Im Revierderby kann man zum Helden werden. Oder eben nicht. Aber nicht nur Boateng hatte einen schlechten Tag, auch bei Oliver Baumann und Mame Diouf lief es nicht so optimal. Ist vorsorglich gleich komplett im Bett geblieben: Unsere 11 des Spieltags.
Kevin-Prince Boateng
„In diesem Spiel kann man sich unsterblich machen“, trompetete Kevin-Prince Boateng im Vorlauf des Derbys, und was soll man sagen: KPB ist ein Mann der Tat und machte sich tatsächlich direkt unsterblich. Allerdings nicht etwa durch einen Siegtreffer per Fallrückzieher mit Moonwalk-Anlauf oder dadurch, dass er Kevin Großkreutz eine neue Frisur grätschte, sondern dummerweise durch einen beim Stande von 0:1 verschossenen Elfmeter. Dieser Fehlschuss macht Boateng nun zum allerersten Spieler, der in der Bundesligageschichte für Schalke einen Elfer im Revierderby verballerte – so hatte sich das Boateng sicherlich nicht vorgestellt, als er von der Unsterblichkeit sprach.
Henrikh Mkhitaryan
So sehr das alle Schalker schmerzen mag, aber Dortmund war in diesem Derby ein wenig besser. Vor allem, so machte es den Anschein, wollten die Borussen den Sieg einfach mehr. Exemplarisch dafür steht Henrikh Mkhitaryans Vorarbeit zum 3:1. Dortmunds Jahrhundertarmenier legte vor seinem Assist einen Sololauf hin, der derart lang war, dass selbst Forrest Gump die Puste ausgegangen wäre. Fast 70 Meter schleppte Mkhitaryan den Ball über den Platz, was an diesem Tag wahrscheinlich die längste Strecke war, die ein Dortmunder am Stück durch die Arena laufen durfte, ohne dabei von Schalkern bedrängt zu werden. Am Ende seines Solos legte er quer, Blaszczykowski netzte ein, der Derbysieg war perfekt. So einfach ist das manchmal.
Mame Diouf
Ebenfalls in den Geschichtsbüchern der Liga verewigt hat sich am Wochenende Hannovers Mame Diouf. Der Senegalese schaffte nämlich das Kunststück, nach nur 12 Minuten mit Gelb-Rot vom Platz zu fliegen – die schnellste Ampelkarte der Ligageschichte. Leider gibt es kein Gerät, mit dem sich zusätzlich die Dummheit eines Platzverweises messen lässt – eine Art Dummheits-Uhr sozusagen – aber auch ohne eine solche vermuten wir, dass Dioufs Gelb-Rote nicht nur die schnellste sondern auch die dümmste der Geschichte war. Innerhalb von zwei Minuten erst Gelb wegen Meckerns und dann wegen einer Schwalbe zu sehen, ist schon wirklich die ganz große Kunst der Eselei. Auch wenn die Schwalbe zumindest umstritten war – Dümmer angestellt hat sich zuvor wahrscheinlich nur Jürgen Milski beim Rechtschreibtest.
Marcelo
Was genau Hannovers Marcelo Schiri Stieler an Schimpftiraden entgegenspie, wird leider sein Geheimnis bleiben, aber es sah wahrlich nicht so aus, als würde Hannovers Verteidiger mit dem Referee nett über das Wetter reden oder den flotten Schnitt der Schiri-Uniform mit lobenden Worten versehen. Die Sammersche Wut, mit der Marcelo auf Schiri Stieler losging, war allerdings auch irgendwie nachvollziehbar. Kurz zuvor hatte 96 nämlich das 1:4 gegen Hoffenheim geschluckt, nach einem klaren Foul des Torschützen Roberto Firmino an Marcelo. Was das ohnehin brodelnde 96-Fass zum überlaufen brachte und den Brasilianer dazu veranlasste, Stieler eine wahrscheinlich jenseits aller Sprachgrenzen funktionierende Unflätigkeit entgegenzusammern, die ihm Rot einbrachte. Was dem Brasilianer immerhin die Möglichkeit verschaffte, in den Katakomben mit Mame Diouf über den gemeinsamen Lieblingsfilm zu reden: „Dumm & Dümmer“.
Kai Herdling
Auf der anderen Seite feierte Hoffenheims Kai Herdling sein Tordebüt in der Liga – mit sage und schreibe 29 Jahren. Nachwuchsarbeit, das wurde wieder einmal deutlich, wird in Hoffenheim nach wie vor groß geschrieben und weiterhin auf innovativen Wegen verfolgt, weswegen auch hoffnungsvolle Endzwanziger in Zuzenhausen gefördert und gefordert und tatsächlich noch zu Bundesligaspielern geformt werden. Herdlings Kopfball zum 2:0 war wirklich schulbuchmäßig, genau in den Winkel und zum genau richtigen Zeitpunkt. Aber mal was anderes: Wann ist in Hoffenheim eigentlich das nächste Sichtungstraining für hoffnungsvolle Nachwuchstalente? Und wo können wir uns anmelden?
Shinji Okazaki
Das „11FREUNDE-Sahnehäubchen in Blattgold und Marzipan“ geht diese Woche an Shinji Okazaki. Der im Körper eines Fußballers gefangene Dauerläufer fiel in seinen bisherigen Mainzer Arbeitstagen weniger durch Sahnetore auf, sondern viel eher durch sein duracellhasenartiges Laufpensum. Vor dem Tor war der Japaner bisher allerdings in etwa so gefährlich wie ein, um im Bild zu bleiben, Hase vor der Schlange. Kein gutes Zeugnis für einen Stürmer. Scheint sich auch Okazaki gedacht zu haben und lupfte deshalb einen lange Pass aus vollem Lauf über Braunschweigs Keeper Davari in die Maschen. Ein Tor, gefühlvoller als eine Best-of-Platte von Barry White.
André Hahn
Etymologisch nachweisen können wir es leider nicht, aber wir sind uns sicher, dass wegen solcher Tore wie jenem von Augsburgs André Hahn am Samstag gegen Leverkusen, einst das schöne Verb „wemmsen“ erfunden wurde. Einen gut und gerne fünfzig Meter langen Pass von Tobias Werner wemmste Hahn nämlich volley ins Toreck – so kompromiss- und humorlos wie Arnold Schwarzenegger in „Terminator 2“. Wir haben die Szene mehrere Male im Redaktionsinnenhof nachgestellt, mussten aber nach fünf gezerrten Kreuzbändern und etwa zwanzig epischen Luftlöchern geschlagen und gedemütigt aufgeben. 50-Meter-Volleyabnahmen überlassen wir lieber den Profis.
Josip Drmic
Nürnberg ist, neben Freiburg, so ein bisschen das Sorgenkind der Liga. Nachdem die Franken unverhofft unten reingerutscht sind haben sie vor kurzem den Trainer gewechselt und nun einen Mann an der Seitenlinie stehen, der aussieht wie eine Mischung aus Nick Nolte und Gary Busey. Was Nürnbergs neuer Trainer neben seiner ansprechenden Optik sonst noch so draufhat, können wir noch nicht beurteilen, dass die Franken aber nicht noch tiefer in den Keller gerutscht sind, liegt vor allem an Josip Drmic, der bereits am vergangenen Spieltag den 1:1‑Ausgleich in Frankfurt markierte und nun im Spiel gegen Stuttgart erneut den Treffer zum 1:1 erzielte. Unser Tipp also an den neuen Trainer: Einfach immer Drmic spielen lassen. Nach dem Gesetz der Serie müssten mit diesem Kniff noch 24 1:1‑Unentschieden hinzukommen, was für den Klassenerhalt reichen sollte. Und vielleicht für die Torjägerkanone für Drmic.
Icica Olic
Ivica Olic begeistert uns immer wieder. Der Mann gehört schon zum älteren Eisen in der Wolfsburger VW-Goldschmiede und ist trotzdem immer noch einer der Besten. Nicht nur in Sachen Einsatz ist der Kroate ein Vorbild für die oft lethargisch wirkenden Diegos des VfL, Olic ist auch fußballerisch ein absoluter Könner. Das 1:0 legte er Maximilian Arnold per Hacke auf, das 2:0 machte er direkt selber. Vor, zwischen und nach diesen Sahnestücken lief Olic noch einen gefühlten Halbmarathon und rackerte mehr als ein durchschnittlicher Ackergaul. Und der VfL steht plötzlich oben drin.
Oliver Baumann
Wer diese Rubrik regelmäßig liest, der wird wissen, dass Häme so etwas wie unser Treibstoff ist. Allerdings gibt es oftmals eine Art Spott-Grenze, jenseits derer die Häme in Mitleid umschwingt und man als Schreiberling geneigt ist, der Nächstenliebe halber auf schäbige Witze zu verzichten. Andererseits: Job ist Job, weswegen wir Oliver Baumanns Vorstellung am Sonntag nicht einfach so übergehen können. Baumanns Arbeitstag war nämlich so eine Grenzerfahrung, der Freiburger Keeper, eigentlich ein formidabler Schlussmann, verschuldete beim 0:3 gegen den HSV alle drei Gegentore. Insbesondere bei den ersten beiden Treffern bewies Baumann derart wenig Gefühl für räumliche Tiefe und Abstände, dass man meinen konnte, Karl Dall stünde im Tor der Breisgauer. Sichtlich geknickt entschuldigte sich der U21-Keeper im Anschluss bei der eigenen Kurve, die freundlichen Sozialpädagogik-Studenten, die den Großteil der Freiburger Fans stellen, verziehen dem Schlussmann mit aufmunterndem Applaus. Auch wir sagen: Kopf hoch. Vor allem, wenn ein Gegenspieler auf einen zurennt.
Oscar Wendt
Im zweiten Sonntagsspiel vermöbelte die Borussia aus Mönchengladbach völlig überforderte Frankfurter mit 4:1. Wir könnten jetzt die ganzen Fußball-Zuckerbäcker à la Kruse, Arango oder Herrmann hervorheben, die mit ihren goldschmiedewerkzeugartigen Füßen die Frankfurter Hintermannschaft einmal auf links zogen. Da wir aber davon ausgehen, dass alle oben genannten Kicker noch des Öfteren in dieser Liste auftauchen werden, erlauben wir uns, den Torschützen des 2:1, Oscar Wendt, lobend zu erwähnen. Wendts Tor war nicht das allerfeinste an diesem Nachmittag, aber sein Doppelpass mit anschließendem Gewaltschuss ins kurze Eck passte irgendwie sehr zu diesem Nachmittag im Dauerregen. Ein durch und durch ehrliches Tor.