Paul Scholes gehörte als Spieler zu den besten der Welt, seit gestern ist er Interimstrainer von Salford City in der viertklassigen League Two. Warum das Sinn ergibt? Weil Salford City ihm und seinen Kumpels David Beckham, Gary Neville und Ryan Giggs gehört. Über die „Class of 92“ und ihren Herzensverein.
Dieser Text erschien erstmals im April 2017. Wenige Wochen später scheiterte Salford im Elfmeterschießen der Aufstiegs-Playoffs. Doch ein Jahr später, im April 2018, gelang dem Verein der Sprung in die National League, die fünfthöchste Spielklasse. Wieder nur ein Jahr später steig der Verein in die viertklassige League Two auf. Dort spielt belegt das Team, an dem mittlerweile auch David Beckham 10 Prozent Anteile hält, den fünften Platz. Trotzdem waren die Besitzer unzufrieden mit Trainer Graham Alexander – weshalb nun Paul Scholes als Interimstrainer übernimmt.
Gary lebt in ständiger Angst vor Gegenangriffen. Wenn Salford City den Ball im Mittelfeld verliert, spannt sich sein ganzer Körper unwillkürlich an. „Oh-oh“, murmelt er in böser Vorahnung. „Oh-oh.“ Bekommt Salford einen Freistoß im Halbfeld, fürchtet er, dass die Flanke an der Mauer hängenbleibt und zu einem Konter führt. „Überspiel bitte den ersten Mann“, fleht er von der Tribüne aus den Spieler an, der den Freistoß ausführt. „Wir haben nur zwei Leute hinter dem Ball, also überspiel bitte den ersten Mann.“
Sein Kumpel Ryan ist da ganz anders. Er lehnt lässig an der Rückwand der kleinen, feinen Tribüne und verfolgt das Spiel der Vanarama National League North zwischen Salford City und Stockport County konzentriert, aber ruhig. Während Gary in einer Tour redet, kommen im Verlauf der ersten Halbzeit nur fünf Sätze über Ryans Lippen. Die ersten drei sind allesamt trockene Bemerkungen, die jeden Umstehenden zum Lachen bringen, darunter auch Ryans zwölfjährigen Sohn Zach.
Gary und Ryan und Berba
Dann fliegt von rechts eine Flanke in den Strafraum des Gegners, direkt auf Salfords Mittelstürmer zu. Ryan richtet sich auf. „Volley!“, ruft er. „Volley!“, fordert auch Gary. Der Spieler versucht, den Ball anzunehmen. Das Leder verspringt. Chance vertan. Alle stöhnen. Zach fasst sich an den Kopf.
„Warum nicht volley?“, fragt Ryan und begleitet diesen, seinen vierten Satz mit einem Kopfschütteln. Gary nickt grimmig. „Es war schwieriger, den Ball zu kontrollieren, als ihn volley zu nehmen“, sagt er. Dann lacht er plötzlich und dreht sich zu einem großen Mann mit dunklen Augen um. „Für dich wäre es natürlich nicht schwierig gewesen, Berba“, sagt Gary. „Du hättest den Ball angenommen und alle Verteidiger plus Torwart ausgespielt.“ Ohne mit der Wimper zu zucken, schiebt Ryan Satz fünf hinterher: „Und dann das Tor verfehlt.“
Eine Geschichte, die wie ein Märchen klingt und auch so anfängt
Zum ersten Mal an einem regnerischen Samstag des Jahres 2017 wird man daran erinnert, dass diese scheinbar normalen Fans eines scheinbar normalen Amateurklubs in der nordwestlichen Ecke des Großraumes Manchester alles andere als gewöhnliche Typen sind. Gary heißt mit Nachnamen Neville. Ryan trug früher ein Trikot mit dem Schriftzug Giggs. Und ihr Freund mit den dunklen Augen ist der Bulgare Dimitar Berbatow – zu seiner Profizeit für Traumtore ebenso bekannt wie für vergebene Hundertprozentige.
Er ignoriert den Scherz von Giggs und beginnt, Neville auszufragen. Was kostet so eine Tribüne? Wie viel Geld nimmt man an einem normalen Spieltag ein? Hat ein Verein wie Salford City Sponsoren? Was zahlen die? Und in welcher Liga sind wir hier eigentlich? „In der sechsten“, sagt Gary Neville. „Noch.“ Und dann erzählt er seinem ehemaligen Mannschaftskollegen bei Manchester United eine wahre Geschichte, die wie ein Märchen klingt und auch so anfängt.
Es waren einmal fünf Freunde, die wollten ein neues Abenteuer erleben und gleichzeitig etwas Gutes tun. Sie hießen Gary und Phil Neville, Ryan Giggs, Paul Scholes sowie Nicky Butt und gehörten alle zu der Generation von Manchester-United-Stars, die als „Class of 92“ bekannt geworden ist. (Das Jahr, in dem der Klub zum ersten Mal seit 1964 wieder englischer U18-Meister wurde.) Sie suchten etwas, das sie nach ihrer aktiven Karriere zusammen unternehmen konnten. Sie wollten etwas Langfristiges im sonst so schnelllebigen Fußball. Vor allem aber waren sie mit der Gesamtsituation unzufrieden.