Keine Fanfreundschaft ist so traditionsreich, so unverbrüchlich und so weltumspannend wie der Bund zwischen dem FC Turin und River Plate. Und jedes Jahr kurz vor Weihnachten lebt sie wieder auf.
Einer aber wollte mehr tun, als nur brav zu kondolieren: Antonio Vespucio Liberti, der damalige Präsident von River Plate, war wie seine italienisch-stämmigen Vorfahren glühender Anhänger des AC Turin und organisierte ein bombastisches Benefizspiel zugunsten der Opferfamilien: Am 26. Mai 1949, ganze 22 Tage nach dem Crash, kickte River Plate in Turin gegen eine italienische Liga-Auswahl, die in stierblutfarbenen Trikots antrat – eine Reminiszenz an „Il Grande Torino“. Die Partie endete 2:2 und war zugleich der Beginn einer unverbrüchlichen Freundschaft, die über zwei Weltmeere und fast 72 Jahre reicht.
Als River Plate im November 2019 im Endspiel der südamerikanischen Copa Libertadores stand, platzten die einschlägigen Bars der Torino-Fans aus allen Nähten. Und als ein gewisser Gabriel Barbosa in der 5. Minute der Nachspielzeit den 2:1‑Siegtreffer für den brasilianischen Erzrivalen Flamengo erzielt hatte, stand den Turinern echte Anteilnahme in den Gesichtern geschrieben. Einige weinten sogar. Manche zückten ihre Smartphones und schrieben Worte der Solidarität an ihre argentinischen „Brüder“ und „Schwestern“, die im fernen Lima in der Kurve standen oder in irgendeiner Bar in Buenos Aires hockten. Echte Freundschaft verbindet auch jene, zwischen denen Tausende von Kilometern liegen.
Das rote Band der Freundschaft zwischen dem FC Turin und River Plate ist auch im Alltag kaum zu übersehen: Rund um das „Stadio Olimpico Grande Torino“, die 87 Jahre alte Heimstätte des italienischen Klubs, kleben Tausende von Freundschaftsstickern auf Ampelmasten, Leitplanken und Zeitungskiosken. Mal auf Spanisch, mal auf Italienisch künden sie von „Eterna Amistad“ oder „Eterna Amiciaza“ – ewiger Freundschaft. In der „Curva Maratona“ zählen gemeinsame Schals und Transparente ebenso zum gängigen (Vor-Corona-)Szenario wie größere Besuchergruppen aus Argentinien. Die Gäste übernachten meist bei langjährigen Freunden oder lernen neue kennen, bei denen sie sich dann spontan einquartieren.
Das Museum des FC Turin im beschaulichen Vorort Grugliasco hat der einzigartigen Freundschaft zum Klub aus Buenos Aires sogar eine eigene kleine Sonderausstellung gewidmet. Das vielleicht schönste Exponat ist ein tiefrotes Trikot – von River Plate: An jedem 4. Mai, dem Jahrestag der „Katastrophe“, spielen die Argentinier in „Granata“. So nennt man die charakteristische Trikotfarbe des FC Turin. Im Gegenzug zählt der siebenmalige italienische Meister schon seit 1953 schneeweiße Ausweichtrikots mit roter Brustschärpe zu seinem Equipment – eine Hommage an die Farben der südamerikanischen Freunde.
Schon bald, so hofft man im Piemont wie auch in Buenos Aires, werden die Flugzeuge zwischen Italien und Argentinien nicht mehr nur Päckchen befördern, sondern wieder Menschen. Fans. Freunde. Fürs Leben.