Teil drei unserer Serie der schönsten Orte der „Fußballrepublik Deutschland“ führt uns ins Bochumer Ruhrstadion. Christoph Biermann ist der Ansicht, dass es jeder Fußballfan gesehen haben muss, ganz objektiv natürlich.
Für unsere aktuelle Ausgabe #223 reisen wir mit euch quer durch das Land und zeigen euch die 150 geheimen und weniger geheimen Fußballorte, die man gesehen haben muss. Als kleinen Vorgeschmack präsentieren wir an dieser Stelle die Lieblingsorte der 11FREUNDE-Redakteure. Diesmal: Uli Hesse über einen Friedhof im Schatten des Westfalenstadions.
Ort: Ruhrstadion
Adresse: Castroper Str. 145, 44791 Bochum
Region: Ruhrgebiet
Vermutlich ist der Lieblingsort eines jeden Fußballfans das Stadion seines Lieblingsvereins. Mag es da auch noch so scheußlich sein, blühen doch selbst auf den trostlosesten Tribünen noch die schönsten Emotionen. Ich kenne Menschen, die bis heute in tiefster Rührung von unvergesslichen Momenten in den zugigen Weiten des Hamburger Volksparkstadion erzählen, im lebensfeindlichen Schalker Parkstadion oder gar im Rheinstadion Düsseldorf. Dabei hatte das seinen eindeutig besten Moment als es von einem Sprengkommando flachgelegt wurde. Die beiden anderen konnte man nicht einmal sprengen, man musste sie aufwändig wegbaggern.
Auch mein Lieblingsort ist das Stadion meines Lieblingsvereins, doch ins Bochumer Ruhrstadion reisen die meisten Fans nicht mit einem imaginären Sprengkommando oder einem mentalen Bagger im Gepäck. Das liegt einerseits daran, dass wenige sich die Mühe machen, den dort ansässigen Klub entsprechend tief zu verabscheuen. Außerdem ist das Ruhrstadion so, wie ein Stadion nicht viel besser sein kann. Und das ist jetzt nicht durch verheulte Sentimente, Tore-in-letzter-Minute-Geschichten oder sonstige Fan-Folklore abgesichert, sondern durch schnöde Fakten, Fakten und gefühlsfreie Objektivität.
„Lage, Lage, Lage“, das gilt wie bei allen Immobilien auch bei Fußballstadien. Und das Ruhrstadion ist nah, denn vom Bochumer Hauptbahnhof braucht man nur eine gute Viertelstunde zu Fuß oder ein paar U‑Bahn-Minuten, um vor einem Bau zu stehen, das den top-verblichenen Charme brutalistischer Beton-Architektur hat. „Palettenstadion“ nannte man das, als es in den Siebzigern gebaut wurde, weil auf die Betonträger der Rest aufgelegt wurde wie auf Paletten. Als 1979 der Neubau an gleicher Stelle wie des alten „Stadions an der Castroper Straße“ eröffnet wurde, war das ziemlich sensationell.
Damals war das Konzept so neu, dass es bis heute nicht alt wirkt. Zugleich ist das Ruhrstadion aber noch keine Arena, folgt also nicht der Logik der Logen und VIP-Ebenen, was es bis heute wiederum traditionell wirken lässt. Dankenswerter Weise gibt es bis auch noch Flutlichtmasten, deren erhabene Schönheit bis heute einen Trailer der ARD-Sportschau ziert. Aber eigentlich müssten Flutlichtmasten sogar obligatorischer Teil der Lizenzauflagen im Fußball sein, Kirchen haben ja schließlich auch Kirchtürme nicht nur, um Glocken darin aufhängen zu können, sondern um den Gläubigen eine Orientierung zu geben und den Weg zu zeigen.
Womit wir beim spirituellen Teil wären, denn vielleicht trifft man ja hinter der Ostkurve noch den „VfL Jesus“, einen Fan-Exzentriker englischen Zuschnitts. Wem es ansonsten noch an moralischer Festigkeit fehlt, der werfe einen Blick auf die andere Straße, wo mahnend die „Krümmede“ daran erinnert, dass Sünder auch im Kittchen landen können.
Drinnen im Stadion ist man dann überall nah dran und voll drin, nichts steht offen, die Außenwelt bleibt da, wo sie hingehört, nämlich draußen. Die Dimensionen sind menschlich, nicht zu groß, aber auch nicht zu klein. Man sieht überall bestens, was auf dem Platz passiert, worin auch eine Warnung steckt. Aber das hartgesottene Publikum kommt sowieso mit realistischen Erwartungen: „Dat wird doch sowieso wieder nix.“ Was schließlich oft genug stimmt. Aber die Leute sind ja nicht doof. Erstens haben sie verinnerlicht, was der Schriftsteller Frank Goosen, ein ehemaliger VfL-Aufsichtsrat, mal als zentrale Ruhrpotterkenntnis so formuliert hat: „Woanders ist auch scheiße.“ Und zweitens: Vielleicht wird dat ja doch mal was, und dann will man es nicht verpasst haben.
Aber ich drifte ins kulturell Gefühlige ab und will auch nicht mit der Currywurst nerven. Bleiben wir also bei den Fakten: Super Stadion, unbedingt hin da.