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Seite 2: Die Adresse ist ein Mythos

Arjen Robben beschwert sich laut­stark bei einem Mit­spieler: Eine Ball­be­rüh­rung! Nicht zwei.“ Ein Raunen geht durch die Reihen. Ein rüs­tige Mitt­sech­zi­gerin stellt fröh­lich fest: Mei, die sind so nah!“ Wenn in der Feri­en­zeit die Massen nach Gie­sing pil­gern, schlägt die Ergrif­fen­heit auch mal in Hys­terie um. Weil eh kein Wort mehr zu ver­stehen ist, krei­schen die Schul­kinder aus jeder Ecke des Platzes, wenn Thoooomas“, Phiiii­lipp!“ oder Aaaarrrjen!“ vor­bei­laufen.

Ein­tritt ist frei!

Die Säbener Straße an Trai­nings­tagen ist ein Erleb­nis­par­cour. Ein Wachs­fi­gu­ren­ka­bi­nett mit echten Men­schen, die – wenn man Glück hat – bei ihrem Tun fast bei­läufig noch Nach­richten pro­du­zieren, so dass man am nächsten Tag beim Blät­tern in der Zei­tung sagen kann: Schau, da war ich dabei.“ Und das Beste daran: Der Ein­tritt ist frei!

Der größte Anteil der Besu­cher ist auf der Durch­reise. Trixi Pfre­undner vom Ammersee hat ihre schwe­di­sche Freundin Ewa Wall­mark samt deren Familie im Schlepptau. Die beiden haben sich 1964 als Au-Pair-Mäd­chen in Eng­land ken­nen­ge­lernt. Ewas Mann ist Fuß­ballfan. Die Säbener ist Teil des Tages­aus­flugs nach Mün­chen.

11.000 Kilo­meter mit dem Rad

Der 13-jäh­rige Elias Hanna aus Alex­an­dria in Loui­siana besucht Ver­wandte in Deutsch­land. Die Tante hat den Soc­cerfan mit einer Fahrt zum Bayern-Trai­ning über­rascht. Ein vor­zei­tiges Geburts­tags­ge­schenk. Hein­rich Pen­nelis aus Diepenau an der Weser ist seit seiner Pen­sio­nie­rung ständig mit dem Wohn­mobil unter­wegs. Von den Cam­ping­plätzen, auf denen er resi­diert, erkundet er die Umge­bung mit dem E‑Bike. Schon 11.000 Kilo­meter hat er sich erra­delt. Daheim macht er sich am Stamm­tisch seit über 50 Jahren als Bayern-Anhänger unbe­liebt. Ein Besuch der Säbener war längst fällig.

Zwei bul­lige Brüder aus Unter­franken, einer trägt ein T‑Shirt mit der Auf­schrift Euer Hass ist unser Stolz“, haben sich am Morgen spontan ins Auto gesetzt, um mal eine Ein­heit aus nächster Nähe zu sehen. Eine Familie aus Han­nover, die eine Woche Urlaub im Baye­ri­schen Wald macht, konnte den zehn­jäh­rigen Sohn nur mit der Aus­sicht auf ein FCB-Trai­ning zu der öden Land­partie über­reden.

Rentner fliegen mit nach Katar – als Ordner

Der Trai­nings­platz am Kopf­ende ist bei den Ord­nern nicht son­der­lich beliebt. Die Geh­wege sind schmal, die Gäste betreten ständig die Kanten der Rasen­fläche. Sakra, ist das denn so schwer“, stöhnt ein Wächter mit Pilo­ten­brille und Brilli im Ohr bei jedem Fehl­tritt. Viele Auf­seher arbeiten seit Jahr­zehnten beim FCB. Der Klub nimmt den eigenen Ord­nungs­dienst sogar mit auf Reisen. Die Rentner mit den roten Käppis bewa­chen auch in Katar, in China und den USA die Ein­heiten der Mann­schaft. Die Männer stehen für die Nah­bar­keit und das Volks­tüm­liche, das der FC Bayern trotz aller Gigan­to­manie in Zeiten der Hyper­kom­mer­zia­li­sie­rung aus­strahlen will. Sie sind die Grals­hüter des Stadt­teil­ver­eins, der von diesem Standort aus seinen Sie­geszug zur welt­um­span­nenden Marke antrat.

Die Adresse Säbener Straße 51 – 57 ist längst ein deut­scher Fuß­ball­my­thos. Kurt Land­auer schwatzte 1949 der Stadt das heute 80 000 Qua­drat­meter große Gelände ab, um dem FC Bayern in Schlag­di­stanz zum Rivalen 1860 eine Heimat zu geben. Maier, Müller und Becken­bauer duschten anfangs noch in einer grün gestri­chenen Baracke, die jeder, der je dort war, als reinstes Pilz­biotop bezeichnet. Nebenan hatte Schuh­ma­cher­meister Opa“ Renn seinen Holz­ver­schlag, in dem er für die Profis die Stollen aufzog, Schuhe wie­nerte und Löcher in den Leder­töppen stopfte. 1971 ent­stand das erste von heute ins­ge­samt drei Gebäuden, und die Pro­fes­sio­na­li­sie­rung des Klubs beschleu­nigte sich. Als Uli Hoeneß von einer USA-Reise mit der Idee zurückkam, dass sein FCB eigenes Mer­chan­di­sing benö­tige, wurden hek­tisch Schals, Mützen und T‑Shirts bedruckt.

Am ersten Tag standen 27,50 Mark zu Buche

Eine Sekre­tärin besetzte zwi­schen Bergen von Kar­tons in der Post­stelle das Telefon und ver­mel­dete schon am Abend des ersten Ver­kaufs­tags stolz einen Umsatz von 27,50 Mark. Als ein frü­herer Platz­wart – privat Anhänger des FC Schalke 04 – in einer Win­ter­nacht ein rie­siges Knappen-Logo in den Schnee auf dem Trai­nings­platz malte, schwoll am Morgen dem Manager beim Blick aus seinem Büro­fenster der Kamm. Bewaffnet mit einem Schnee­schieber begann Hoeneß höchst­selbst mit den Räum­ar­beiten und drückte einem Ordner 300 Mark in die Hand, damit aus dem Bau­markt noch schnell wei­tere Schau­feln her­an­ge­schafft wurden. Als der Trai­ner­park­platz noch nicht in der Tief­ga­rage, son­dern im Hof lag, deckte eine Bou­le­vard­zei­tung auf, dass Ottmar Hitz­feld jeden Morgen beim Ein­parken mit der Stoß­stange die Häu­ser­wand tou­chiere.

Außer dem Bun­destag pro­du­ziert wohl kein Ort in Deutsch­land in höherer Schlag­zahl his­to­ri­sche Fuß­noten: Der Kinn­haken von Bixente Liza­razu gegen Lothar Mat­thäus. Tra­pat­tonis Wut­rede. Ein­bre­cher, die ver­suchten den Tresor zu kna­cken, in dem die Replik des Euro­pa­cups ein­ge­schlossen war – und schei­terten. Gio­vane Elber und Mehmet Scholl, die in der Sauna von einem Feuer über­rascht wurden, weil eine Putz­frau eine Matte auf dem Ofen lie­gen­ge­lassen hatte, und sich mit einem Seil aus dem ersten Stock des Pro­fi­trakts ret­teten. Bas­tian Schwein­stei­gers nächt­li­cher Besuch des Whirl­pools mit einer Dame, die er dem alar­mierten Sicher­heits­dienst als seine Cou­sine vor­stellte.