Auf dem Weg zum Bundesliga-Stammspieler musste Kaan Ayhan einen kleinen Umweg nehmen. Jetzt ist er als Düsseldorfer Abwehrchef zurück in Liga eins. Doch die Vergangenheit ist noch nicht gänzlich bewältigt.
Wer in Gelsenkirchen geboren wird und nur zwei Minuten vom Stadion des FC Schalke 04 entfernt aufwächst, kennt nur eine Farbe: Königsblau. Also fing Kaan Ayhan im Alter von vier Jahren auf Schalke mit dem Fußballspielen an – und machte 14 Jahre später sein erstes Bundesligaspiel für die Profis, debütierte im Madrider Estadio Santiago Bernabeu in der Champions League und hatte überhaupt eine große, königsblaue Zukunft in Aussicht.
Doch in den letzten Jahren scheint es, als ginge die Beziehung des FC Schalke zu seinen Nachwuchshoffnungen immer früher zu Bruch. Im Gegensatz zu manchen anderen wurde Kaan Ayhan allerdings weder das eigene Ego (Draxler), noch das eines Beraters (Meyer) oder finanzstarker Investoren zum Verhängnis (Kolasinac, Kehrer).
Ayhan wurde zum Opfer der andauernden Trainerwechsel und Unsicherheit auf Schalke, die den stolzen Bundesligisten spätestens seit 2012 heimsuchten. Jens Keller vertraute ihm noch, Roberto Di Matteo und Andre Breitenreiter allerdings nicht. So verließ Ayhan nach 21 Jahren in Gelsenkirchen und 17 auf Schalke zum ersten Mal das Ruhrgebiet, um ein halbes Jahr in Frankfurt Spielpraxis zu sammeln. Sie belief sich am Ende der Leihe auf zwei Einsätze und die große Karriere war in weite Ferne gerückt.
Zurück in der Bundesliga
Vielleicht wurde ihm danach selbst klar, dass er einen Neustart wagen musste. So oder so war auf Schalke aber kein Platz mehr für die einstige Nachwuchshoffnung. Und Ayhan wechselte noch im selben Sommer zu Fortuna Düsseldorf.
Zwei Jahre später ist er zurück in der Bundesliga und mit beeindruckender Regelmäßigkeit der beste Spieler seines Teams. Das könnte auch an der Strategie liegen, die sein Trainer Friedhelm Funkel ausgibt: „Nach Ballverlusten sofort umschalten, eklig sein, den Gegner in Zweikämpfe verwickeln.“ Damit beschreibt er ziemlich exakt die fußballerischen Spezialgebiete von Kaan Ayhan.
Während er in der ersten Saison noch meistens im defensiven oder zentralen Mittelfeld auflief, setzte Funkel den türkischen Nationalspieler in seinem zweiten Jahr am Rhein fast ausschließlich als Innenverteidiger ein. In dieser Rolle hatte Ayhan mit 61 Prozent Zweikampf- und 84 Prozent Passquote maßgeblichen Anteil am Aufstieg der Fortuna. Beide Statistiken konnte er in den ersten vier Spielen dieser Saison noch leicht verbessern.
Seine Erfahrung als defensiver Mittelfeldspieler hilft ihm im Spielaufbau, sein Timing beim Kopfball und die physische Präsenz kommen defensiv zur Geltung. Egal ob Funkel mit Vierer- oder Fünferkette spielen lässt, Kaan Ayhan ist der Boss im Düsseldorfer Defensivverbund. Passenderweise bedeutet der türkische Vorname Kaan „Herrscher“ oder „Befehlshaber“. Sein Trainer bezeichnete ihn passenderweise als „absolute Führungspersönlichkeit“. So tritt Ayhan auch auf dem Platz auf. Gerade weil er vielen seiner Mitspieler gegenüber einen entscheidenden Vorteil hat: Bundesligaerfahrung.
Dass er die jetzt mit Fortuna noch ausbauen kann, macht ihn glücklich, denn: „Es hätte auch andersherum laufen können, dessen bin ich mir bewusst. Es gab eine Zeit, in der ich nicht wusste, wie weit ich komme. Ich hatte Champions League gespielt, aber hatte eben auch eine Saison, in der ich nie 90 Minuten durchgespielt habe. Deswegen bin ich jetzt extrem froh, dass ich noch mal ganz oben in der Bundesliga mit so einer geilen Mannschaft angreifen kann.“
Traum vom Tor auf Schalke
Dabei ist er ein Hauptgrund für den überraschend guten Saisonstart der Fortuna. Seit der Auftaktniederlage gegen Augsburg ist Düsseldorf ungeschlagen und kassierte nur zwei Gegentore. Tatsächlich wären sogar noch mehr als die bisher fünf Punkte drin gewesen. In Leipzig hätte man gewinnen können und zuletzt gegen Stuttgart hatte Ayhan höchstpersönlich den Sieg auf dem Fuß.
Friedhelm Funkel, von dem Ayhan behauptet, „er kennt mich teilweise besser als ich mich selbst“, scherzte anschließend: „Kaan macht sein Kopfballtor dann erst wieder am letzten Spieltag.“ Wie vergangene Saison, als Ayhans Treffer kurz vor Schluss der Fortuna die Zweitligameisterschaft sicherte.
Eigentlich will er aber doch vorher schon treffen. Am liebsten auf Schalke. „Das war schon immer ein Traum von mir“, sagt er. Wenn es als Schalker schon nicht geklappt hat, dann eben als Düsseldorfer. Damit wäre Kaan Ayhan wohl endgültig angekommen in der Bundesliga.