Nach der Planinsolvenz steht der 1. FC Kaiserslautern vor einem Neustart. Doch sportlich läuft es mies. FCK-Sportdirektor Boris Notzon über die Existenzsorgen der Belegschaft und die härteste Transferperiode seiner Laufbahn.
Für die neue 11FREUNDE-Ausgabe #229 haben wir einen genauen Blick auf den 1. FC Kaiserslautern geworfen. Die Reportage findet ihr im Heft. Für die Recherche hat Autor Tim Jürgens auch ausführlich mit Sportdirektor Boris Notzon gesprochen. Dabei ist unter anderem dieses Interview entstanden.
Boris Notzon, am 29. Oktober 2020 haben die Gläubiger dem Insolvenzplan des 1. FC Kaiserslautern zugestimmt. Der FCK ist damit schuldenfrei und erhält von einem Investorenpool eine Starhilfe von elf Millionen Euro. Wie fühlt sich das für Sie an?
Man ist dankbar für die Unterstützung der Investoren in dieser schwierigen gesamtgesellschaftlichen Zeit in der Corona-Krise. Es ist zugleich Verpflichtung für uns, alles für den Erfolg zu investieren, wirtschaftlich gut zu haushalten und sportlich vorwärts zu kommen.
Schon klar, aber wie geht es Ihnen mit der neuen Situation?
In puncto des Insolvenzverfahrens war hier niemandem nach Jubelschreien zumute. Denn Gläubiger haben dabei Geld verloren und der Prozess war für alle mehr als anstrengend. Es war aber der letzte Weg, um als Klub zu überleben. Zumindest können wir jetzt einen Moment lang wirtschaftlich durchatmen.
Mehr nicht?
Das Insolvenzverfahren hat die Mitarbeiter und den Verein die letzten Wochen Kraft gekostet. Wegen der schwierigen wirtschaftlichen Lage ist die Geschäftsstelle in den vergangenen Jahren sowieso deutlich geschrumpft. Mein Kollege Marcus Böse beispielsweise verantwortet inzwischen vier Aufgabenfelder: vom Marketing über Merchandise und IT bis zum Ticketing. Dazu hat die Corona-Krise bei allen – vom Greenkeeper bis zu den Spielern – existenzielle Fragen aufgeworfen.
Aber die Insolvenz ist auch ein neuer Anfang.
Natürlich ist es ein großer Schritt, dass es den Gremien und Geschäftsführer Sören Oliver Voigt gelungen ist, den Verein kurzfristig vom Existenzdruck zu befreien, der hier seit Jahren auf dem Verein lastete und den Handlungsspielräume und Entscheidungen beeinträchtigt hat.
Sie sind seit 2014 in Kaiserslautern, anfangs waren Sie Leiter der Scoutingabteilung, seit 2017 sind Sie Sportdirektor. Wie hat diese Situation Ihren Radius eingeschränkt?
Wir haben in den vergangenen fünf Jahren 30 Millionen Euro durch Spielertransfers eingenommen – und sechs Millionen in die Mannschaft reinvestiert. So eine Bilanz zeigt, wie gut sich viele Spieler beim FCK entwickelt haben, zeigt aber auch, dass kein vergleichbarer Klub aus höheren Ligen, nehmen wir beispielsweise St. Pauli, Bielefeld, den KSC oder Heidenheim, annähernd solche Transfererlöse generieren konnte. Und trotzdem mussten wir als erster Verein nach der Corona-Krise Insolvenz anmelden. Ich denke, das beschreibt ganz gut die Situation.
Auch andere Klubs müssen sich von Leistungsträgern trennen, so funktioniert nun mal das Geschäft.
Mag ja sein, aber mit dem Geld wird in der Regel in die Mannschaft oder beispielsweise in die Infrastruktur im NLZ investiert. Der 1. FC Köln hat Jhon Cordoba für 12 Millionen nach Berlin veräußert, 11,5 Millionen Euro für drei neue Spieler reinvestiert, die den sportlichen Verlust abmildern. Solche Prozesse waren beim FCK nicht möglich. Auch in diesem Sommer – der für uns alle anspruchsvollsten Transferperiode, die es bis dato gab – konnten wir durch den Verkauf von Lennart Grill, Florian Pick, Christian Kühlwetter und Timmy Thiele hohe Transfereinnahmen generieren, haben im Gegenzug aber nur einen minimalen Bruchteil von diesen Einnahmen investiert. Aber es ist wie es ist und es ist insofern positiv, als dass es deutlich macht, dass man über den FCK wie im Fall Lennart Grill auch zu einem Verein in der Champions League kommen kann. Da sind wir dann durchaus auch stolz.
Wo ist das ganze Geld geblieben? Ist das Gehaltsgefüge zu hoch, wie manche Konkurrenten unken?
Unser Etat ist mit dem Gläubigerausschuss abgestimmt und wir bewegen uns da völlig im Rahmen. Ich kenne den Markt und die Gehälter in der 3. Liga gut. Wir haben gute Möglichkeiten, aus denen wir mehr machen müssen, keine Frage! Aber nochmals: Es gibt Teams, die wirtschaftlich in einer anderen Kategorie unterwegs sein können als wir.
Der Verbleib eines Spielers hängt mit der hohen Fluktuation auf dem Trainerposten zusammen: Jeff Saibene ist der 27. Coach seit der Jahrtausendwende auf dem Betzenberg, der zehnte seit 2015.
Trainer setzen auf Spieler und Spieler funktionieren mit einem Trainer besser oder schlechter. Ständige Veränderungen waren die letzten Jahre auch mit Abfindungszahlungen verbunden. Es ist hier nicht gelungen, eine Vision mit einem Team nachhaltig über einen längeren Zeitraum umzusetzen. Dazu war die Fluktuation zu groß. Ich denke aber, Jeff Saibene und der FCK, das passt. Uwe Scherr arbeitet darüber hinaus weiter an einheitlichen sportlichen Strukturen im NLZ. Es geht vorwärts.
Durch die Annahme des Insolvenzplans hat der FCK nun knapp zehn Millionen Euro Eigenkapital zur Verfügung. Was bedeutet das für Sie als Sportdirektor?
Ich bin sehr vorsichtig. Wir müssen auf jeden Euro sorgfältig aufpassen, um mit den vorhandenen Möglichkeiten möglichst lange auszukommen.
Okay, aber was wäre Ihr Wunsch?
Es wäre schön, wenn wir anders als in der jüngeren Vergangenheit in der Lage wären, auch mal einen wichtigen Spieler zu halten. Durch den wirtschaftlichen Druck wurden hier zwischenzeitlich Leistungsträger abgegeben, die man lieber auch ein Jahr später ablösefrei hätte ziehen lassen, um sie sportlich noch eine Saison zu halten. Ich würde mich freuen, wenn dies zukünftig zumindest wirtschaftlich aushaltbar wäre.