Sylt sorgt sich vor dem 9‑Euro-Ticket der Deutschen Bahn. Denn es könnte einen Proll-Tourismus anspülen. Und vielleicht hat Deutschlands beliebteste Ferieninsel auch deshalb keinen großen Fußballverein. Dabei hatte der FC Weißgold Sylt vor einigen Jahren doch noch so Großes vor.
Szenenwechsel. Auf dem Trainingsgelände des FC Weißgold Sylt läuft das morgendliche Training der Lizenzmannschaft. Trainer Fidelius Brunswick hat eine perfekte Mischung aus erfahrenen Profikräften und hungrigen Nachwuchsleuten um sich versammelt. Rekrutiert hat er die Burschen allesamt bei den klassischen Sylter Events, beim German Polo Masters und natürlich beim Uhrensalon in Kampen. „Unser linker Verteidiger kann nichts am Ball, aber sein Erzeuger ist Sponsor bei uns“, schmunzelt Brunswick. Dicke Brieftasche statt linker Klebe, so grundsympathisch läuft das eben auf Sylt. Linksaußen Giselher Gründgens nimmt unterdessen einen kräftigen Schluck Moët, das gibt die notwendigen Körner für den nächsten Sprint. Nämlich den in die Kabine, eben hat nämlich das Autohaus an der Keitumer Landstraße angerufen. Die Effektlackierung für den Roadster ist da. „Papa zahlt!“, grinst Youngster Gründgens.
Plötzlich klingelt das Telefon von Investor Eberle. Die zweimotorige Privatmaschine des Klubpräsidenten landet in einer halben Stunde auf dem Flugplatz Sylt-Ost. „Den müssen Sie einfach kennenlernen!“ Wir werfen uns wieder in den Porsche und amüsieren uns königlich über die Gruppe älterer Radfahrer, der unser sportlicher Fahrstil offenbar derart zusetzt, dass mehrere Pedaleure ein wenig hektisch ins angrenzende Feuchtbiotop ausweichen. Hallo, Westerland! Als der 42-Jährige Hauke Teufel dann wenig später im feinen Klubjackett gemessenen Schrittes die Gangway hinunterschreitet, blendet uns kurz seine hochpreisige Herrenuhr. Unsere ausgestreckte Hand zur Begrüßung ignoriert der Selfmademillionär geflissentlich. Time is cash! Und so lässt er sich von Finanzier Eberle rasch über die Baufortschritte der Arena informieren. Das Design der Krabbentheke ist ihm zu bieder geraten, ebenso der Cartiershop in der VIP-Lobby.
Warum braucht Sylt die Bundesliga, Herr Teufel? „Unfug, die Bundesliga braucht Sylt!“ kontert der Präsident. „Auf unserer Insel wird Fußball gelebt. Wir sind hier nicht auf Wangerooge!“ Und er kann die Fans beruhigen: „Kein Investor wird hier mehr als 50+1 Stimmanteile erhalten.“ Eberle grinst: „Und der Rest gehört mir!“ Alles klar in der Sansibar, sollte man meinen, aber Teufel ist auf seinen Kompagnon gar nicht gut zu sprechen. Offenbar erzürnt ihn der allzu träge Fahrstil des Unternehmers auf der Fahrt zurück zur Arena. In Hörnum-Nord verbannt er Eberle auf den Rücksitz und übernimmt selbst. „Wollen ja heute noch ankommen!“ Die Kontrolle der Polizei wegen deutlich überhöhter Geschwindigkeit erledigt sich schnell. „Mit dem Teufel legt sich niemand gerne an.“ In der Lounge des halbfertigen Stadions herrscht er dann den Gerüstbauer Michaelsen an, denn das Sylt-Logo an der Fassade hängt immer noch schief.
Dann dreht er sich um zu uns und lächelt gewinnend: „Nur wer selbst brennt, kann andere entzünden.“ Wie Recht er doch hat! Der Funke muss überspringen. Auf die Whiskymeile. Auf Hörnum. Auf die Buhne 16. Auf Westerland. Für die Bundesliga. Und für den FC Weißgold Sylt. Für Fußball der Oberklasse.
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