Geht es um den Brexit, hat so ziemlich jeder eine Meinung – auch Englands Fußball-Ikonen. Manch einer wäre jedoch besser beraten zu schweigen.
Die jüngsten Ereignisse auf der britischen Insel werfen durchaus Fragen auf. Zum Beispiel diese: Was wird jetzt eigentlich aus dem Brexit? Macht er wirklich Sinn? Und: Falls ja, ist diese Angelegenheit so dringend, dass man notfalls ohne „Deal“ aus der Europäischen Union ausscheiden sollte? Viele Wortmeldungen zum Thema erwecken den Eindruck, dass ihre Urheber, nun ja, nicht wirklich wissen, worum es überhaupt geht. Das gilt auch und besonders für die Brexit-Statements aus den Reihen der englischen Fußball-Legenden. Deren Beiträge sind zwar oft lustig, aber nicht immer top-fundiert.
Da wäre zum Beispiel Ex-Nationaltorhüter Peter Shilton (69), ein bekennender Brexit-Hardliner, der das Ding „lieber heute als morgen“ über die Bühne bringen würde, „bevor uns die EU-Mitgliedschaft noch mehr kostet“. Argumente oder Fakten, die seine Haltung untermauern würden, liefert Englands Rekord-WM-Spieler (17 Einsätze bei vier Turnieren) kaum. Stattdessen wirkt es, als würde sich Shilton brav vor einen Karren spannen lassen, wenn er dem Pro-Brexit-Politiker und erklärten AfD-Sympathisanten Jacob Rees-Mogg (49) „meine größte Bewunderung“ ausspricht und ehrfürchtig anfügt: „Er weiß wirklich, wovon er spricht.“
„Ich darf über jeden Scheiß reden“
Shiltons früherer „Three Lions“-Kollege Gary Lineker (58) fragte daraufhin höhnisch zurück: „Was hat der alte Sack denn gesagt?“ Als Shilton dem Ex-Torjäger daraufhin eine Live-Debatte im britischen Fernsehen vorschlug, spöttelte Lineker in Anspielung auf das WM-Halbfinale 1990: „Dann hoffe ich für dich, dass es nicht ins Elfmeterschießen geht.“ Zur Erläuterung: Shilton hielt 1990 keinen einzigen deutschen Schuss vom Punkt und wurde vom britischen Boulevard für das Verpassen des Endspiels verantwortlich gemacht.
Auch ein weiterer prominenter Brexit-Befürworter, Chris Waddle (58), bekam von Lineker sein Fett weg. Ende letzten Jahres hatte Waddle mit diesem (inzwischen gelöschten) Tweet unfreiwillig für Belustigung gesorgt: „Gut gemacht, Theresa May, lasst uns nun den Brexit ohne Deal verlassen.“ Linekers nüchterner Konter an die Adresse seines früheren Mitspielers im Nationalteam: „Bleib lieber beim Fußball.“
Als ein prominenter englischer Politik-Berichterstatter den TV-Fußball-Experten Lineker irgendwann an dessen journalistische Neutralitätspflicht in Punkto Brexit erinnerte, gab Englands Torjäger-Ikone (48 Treffer in 80 A‑Länderspielen) lässig zurück: „Ich bin nur freier Mitarbeiter. Ich darf also über jeden Scheiß reden, den ich auf meinem Account lesen will.“
Doch auch Lineker, für seine geistreichen Kommentare gleichsam gerühmt wie gefürchtet, überzeugte im Rahmen der Brexit-Debatte nicht immer durch politische Sattelfestigkeit. Nach der Volksabstimmung im Juni 2016 erklärte er lakonisch: „Raus aus der EU hat gewonnen. Also lasst uns damit abfinden.“ Später musste der einstige Barca-Legionär einräumen, dass „ich nunmehr meine Meinung geändert habe. Ich hätte es damals nicht für möglich gehalten, dass wir tatsächlich über einen No-Deal-Brexit nachdenken würden und über das Gemetzel, das dieser mit sich bringen würde.“ Dabei hatten renommierte Politologen und Ökonomen genau davor gewarnt.
In der aufgeheizten Debatte um den EU-Austritt Großbritanniens erhalten jedoch nicht immer die Klügsten Gehör. Andererseits müssen Scharfmacher wie Peter Shilton auch mit massivem Gegenwind leben: Ein unbekannter Brexit-Gegner kontaktierte Shiltons Ehefrau Steffi auf deren Handy, um den werten Gatten zu trollen. Als Mrs. Shilton zurückfragte, ob es okay sei, zu diesem Zweck die Ehefrau zu belästigen, antwortete der Troll: „Denkst du, es ist okay, dass er dich betrogen hat? … Dein Ehemann ist einer, der sich an die Konservativen verkauft hat und keinerlei Freunde hat.“ Mit Blick auf Diego Maradonas legendäres Tor gegen Shilton bei der WM 1986 („Die Hand Gottes“) befand der Unbekannte: „Außerdem liebt er es, sich von Zwergen überspringen zu lassen“.
Der schäumende Shilton höchstselbst stellte einen Screenshot vom Chatverlauf online und schimpfte: „Beschämendes, feiges Benehmen. Das werde ich NICHT tolerieren.“ Später ergänzte der einstige Nottingham-Forest-Keeper: „Mein nächster Anruf wird bei der Polizei sein.“ Was die Brexit-Gegner auf ein lustiges Spiel brachte: Wann immer Shilton sich zum Thema zu Wort meldet, erinnern Sie daran, dass er kürzlich seiner Frau fremdgegangen sei und sich von Zwergen überspringen lasse.
„Er kann seinen Arsch nicht von seinem Ellbogen unterscheiden“
Ex-Nationalmannschafts-Kollege Peter Reid (62), ein Brexit-Gegner, will sich nicht auf ein solches Niveau herablassen und stattdessen durch sachdienliche Argumente punkten. Nachdem Shilton sich wieder einmal als Fan von Jacob Rees-Mogg geoutet hatte, zeichnete Reid sein eigenes Meinungsbild von dem Hardliner aus den Reihen der konservativen Partei: „Er ist schleimig und kann seinen Arsch nicht von seinem Ellbogen unterscheiden.“
Diskussionsbeiträge wie diese liefern in etwa so viel Orientierungshilfe wie Sophia Thomallas skurrile Pro-Merkel-Intervention im Bundestags-Wahlkampf 2017: Man weiß irgendwie nicht, was das bewirken soll.
Nur einer hat sich bislang noch nicht in den öffentlichen Brexit-Diskurs der Fußball-Legenden eingeschaltet: Paul Gascoigne (51). Dabei wäre es durchaus interessant, auch seinen Standpunkt zu erfahren.