Viele Jahre lang lag ein belgischer Fluch auf dem BVB. Was gegen Belgier schiefgehen konnte, ging unweigerlich schief. Diese Zeiten sind zum Glück vorbei. Sind sie doch, oder?
In Brüssel waren die Dortmunder in ihren amerikanischen Neon-Trikots darauf bedacht, sich ein gutes Ergebnis zu ermauern und schafften das im Herbst 1990 auch. Zwar gewannen die Gastgeber durch ein spätes Stochertor mit 1:0, aber dieses Resultat ließ der Borussia im Rückspiel alle Chancen. Bis einem waschechten Dortmunder ein böser Fehler unterlief. Auf schneebedecktem Boden spielte der erst 19-jährige Peter Quallo in der 34. Minute ohne Bedrängnis einen fatalen Fehlpass und rutschte dann auch noch bei dem Versuch aus, den Ball zurückzugewinnen. Die Belgier nutzten das zum ernüchternden 0:1. Nun brauchte der BVB drei Tore, schoss aber nur zwei. Nicht nur für den jungen Quallo, der zu diesem Zeitpunkt einen Stammplatz beim BVB innehatte, war Anderlecht der Wendepunkt. Auch für einen anderen Shootingstar stellte diese Europacuprunde einen Tiefpunkt dar: Obwohl Frank Mill und Norbert Dickel verletzt waren, stand Günter Breitzke nicht mal mehr im Kader. Im Sommer 1992 verließen beide, Quallo und Breitzke, den BVB.
Danach dauerte es lange, bis die Borussia es wieder mit Belgiern zu tun bekam. Genauer: bis zum August 2003. Eine wahnsinnig teure BVB-Elf hatte in der Bundesliga nur Platz drei belegt und musste daher in die Qualifikation zur Champions League gegen den FC Brügge, das laut Präsident Gerd Niebaum „überflüssigste Spiel der Saison“. Wie 16 Jahre zuvor kam der BVB in Belgien zunächst völlig unter die Räder, wurde an die Wand gespielt und lag zur Pause 0:2 hinten. Doch weil Torjäger Marcio Amoroso in der zweiten Hälfte ein Treffer gelang, schienen die Aussichten fürs Rückspiel bestens. Wohl kaum einer der hochbezahlten Stars dürfte damit gerechnet haben, dass die Partie zu einem historischen Thriller werden sollte.
Amoroso gelang zwar eine frühe Führung, doch dann erzielte Brügge durch einen Freistoß das 1:1. Die Minuten verrannen, beide Teams hatten große Möglichkeiten und so langsam wurde dem Dortmunder Publikum klar, was hier auf dem Spiel stand. „Wenn wir die Champions League verpassen, geht hier eine Bombe hoch“, hatte Dede vor dem Spiel prophezeit. Und Christoph Metzelder sagte: „Finanziell geht es für den Verein um Leben oder Tod.“
Vier Minuten vor dem Ende erzitterte das Stadion in seinen Grundfesten, weil Ewerthon einen Kopfball versenkte und die Borussia am Leben hielt. Vorerst. Denn in der Verlängerung fielen keine weiteren Tore – und dann geschah das Unfassbare. Im Elfmeterschießen um die Existenz vergab ausgerechnet Dortmunds sicherster Schütze, Amoroso, gleich den ersten Strafstoß. André Bergdölmo verschoss den zweiten, und der Super-GAU war da. Vier Monate später sprach die „Süddeutsche Zeitung“ von einem bevorstehenden „Finanzcrash“ in Dortmund und bezifferte die Schulden auf 100 Millionen Euro. Das Ende der Ära Niebaum und der Kampf des Klubs ums nackte Überleben hatte begonnen.
Das ist noch gar nicht so lange her, wirkt aber wie aus einer anderen Zeit. Denn der Verein, der Gegner aus Belgien so lange fürchten musste, kommt inzwischen ganz gut mit ihnen klar. Vielleicht liegt es daran, dass er über seinen Schatten sprang. Fast 106 Jahre lang trug kein einziger belgischer Spieler das schwarz-gelbe Trikot, dann kam Adnan Januzaj, bald gefolgt von Witsel und Michy Batshuay. Heute fürchten BVB-Fans die Belgier nicht mehr, sondern feuern sie an.