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Seite 2: „I only serve one nation!“

Wiese trat in die Arena, gehüllt in einen deut­lich zu kleinen und schlecht geschnit­tenen Ver­walter-Anzug. Im Gesicht eine rah­men­losen Beam­ten­brille, in der Hand eine Akten­ta­sche mit dem Kon­terfei der Kanz­lerin darauf, die er thea­tra­lisch in die Höhe reckte. Dazu bal­lerte mono­toner Büro­krat­entechno von Kraft­werk“ aus der 12.000-Watt-Anlage der Halle. 

Der 1,93-Meter-Hüne ging gebückt, bemüht kraftlos und unter­würfig, um den Beamten authen­tisch zu mimen. Er trot­tete zur fast unsicht­baren Mar­kie­rung auf dem Boden. MERKEL-WAR­RIOR? ME?“, don­nerte er in die Halle. Umständ­lich schwenkte er den Zei­ge­finger und schüt­telte im selben Rhythmus den Kopf. NEVER!!“ 

Er warf die Akten­ta­sche von sich, drückte den Rücken durch und zog in tiefen Zügen das wabernde Tes­to­steron der Umge­bung ein. I ONLY SERVE ONE NATION!“ Wiese flexte Bizeps, Tri­zeps und alle übrigen ver­füg­baren Mus­keln. THE WREST­LING NATION!“ Sein Ver­walter-Anzug platzte ent­lang der Nähte, Wiese riss sich die Fetzen vom Leib. Er stand nun in einer grün-weiß-karierten Speedo-Unter­hose in der Halle. Die Zuschauer waren nicht mehr zu halten. Die Gesichter der hes­si­schen WWE-Bri­gade Esch­born“ etwa, deren Mit­glieder bereits seit den frühen Mor­gen­stunden vor der Halle cam­piert hatten, um nun in der ersten Reihe zu stehen, ver­formten sich zu gro­tesken Fratzen der Ekstase.

Ein Zuhause beim väter­li­chen Land­vogt

Wiese rutschte unter den Seilen hin­durch in den Ring, wo sein Mentor ihn bereits erwar­tete. Der Kampf war bis zur kleinsten Bewe­gung durch­ge­plant. Wiese würde ver­lieren, so wie es für Neu­linge im Ring üblich war. Also ließ er sich in die Rin­ge­cken werfen und win­selte gespielt wegen der bru­talen Atta­cken, die er von seinem Gegner ein­ste­cken musste. Nachdem er erneut eine Salve Schläge in den Bauch simu­lieren musste, sackte er zusammen und krümmte sich auf dem Boden. Er beob­ach­tete, wie der Land­vogt auf einen Pfosten des Rings stieg, dort tän­zelnd für das buhende Publikum posierte. Er ging in die Knie und – sprang.

Die Flug­kurve konnte Wiese vor­aus­sagen, hatten der Land­vogt und er diesen Finisher“ doch dut­zend­fach geprobt. Den­noch über­raschte ihn die schiere Wucht, mit der der Unterarm des Land­vogts auf seinen Hals lan­dete. Der Ring­rich­tiger klatschte zum ersten Mal auf die Matte. ONE!“ Der Land­vogt zwin­kerte ihm fast väter­lich zu. Das Gefühl von Aner­ken­nung floss warm durch Wieses Körper. TWO!“ Wiese schloss die Augen und fühlte sich, als sei er am Ende einer langen Reise, dessen Ziel er lange nicht kannte, end­lich ange­kommen. THREE! FIGHT’S OVER!“ Von nun an würde der Ring sein Zuhause sein.