Amerikanische Investoren wollen den englischen Viertligisten Bradford City kaufen. Die Fans sind in Aufruhr, denn sie befürchten Teil eines Experiments zu sein. Auslöser des Dramas: ein kürzlich erschienenes Interview bei der Washington Post. Und eine E‑Mail.
Bis vor einigen Tagen schien alles noch so wie immer in der nordenglischen 300.000-Einwohner-Stadt Bradford. Außer das Wetter. Kaum Niederschlag, wenig Wind und milde sieben Grad. Nicht gerade typisch für das berüchtigt nasskalte britische Klima. Doch aus der Ferne hatte sich bereits ein Sturm angekündigt. Nicht rund um die Großstadt, sondern um den dort ansässigen Fußballverein Bradford City.
Am Donnerstag erschien in der Washington Post ein Bericht darüber, dass die amerikanische Gruppe WAGMI-United einen Klub aus der League Two aufkaufen wolle. Die Gespräche mit dem Verein befänden sich angeblich im fortgeschrittenen Stadium. Mittlerweile ist bestätigt: Es handelt sich dabei um Bradford City. Wie fortgeschritten die Sache jedoch wirklich ist – dazu später mehr.
Berichte über amerikanische Investoren im englischen Fußball sind keine Seltenheit. Jüngstes Beispiel: die Übernahmeoption der San Francisco 49ers bei Leeds United. Doch dieses Mal ist es etwas anders. Zunächst geht es bei Bradford City „nur“ um einen Viertligisten. Das englische Oberhaus ist in weiter Ferne. Zum anderen liegt es auch an der Investoren-Gruppe selbst. Denn diese will nichts weniger, als das aus ihrer Sicht „kaputte Eigentumsmodell“ umkrempeln. Mit NFTs. Moment. Womit?
Non-fungible Tokens, kurz NFTs, sind einzigartige digitale Produkte ohne physische Form. Sie sind, wie der Name sagt, non-fungible, also nicht austauschbar, können aber gekauft oder verkauft werden. Die Investorengruppe will mit dem Handel von NFTs ein neues Modell für den Besitz von Sportteams schaffen.
Etwas konkreter: Online-Investoren und Fans auf der ganzen Welt könnten so „ein Stück des Teams“ in Form von digitalen Sammlerstücken erwerben. Zum Beispiel Videos, Fotos und Figuren aber auch Kunstwerke, Musikstücke oder Memes. Anstelle von Aktien würden die Anhänger also ein digitales Produkt besitzen. Durch den Verkauf der Tokens will WAGMI sein Kapital beschaffen und den Fortschritt des Vereins vorantreiben.
Das erklärt jedoch noch nicht, wie die Investorengruppe mit NFTs das „kaputte Eigentumsmodell“ ändern möchte. Im Gespräch mit der Washington Post erklärten sie weder, warum das ursprüngliche Modell überhaupt kaputt sei, noch wie der Verkauf von NFTs das Problem beheben würde.
Wer bei der neu auserkorenen Finanzierungsform von WAGMI bereits den Überblick verloren hat: Ein Blick auf die einzelnen Charaktere hinter der Investmentgruppe führt zu weiteren Fragezeichen. Hinter WAGMI-United stehen ein Analyst für Sportwetten, ein Derivatehändler, der Präsident eines US-Sportteams, der Vorsitzende einer Kommunikationsagentur und ein TikTok-Millionär. Fast selbstredend, dass nahezu niemand der handelnden Akteure einen Bezug zum Fußball hat.
Das Unternehmen wird vom Sportwetten-Analysten Preston Johnson und dem Mitbegründer Eben Smith geleitet. Daryl Morey, Präsident des Basketballteam Philadelphia 76ers, der ebenfalls zur Gruppe dazugehört, erklärte in seinem Statement: „Indem wir neue Technologien und frisches Denken in die Welt des englischen Fußballs bringen, könnte WAGMI an der Spitze einer Revolution stehen, wie Sport-Franchises geführt werden.“ Damit dürfte er zumindest Teile von Bradfords Fans in Schockstarre versetzt haben. Ihr altehrwürdiger Verein – ein Franchise?