Wir bauen unsere Seite für dich um. Klicke hier für mehr Informationen.

Es ist nicht ganz ein­fach, nach einem adre­na­lin­ge­tünchten Vier­tel­fi­nale Worte zu finden, die sich andere aufs Kopf­kissen sti­cken könnten. Chris Coleman, der Trainer der wali­si­schen Natio­nal­mann­schaft, aller­dings hielt nach dem 3:1 gegen Bel­gien am Spiel­feld eine klare, fast spi­ri­tu­elle Rede. Der Reporter fragte ihn, was er den Mil­lionen von Kin­dern sagen würde, die jetzt immer noch hell­wach vor dem Fern­seher sitzen. Träumt. Habt keine Angst zu träumen“, sagte Coleman. Vor vier Jahren war ich von diesem Moment hier so weit weg, wie man es sich nur vor­stellen kann. Und habt keine Angst vor dem Schei­tern! Ich bin häu­figer geschei­tert, als ich Erfolg hatte.“

Von der Lei­den­schaft her gespielt wie ein Kon­ti­nent.“

Sein Trainer-Aus­weis bau­melte noch an dem blauen Uefa-Band um den Hals. Coleman ist in den Arenen Frank­reichs noch nicht so bekannt, dass er darauf ver­zichten könnte. Doch er lie­fert kon­ti­nu­ier­lich Bon­mots, die das Tur­nier über­dauern könnten. Schon nach der Grup­pen­phase sagte er: Geo­gra­fisch sind wir ein kleines Land, aber von der Lei­den­schaft her haben wir heute gespielt wie ein Kon­ti­nent.“

Coleman ist ein begna­deter Rhe­to­riker, der selten um Worte ver­legen ist. 2007 erschien er bei seinem Job in San Sebas­tian andert­halb Stunden zu spät zur Pres­se­kon­fe­renz. Seine Begrün­dung: Nach einem Defekt der Wasch­ma­schine habe seine gesamte Woh­nung unter Wasser gestanden. Wenig später kam heraus, dass Coleman in der Nacht zuvor bis fünf Uhr in einem Club gefeiert und auf etwas andere Weise aus­ge­trocknet hatte.

Nur bei seiner Vor­stel­lung als wali­si­scher Natio­nal­trainer im Januar 2012 rang er mit den Worten – und auch Tränen: Es ist für mich sehr schwierig, hier zu sitzen.“ Coleman war zum Natio­nal­trainer ernannt worden, nachdem sich Gary Speed im Alter von 42 Jahren das Leben genommen hatte. Speed war nicht nur Colemans Vor­gänger, son­dern auch ein enger Freund gewesen. Beide kannten sich seit 30 Jahren aus gemein­samen Jugend­fuß­bal­ler­tagen. Coleman musste lange über­redet werden, um Speeds Amt zu über­nehmen. Beim Abschieds­spiel für Speed über­ließ er das Amt seinem Assis­tenten.

Fünf Spiele später wollte Coleman bereits auf­geben. Er hatte mit seiner Mann­schaft jede ein­zelne Partie ver­loren, unter anderem mit 1:6 gegen Ser­bien. In jenen Tagen war Coleman von einem EM-Halb­fi­nale so weit weg, wie man es sich nur vor­stellen kann“. Ein 2:1‑Sieg gegen Schott­land sorgte aber kurz darauf für den Umschwung der wali­si­schen Mann­schaft, in der EM-Qua­li­fi­ka­tion schafften sie vier Punkte gegen den Favo­riten Bel­gien. Cap­tain Cookie“, wie Coleman wegen seiner Vor­liebe für Kekse genannt wird, führte Wales erst­mals seit 1958 zu einem großen Tur­nier – und dann gleich ins Halb­fi­nale.

Die Fans sangen: Coleman had a dream to build a foot­ball team“ – Coleman hatte einen Traum, eine Mann­schaft zu bauen. Sein Mas­ter­plan dabei sieht so aus: Bei geg­ne­ri­schem Ball­be­sitz for­miert Wales eine Fün­fer­reihe, drei Mit­tel­feld­spieler engen die Räume im Zen­trum ein und ver­schieben ball­ori­en­tiert. Der Gegner wird so auf die Außen gezwungen, doch bei Her­ein­gaben ins Zen­trum sind die Ver­tei­di­ger­schränke um Kapitän Ashley Wil­liams schwer zu über­winden. Bei eigenen Angriffen sind die Mit­tel­feld­spieler Joe Allen und Aaron Ramsey die ent­schei­denden Schar­niere.

Alle seine Ent­schei­dungen gehen auf

Die Waliser schalten nach einem Ball­ge­winn nicht nur schnell um, son­dern auch geschlossen. Inner­halb von weniger als vier Sekunden direkt nach dem Ball­ge­winn in der eigenen Hälfte sind mit­unter fünf Spieler in der geg­ne­ri­schen. Aus der Fün­fer­kette schieben die Außen­ver­tei­diger weit auf, wie Chris Gunter einige Minuten vor dem Ende bei der Flanke zum 3:1 gegen Bel­gien.

Experten wie Eng­lands Alan Shearer, der mit Coleman zusammen bei Blackburn spielte, sind voll des Lobes: Das war kein Glück, sie haben Bel­gien ein­fach vom Platz gespielt. Man kann Chris nicht hoch genug loben. Jede ein­zelne seiner Ent­schei­dungen geht auf.“ Die Eng­länder haben Coleman schon als neuen Trainer der Three Lions“ auf der Liste. Doch der erklärte vor dem Halb­fi­nale, dass bei den Natio­nal­mann­schaften einzig und allein Wales für ihn in Frage käme.

Danach lie­ferte er mit Blick auf das Halb­fi­nale wieder eine geschlif­fene Rede: Du kannst jetzt geblendet sein von dem Licht, erschre­cken und in deine Ecke zurück krie­chen. Oder du kannst an dich selbst glauben und dich darauf vor­be­reiten, für deine Iden­tität ein­zu­stehen.“ Da wollten sich selbst die umste­henden Jour­na­listen direkt ein Trikot über­streifen und raus­laufen.