Schlingernde Favoriten, frohlockende Ostwestfalen, ein schwäbischer Provinzklub in Wartestellung, ein glamouröser Schwede in Hannover und wieder mal mehr als die Hälfte der Liga im Abstiegskampf. Fünf Fragen zum Neustart der Zweiten Bundesliga.
Zieht Arminia Bielefeld das tatsächlich bis zum Ende durch?
Gute Frage, nächste Frage. Nimmt man nicht nur die Hinrunde, sondern das ganze Jahr 2019, so hat der Überraschungs-Herbstmeister mit Abstand die meisten Punkte aller Zweitligisten geholt, in der Politik spräche man von einem Erdrutschsieg. Andererseits spricht einiges dafür, dass das jetzt nicht einfach so weiter geht. In den letzten drei Spielen vor der Winterpause hat Arminia nicht mehr gewonnen, der für die Gegner schwer auszurechnende Mix aus Ballbesitzphasen und überfallartigen Kontern mit langen Bällen tendierte zuletzt mehr und mehr Richtung Langholz, und vor allem: Plötzlich hat diese Mannschaft tatsächlich etwas zu verlieren. Da kann Torjäger Fabian Klos im 11FREUNDE-Interview trotzig jeden Aufstiegsdruck verneinen („Wir müssen grundsätzlich erst mal gar nichts“), die Wirklichkeit sieht anders aus. Die Geister, die sie riefen, werden sie in dieser Saison nicht mehr los. Das weiß auch Klos, der im selben Interview zugibt: „Ich kann mich nicht als Tabellenführer in der Winterpause hinsetzen und sagen: Wir gucken mal, wo wir am Ende landen.“ Startet der Tabellenführer gegen Bochum und in Aue erfolgreich in die Restsaison, ist – wie man in solchen Fällen gern sagt – alles möglich. Andernfalls könnte der Spaß schnell vorbei sein.
Gehen also am Ende doch Hamburg und Stuttgart hoch?
Nicht unbedingt. Beide liegen – anders als die ebenfalls hoch gewetteten Nürnberger und Hannoveraner – gut im Rennen, aber beide haben auch ihr Päckchen zu tragen, um nicht zu sagen: Da steht ein ganzer DHL-Wagen vor der Tür. Der HSV hat nach gutem Start zuletzt stark abgebaut und sich vor Schreck hektisch im Winterschlussverkauf bedient. Was die Namen betrifft (Schaub aus Köln, Beyer aus Gladbach, Pohjanpalo aus Leverkusen), hört sich das erst mal prima an, allerdings haben alle Genannten eine ziemlich frustrierende Hinrunde hinter sich und die reichlich vorhandenen Hamburger Platzhirsche gewiss nicht die Neigung, den Neuen die Spinde frei zu räumen. Sollte der sportliche Erfolg nicht alles überlagern, könnten das Festspiele für die Boulevardmedien werden. Derweil hat der VfB Stuttgart ganz andere Sorgen: Wie zum Geier kann man den Spielern das ihnen gerade mühsam eingetrichterte Spielsystem wieder austreiben? Nachdem der sogenannte „Walter-Ball“ einige Monate lang als der heiße Scheiß galt, ist er nun des Teufels, samt des schmucklos vor der Winterpause entsorgten Namensgebers. Der neue Coach Pellegrino Matarazzo, dessen Körpergröße (1,98 Meter) einstweilen imposanter ist als sein Ruf, hat die Aufgabe, aus den vogelwilden Stuttgartern ein solides Umschaltteam zu machen. Lustig, dass der vormalige Hoffenheimer Co-Trainer gerne als Nagelsmann-Schüler bezeichnet wird, obwohl er zehn Jahre älter ist als sein Lehrmeister. Ob er selbst darüber lachen kann: unbekannt. Ob er am Saisonende zuletzt lacht: ebenfalls.
Wer hat jetzt noch das Zeug zur Überraschungsmannschaft?
An dieser Stelle Heidenheim zu schreiben, wäre erschütternd unoriginell. Aber es hilft ja nichts. Wenn jemand noch die Chance hat, in den vermuteten Dreikampf an der Spitze einzugreifen, dann die Catenaccio-Künstler von der Schwäbischen Alb (18 Gegentore). Defensive gewinnt Meisterschaften heißt es ja immer so schön, und auch wenn das Quatsch ist (genug Punkte holen gewinnt Meisterschaften), so kann es zumindest nicht schaden, den Kasten ab und zu dicht zu halten – hätte sich zum Beispiel Tim Walter in Stuttgart daran gehalten, wäre er jetzt noch im Amt. Was außerdem für den 1.FC spricht, ist das im Fußball stets geheimnisumwitterte Momentum, die Heidenheimer haben in den letzten neun Spielen nur einmal verloren. Alle anderen Aufstiegsszenarien sind übrigens albern: Erzgebirge Aue ist zu auswärtsschwach, Jahn Regensburg zu wenig konstant und der VfL Osnabrück zu grün hinter den Ohren. Und die spielstärkste Mannschaft jenseits der ersten Vier, Holstein Kiel, hat bereits acht Punkte Rückstand auf Platz drei.