer Direktor.
Zumindest bis jetzt, denn auf dem Papier feiert der 38-Jährige in diesem Jahr ein Comeback – der FC Chelsea hat den Ex-Torhüter in den 25 Spieler großen Kader für die Premier-League-Saison 2020/21 berufen. Und Frank Lampard, früher Mannschaftskollege und jetzt Trainer der „Blues“ kann sich auch gut vorstellen, den Tschechen spielen zu lassen, sollte Not am Mann sein. Die Fans des FC Chelsea werden sich darüber freuen, denn: solange „Big Pete“ glücklich ist, sind sie das auch.