Heute verjährt der Prozess zur Sommermärchen-Affäre. Dabei ist das Verfahren um die WM-Vergabe beinahe zur Nebensache verkommen, denn die noch größere Frage lautet: Wie eng sind Fifa und Schweizer Justiz eigentlich miteinander verstrickt?
In Bellinzona in der Schweiz endet heute der Prozess um die Sommermärchen-Affäre. Das Delikt um die geflossenen Millionengelder vor der WM 2006 verjährt an diesem 27. April. Einen Aufschrei zieht das nicht nach sich. Und das sagt eigentlich alles aus über die Situation im Weltfußball.
Kurz zur Erinnerung: Im April 2005 gingen 6,7 Millionen Euro über die Fifa an den damaligen Adidas-Chef Robert Louis-Dreyfus. Der mittlerweile verstorbene Unternehmer hatte das Geld drei Jahre zuvor Franz Beckenbauer geliehen, woraufhin das Geld bei Fifa-Funktionär Mohammed bin Hammam einging. Offiziell wird wohl nie ans Licht gelangen, was es mit dieser Zahlung auf sich hatte. Dass mit dem Geld die WM-Vergabe nach Deutschland erkauft worden ist, gilt aber als sehr wahrscheinlich.
Das Prozessende ist bloß der unausweichliche Höhepunkt eines höchst fragwürdigen juristischen Schauspiels. Nun an diesem 27. April werden die vier angeklagten Fußballfunktionäre Theo Zwanziger, Wofgang Niersbach, Horst R. Schmidt und Urs Linsi über die Ziellinie dieses Verfahrens gelangen. Der Hauptakteur Franz Beckenbauer war bereits vergangenes Jahr vom Verfahren abgetrennt worden, weil seine Ärzte Belege liefern konnte, die ihm eine gesundheitliche Verhandlungsunfähigkeit attestierten.
Dass der Sommermärchen-Prozess gerade nur zu einer Randnotiz im undurchsichtigen Korruptions-Dschungel in der Schweiz verkommt, zeigt jedoch, wie es um die Führungsetage des Weltfußballs beschaffen ist. Denn im Fokus steht derzeit vor allem Fifa-Boss Gianni Infantino und die Frage, wie groß sein Einfluss auf die Schweizer Justiz ist.
Gegensätze ziehen sich bekanntlich an. In der Physik wie in der Liebe. Und offensichtlich auch in Justizkreisen. Anders ist dieses Stockholm-Syndrom-artige Verhältnis kaum zu erklären, das der Schweizer Bundesanwalt Michael Lauber mit Fifa-Boss Gianni Infantino pflegt. Obwohl sie in diesem Plot eigentlich als Gegenspieler aufgestellt worden sind, sind sie sich in den vergangenen Jahren mehrfach nahe gekommen.
Denn Michael Lauber war eigentlich abbestellt, Infantino und die korrupten Machenschaften der mächtigen Männer im Fußball zu Fall zu bringen. So theatralisch das klingen mag, aber der als Chefankläger agierende Lauber hätte den Weltfußball womöglich ein Stück besser machen können, er hätte den korrupten Tümpel rund um die Fifa und die Uefa wenigstens ein wenig trockenlegen können.
Nun wird Lauber Befangenheit vorgeworfen. Konkret geht es dabei um sein Verhältnis zu Gianni Infantino, den er mindestens drei Mal inoffiziell getroffen haben soll. Zu diesen Treffen gibt es keinerlei Gesprächsprotokolle oder Aktennotizen, was die juristischen Statuten in einem Verfahren wie es gegen die Fifa läuft jedoch vorschreiben.
Was die Sommermärchen-Affäre in diesem Fall zur Randnotiz verkommen lässt, ist die Tatsache, dass die Fifa keine der beschuldigten Parteien ist, sondern obendrein Privatkläger. Was Lauber hingegen befangen macht, ist die Tatsache, dass weitere Verfahren gegen die Fifa laufen – mit Gianni Infantino als Kopf des Konzerns.
Seine genaue Rolle in der WM-Vergabe 2006 ist bis heute nicht hinreichend geklärt. Seine Rolle in der Aufarbeitung, die am heutigen Tage endet, genauso wenig.