War der FC Liverpool einfach zu stark für die Bayern? Oder waren die Bayern zu schwach? Jürgen Klopp hat dazu seine ganz eigene Meinung.
Ob es an Sturmtief „Franz“ lag, der mit einer kühlen Brise durch die Allianz Arena fegte? Oder an den ungewohnt großen Biergläser („Maßkrug“), in denen den Gästen von der Insel den ganzen Tag über bayerischer Gerstensaft ausgeschenkt worden war? Oder hatten sich die Liverpool-Supporters einfach schon mit dem Gefühl des sicheren Sieges auf den Weg nach München gemacht?
Wie kann man sich sonst erklären, dass diese sonst so emotionalen Anhänger eines hochemotionalen Klubs auf den Triumph ihrer Mannschaft gegen einen der erfolgreichsten Vereine im europäischen Fußball so zurückhaltend reagierten? Erst als ihr deutscher Trainer in ihre Richtung marschierte und dreimal die Faust in den Nachthimmel reckte, wurde es richtig laut im Liverpool-Block.
„Der Erfolg bedeutet mir alles“
Zuvor hatte Jürgen Klopp beinahe jeden, der nach dem Schlusspfiff seinen Weg kreuzte, fest an seine Brust gedrückt – darunter seine ehemaligen Schützlinge Robert Lewandowski und Mats Hummels, denen er kurz Trost spendete. Jürgen Klopp, so schien es, war der glücklichste Mensch an diesem Ort, an dem gerade der Stern des Südens untergegangen war.
„Der Erfolg bedeutet mir alles“, ließ er die englischen und deutschen Journalisten später bei der Pressekonferenz wissen. „Es gibt nicht viele Mannschaften, die auf ihrer Visitenkarte stehen haben, dass sie die Bayern rausgeworfen haben. Wir sind noch auf unserem Weg. So ein Ausrufezeichen zu setzen, ist brutal gut.“
Van Dijk und das Buch
Während im britischen Unterhaus fast zeitgleich wieder einmal Chaos herrschte, zeigte Klopp mit seiner Elf, dass wenigstens noch englische Fußballmannschaften planvoll vorgehen können und der Brexit zumindest im Fußball nicht stattfindet. Mit einem Liverpool-Team, das noch in der Vorrunde in seinem Vorwärtsdrang kaum zu bändigen war.
Jetzt in München hat die Vollgastruppe, deren Prunkstück ja die Offensive ist, eindrucksvoll demonstriert, dass sie auch andere „Tools“ (Klopp) auf Lager hat. Wer in der Allianz-Arena gegen den FC Bayern München in 90 Minuten nicht einmal eine Handvoll Chancen zulässt, darf stolz auf seine Defensivleistung sein – mit einem Virgil an Dijk als Abwehrchef, der laut Klopp so viele Fähigkeiten hat, dass er ein ganzes Buch darüber schreiben könnte.
Während sein Trainerkollege also auf dem Podium um die Wette strahlte, ließ Niko Kovac die Pressekonferenz als letzten Akt dieses für ihn gebrauchten Tages über sich ergehen. Höflich, wie das seine Art ist, gratulierte der Bayern-Coach Klopp und seiner Mannschaft zum verdienten Sieg. Und er nahm seinen Torwart in Schutz, der nach Ansicht vieler Zeugen im Stadion und vor dem Fernseher Manés Führungstreffer mit seinem Irrlichtern durch den Strafraum ermöglicht hatte. „Er muss da rauskommen“, befand dagegen Kovac. „Weil Rafa in dem Fall außen steht und Mané näher zum Tor ist.“ Neuer selbst, der früher mal für sein revolutionäres Torwartspiel verehrt worden war, kann immerhin nachvollziehen, dass sein Verhalten von außen betrachtet unglücklich aussah.
Früher – da war auch Franck Ribéry noch ein Derwisch an der Außenlinie, der an den Champions League-Abenden seine Gegner schwindelig spielte. Heute funktioniert das nur noch gelegentlich in der Bundesliga. Aber die Bayern-Misere allein am alternden Franzosen und an einem ehemaligen Welttorhüter festzumachen, der offensichtlich auch den Zenit seiner Karriere überschritten hat, wäre ungerecht und zu einfach. Selten hat man so viele Grätschen von Bayern-Spielern wie in der ersten Halbzeit am gestrigen Abend gesehen.
„Wir werden einiges machen“
Der Einsatz stimmte über weite Strecken der Partie also. Aber die spielerischen Mittel fehlten ganz offensichtlich gegen ein Liverpool-Kollektiv, das jeden nur noch so kleinen Raum dicht machte. Ob Kovac‘ Matchplan zu defensiv und wenig mutig war? Eine Frage, die sich offensichtlich auch der eine oder andere Bayern-Spieler stellte, wie sich aus den Äußerungen von Lewandowski und Hummels schließen ließ. Klopp konnte dagegen seine Trainerkollegen verstehen. „Wenn wir die Räume bekommen, dann können wir damit sehr gut umgehen“, meinte der Liverpool-Coach zur Spielweise des Gegners. „Wir sind sehr gut im Kontern. Von daher war es es eine schwierige Aufgabe für den FC Bayern.“
Der deutsche Rekordmeister ist erstmals seit acht Jahren wieder in einem Achtelfinale der Champions League ausgeschieden – keine Frage, das wird Folgen haben. „Wir werden einiges machen“, kündigte Bayern-Sportchef Hasan Salihamidzic kurz vor Mitternacht bereits an. Uli Hoeneß wird auf der Tribüne schon mal seinen Schatzmeister angewiesen haben, ihm die Festgeldkontostände am nächsten Tag vorzulegen.